Sensationelle Entdeckung: Ein verloren geglaubtes Meisterwerk von Bernini – ein Symbol der Vergänglichkeit im Zeitalter der Seuche
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Presse22.05.2021
Ein marmorner Totenkopf aus der Skulpturensammlung bis 1800 der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) kann nun dem berühmten Bildhauer Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) zugeschrieben werden.
Anlässlich dieser Entdeckung eröffnet am 28. Mai 2021 die Sonderausstellung „Bernini, der Papst und der Tod“ im Semperbau am Zwinger und ab 1. Juni in digitaler Form auf www.skd.museum.
Bei dem bislang verloren geglaubten Meisterwerk handelt es sich um einen äußerst eindrucksvollen Totenkopf aus weißem Carrara-Marmor. Er ist lebensgroß und so realistisch gestaltet, dass man ihn fast für einen echten menschlichen Schädel halten könnte. Nichts daran wirkt schematisch und kein Detail wurde vernachlässigt: von den zart gekräuselten Schädelnähten über das unterschnittene Jochbein bis hin zur hauchdünnen Nasenscheidewand. Der Kopf ist hohl und auch an der Unterseite perfekt und anatomisch korrekt ausgearbeitet.
Die Zuschreibung des Werks war aufgrund der besonderen Provenienz des Stücks möglich: Der Marmorschädel stammt aus der Sammlung Chigi in Rom, die Friedrich August I. von Sachsen, besser bekannt als August der Starke, 1728 durch seinen Agenten Baron Raymond Le Plat ankaufen ließ. Es handelte sich dabei um eine bedeutende Sammlung von 164 antiken Skulpturen, zu denen vier zeitgenössische Werke hinzukamen.
Wie dank sorgfältiger Recherchen nun bewiesen wurde, stammt ein damals erwähnter „berühmter Totenkopf“ tatsächlich aus der Hand Berninis. Es war zudem der erste Auftrag, den Alexander VII. drei Tage, nachdem er am 7. April 1655 zum Papst gewählt worden war, dem Bildhauer erteilte: In einer privaten Audienz bestellte Alexander VII. bei Bernini einen Bleisarkophag, den er fortan unter seinem Bett verwahren wollte, und einen Totenkopf aus Marmor, der auf dem Schreibtisch des Pontifex liegen sollte. Sich mit solchen Stücken umgeben zu wollen, mag heute merkwürdig erscheinen, bedenkt man jedoch, dass im 17. Jahrhundert plötzliches und oft gewaltsames Sterben allgegenwärtig war, versteht man den auch religiös motivierten Hintergrund. Gerade weil der Tod so präsent und unheimlich war, musste man besonderes Augenmerk auf ein gutes christliches Leben legen, damit man sich eine ewige Existenz im Jenseits sichern konnte. Selbst der Papst wollte daran ständig erinnert werden.
Wie akut die Bedrohung durch den Tod war, wurde in Rom sehr bald nach der Inthronisation Alexanders VII. deutlich, denn schon 1656 brach die Pest aus, die sich seit 1652 von Nordafrika über Sardinien und Neapel immer weiter ausgebreitet hatte – ein Schreckensszenario, das heute durch die Corona-Pandemie noch einmal ganz anders nachempfunden werden kann. Es ist dabei bemerkenswert, wie sehr die Maßnahmen, mit denen Alexander VII. die Pest – letztendlich erfolgreich – bekämpfen ließ (Quarantäne, Masken und die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens), jenen gleichen, die heute den Corona-Alltag bestimmen. Auch der Tod ist durch die gegenwärtige Situation wieder stärker im Bewusstsein der Menschen präsent und Berninis Totenkopf somit ein memento mori von außerordentlicher Aktualität.
Die Pest in Rom von 1656/57 wird in der Ausstellung ebenso behandelt wie die Schöpfungen, die Bernini und Alexander VII., die zu Recht als „dreamteam“ des Barock gelten, gemeinsam vollbrachten. Der Familie Chigi als Kunstsammler und -förderer, der Konkurrenz zwischen Bernini und Francesco Mochi sowie dem Einfluss, den Bernini auf das Werk des in Dresden tätigen Hofbildhauers Balthasar Permoser ausübte, sind weitere Kapitel der Schau gewidmet, die versucht, den Totenkopf in einen möglichst breiten Kontext zu stellen. Dies geschieht zum größten Teil mit Werken aus den mannigfaltigen Beständen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: der Skulpturensammlung vor 1800, der Gemäldegalerie Alte Meister, dem Kupferstich-Kabinett, dem Münzkabinett und dem Grünen Gewölbe. Als besondere Leihgabe kommt aus dem Besitz des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens in Rom ein Porträt Alexanders VII., das ihn mit Berninis Totenkopf in der Hand zeigt. Dieses Bild wurde von einem Schüler Berninis gemalt, der 1656 an der Pest verstarb.
Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog im Sandstein Verlag, Herausgeber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Stephan Koja, Claudia Kryza-Gersch; 144 Seiten, 134 meist farbige Abb., ISBN 978-3-95498-615-6, 19,80 €. Am 29. Mai 2021, 18 Uhr stellt Claudia Kryza-Gersch die Publikation in einer Live-Buchvorstellung im Rahmen der Frühjahrsschau des Sandstein Verlages vor.
Der Bildhauer und Architekt Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) prägte mit seinen Gebäuden und Brunnenanlagen das Erscheinungsbild der Stadt Rom nachhaltig und seine berühmten Skulpturen wie „Apoll und Daphne“ oder die „Verzückung der Heiligen Theresa“ wurden zum Inbegriff der Epoche des Barock. Bernini arbeitete im Laufe seines Lebens für acht Päpste, besonders eng war seine Verbindung jedoch zu Urban VIII. aus dem Hause Barberini und Alexander VII. aus dem Hause Chigi. Für letzteren schuf er nicht nur dessen monumentales Grabmal und die Cathedra Petri, beides im Petersdom, und die Kolonnaden des Petersplatzes, sondern auch sehr private Kunstwerke, die von der engen Beziehung zwischen Pontifex und Künstler zeugen.
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