GOLDENES ZEITA
GOLDENES ZEITALTER Holländische Gruppenporträts aus dem Amsterdams Historisch Museum
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Ausstellung09.09.2010 - 21.11.2010
Das Gruppenporträt stellt eine herausragende holländische Bildform dar, die besonders in der seit dem späten 16. Jahrhundert aufblühenden Metropole Amsterdam Fuß fasste, außerhalb der Grenzen der nördlichen Niederlande jedoch keine nennenswerte Verbreitung fand. Keine andere Bildgattung drückt das Wesen der holländischen Gesellschaft des „Goldenen Zeitalters“, des 17. Jahrhunderts, so vollkommen aus und spiegelt die sozialen Verhältnisse in den holländischen Städten mit ihrer bürgerlichen Kultur so perfekt wider. Regelmäßig ließen sich Mitglieder des vermögenden Stadtbürgertums – das Spektrum reichte von Vertretern der oberen Mittelschicht bis hin zu den die Stadtregierung bestimmenden Patriziern – in voller Lebensgröße darstellen, wie sie gemeinsame öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Drei Gattungen von Gruppenporträts lassen sich unterscheiden: Die „Schützenstücke“ sind die bekanntesten, sie zeigen die Offiziere der Schützenkompanien, die für die Verteidigung der Stadt und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig waren. Zur zweiten Gattung zählen die „Regentenbilder“, die männliche und weibliche Regenten als Vorsteher in den Leitungskollegien karitativer und sozialer Einrichtungen wie Waisenhäuser, Altersheime, aber auch Zuchthäuser darstellen. Die „Gildenbilder“ als dritte Gattung geben die Obleute der Handwerkszünfte und Berufsgenossenschaften wieder, unter denen vor allem die Chirurgen mit ihren anatomischen Demonstrationen herausragen.
Bildnisse von Menschengruppen, die durch eine gemeinsame Aufgabe oder Tätigkeit verbunden sind, stellen für den Maler immer auch eine formale Herausforderung dar. Um die steife Eintönigkeit einer Aneinanderreihung von still stehenden Personen zu vermeiden, bemühten sich die Maler, durch Bewegung und Aktion die Darstellung lebendig zu gestalten. Die Porträtierten sind an einem Tisch versammelt, im Gespräch oder in Bewegung wiedergegeben. Der bedeutende Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl, einer der Begründer der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“, war der erste, der vor etwas mehr als 100 Jahren in seiner berühmten Abhandlung über das holländische Gruppenporträt die formalen und inhaltlichen Bedingungen dieser Bildgattung beschrieb.
Der besondere Reiz dieser etwa 400 Jahre alten Gruppenporträts besteht nicht zuletzt in ihrem unmittelbaren Bezug zum heutigen gesellschaftlichen Leben. Die niederländische Gesellschaft war wesentlich vom Kalvinismus geprägt, der bürgerliche Tugenden förderte, wirtschaftlichen Erfolg zum Maßstab des Glaubens machte und gemeinschaftliche Führung nicht nur in den Kirchen, sondern auch im politischen Leben verlangte. Die Vorgangsweise, Entscheidungen durch Personengruppen in korporativer Form treffen zu lassen und damit Verantwortung zu teilen, stellte im 17. Jahrhundert in Europa, das weitgehend vom monarchischen und absolutistischen Prinzip geprägt war, eine Ausnahme dar. Heute ist sie im wirtschaftlichen wie im politischen Bereich mit seinen Kommissionen, Vorständen, Kuratorien und Aufsichtsräten die Regel. Damit schlagen diese Bilder eine Brücke, welche die vergangene mit unserer heutigen Lebenswelt unmittelbar verbindet.
Die Ausstellung umfasst elf Bilder aus der „Schuttersgalerij“ des Amsterdams Historisch Museum. Dieser Teil des Museums ist wegen notwendiger Bauarbeiten von August 2010 bis März 2011 geschlossen. „Um diese einzigartigen Werke in diesem Zeitraum dennoch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, freut es uns ganz besonders“, so Generaldirektorin Sabine Haag, „dass die Bilder nun erstmals in ihrer Gesamtheit außerhalb der Niederlande in einer Ausstellung des Kunsthistorischen Museums präsentiert werden“. Zu sehen sind die Gruppenporträts zunächst im KHM (9. September – 21. November 2010) sowie im Anschluss in der Alten Pinakothek München (2. Dezember 2010 – 13. Februar 2011).
Die Werke stammen von den Malern Frans Badens, Adriaen Backer, Ferdinand Bol, Gerbrand van den Eeckhout, Govaert Flinck, Bartholomäus van der Helst, Nicolaes Eliasz Pickenoy und Dirck van Santvoort.
Die Ausstellung wird von Oberkonservator Dr. Marcus Dekiert, Referent für holländische und deutsche Barockmalerei, Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Alte Pinakothek München, und Dr. Karl Schütz, Direktor der Gemäldegalerie und stellvertretender Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Wien, gemeinsam kuratiert.
Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag München ein vom Kunsthistorischen Museum und den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen herausgegebener Katalog mit Essays von Norbert Middelkoop, Marten Hell, Marcus Dekiert und Georg Vasold. Die Katalognotizen wurden von Norbert Middelkoop, Kurator für Gemälde und Grafik am Amsterdams Historisch Museum, und anderen MitarbeiterInnen des Museums verfasst.
Die Ausstellung entstand in Partnerschaft mit Raiffeisen Versicherung.
KATALOG
Goldenes Zeitalter
Holländische Gruppenporträts aus dem Amsterdams Historisch Museum
ISBN 978-3-7774-3381-3
Hirmer Verlag München
€ 14,90
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