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Metamorphosen des Egon Schiele

Wien

Rund 170.000 Besucher sahen die eben zu Ende gegangene Ausstellung „Melancholie und Provokation“, in der die Gegenpole im Werk von Egon Schiele (1890-1918) aufgezeigt wurden: Traurigkeit und Weltschmerz auf der einen Seite, das Provokante, Aufwühlende auf der anderen Seite. Die neue, von Elisabeth Leopold kuratierte Schiele-Ausstellung des Leopold Museum „Metamorphosen des Egon Schiele“ widmet sich ab 20. April dem Thema der Wandlungsfähigkeit Schieles.

Metamorphosen: Schiele verwandelte eigene Figur in vielerlei Gestalten

Im Mittelpunkt der Zusammenstellung, die Gemälde sowie Grafiken und Autografen umfasst, stehen die Selbstdarstellungen des Künstlers. Das Selbstbildnis war für Künstler seit der Renaissance ein zentrales Thema, etwa für Albrecht Dürer, Anthonis van Dyck oder Rembrandt. Doch in Schieles Selbstdarstellungen mutiert das Abbild der eigenen Gestalt. Das Ich verwandelt sich in etwas Anderes. „Schiele hat sich immer wieder selbst zum Modell genommen und seine eigene Figur in vielerlei Gestalten verändert und verwandelt“, erklärt Elisabeth Leopold. Diese Verwandlungen könne man am besten mit dem Begriff „Metamorphosen“ beschreiben. Schiele setzt die Körpersprache als Ausdrucksmedium so intensiv ein wie kaum ein anderer Künstler. „Der Dargestellte wird zum Sinnbild für das Wesen des Menschen“, so Elisabeth Leopold.

Eremiten und Entschwebung: Allegorien auf Mensch zwischen Tod und Leben

Gleich zum Auftakt der Ausstellung begegnet man mehreren großformatigen figuralen Darstellungen. Es handelt sich um drei der bedeutendsten Gemälde Egon Schieles. Im 1912 entstandenen Gemälde Eremiten verschmelzen Egon Schiele und Gustav Klimt in einem schwarzen Mantel zu einer Doppelfigur. Darüber hinaus scheinen die beiden Gestalten als Menschentypen ins Allgemeine gehoben. Schiele schreibt in einem Brief an den Industriellen und bedeutenden Kunstsammler Carl Reininghaus: „Sie sind Körper von Empfindungsmenschen.“ In Schieles eindrucksvollem frühen Meisterwerk Sitzender Männerakt (Selbstdarstellung) von 1910 stellt sich der Künstler als hochexpressive Gebärdefigur dar, wenige Jahre später in dem zweifigurigen Hauptwerk Entschwebung (1915) zeigt Schiele die Verwandlung vom Leben zum Tod.

Traumbilder und zerrinnende Formen

Umrahmt werden diese drei Hauptwerke von jene irrealen Traumbildern, die Schiele 1911 in der bedeutenden, von Carl Moll geleiteten Galerie Miethke ausstellte: Der Lyriker, Selbstseher II und Offenbarung. In selben Raum begegnet man einer ganzen Reihe bedeutender Bilder aus dem Jahr 1912, allen voran auch Egon Schiele und seine große Liebe Wally: Selbstbildnis mit Lampionfrüchten und das Bildnis Wally Neuzil zählt zu den berühmtesten Bilderpaaren der Kunstgeschichte. Passend zur amour fou der beiden, stellt Elisabeth Leopold mit Kardinal und Nonne hier auch die „unmögliche“ und dennoch unausweichliche Anziehungskraft zwischen Mann und Frau dar. Das Selbstbildnis mit hochgezogener nackter Schulter zeigt ein Antlitz voller Angst und Zweifel. Hier dominiert nicht die Kontur, Gesicht, Hals und Schulter sind in Fluss geraten, wie heißes Wachs zerrinnen die Formen.

Abschiedsbilder und antropomorphe Häuser

Ein weiteres Kapitel der Ausstellung beschäftigt sich mit den Landschaften Schieles. Das Bild Versinkende Sonne (1913) ist ein Abschiedsbild. Der Vordergrund dunkel, von unendlicher Kälte, das Meer grau. Der Himmel leuchtet in schwachem Karminrot. Alle horizontalen Linien sind durchbrochen durch zwei junge kahle Bäume. Das dürre Laub ist starr vor Kälte. Die Sonne versinkt kaum merklich als kleiner Ball im Meer. Sie nimmt Abschied, vielleicht kommt sie nicht wieder. Hier hängen auch die Gemälde mit den anthropomorphen Häusern, die durch die böhmische Stadt Krumau an der Moldau angeregt wurden, mit ihren gotischen und Renaissance-Gebäuden, Häuser in engen Gassen, umflossen vom schwarzen Fluss Moldau.

„Niemandsland und Weltende“: Schieles Häuser am Meer

„Diese Häuser sind Ausdrucksformen einer geistigen Welt des Künstlers“ erzählt Elisabeth Leopold. Sie weist auf die leicht bewegten Konturen hin, die gedeckten Farben, zwischen denen vereinzelt Gebilde von leuchtender Farbigkeit auftauchen, etwa Dachrinnen, Fensterrahmen oder aufgehängte Wäsche. Für Elisabeth Leopold handelt es sich um „Seelenlandschaften“: „Über allem schwebt Melancholie und Vergänglichkeit.“ Als Höhepunkt ist hier das selten gezeigte Bild Die Häuser am Meer (1914) zu sehen. Zu diesem Bild aus dem Besitz Jenny Steiners konnte im Vorjahr ein Teilvergleich mit der einzigen Erbin Jenny Steiners erzielt werden. Elisabeth Leopold: „Jedes Haus gleicht einem menschlichen Gesicht. Eine scharfe, horizontal Grenzlinie hinter den Häusern markiert den Übergang zum hellgrauen Meer, aus dem, weit draußen Felsen auftauchen, die sich vor dem dunkelgrauen Himmel abzeichnen. Rudolf Leopold nannte diesen Horizont die „Ewigkeitslinie des Niemandslandes und des Weltendes“.








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  • Egon Schiele, Kardinal und Nonne, 1912 © Leopold Museum, Wien, Inv. 455
    Egon Schiele, Kardinal und Nonne, 1912 © Leopold Museum, Wien, Inv. 455
    LEOPOLD MUSEUM
  • Egon Schiele, Kardinal und Nonne, 1912 © Leopold Museum, Wien, Inv. 455
    Egon Schiele, Kardinal und Nonne, 1912 © Leopold Museum, Wien, Inv. 455
    LEOPOLD MUSEUM
  • Egon Schiele, "Die Eremiten", 1912 © Leopold Museum, Wien, Inv. 466
    Egon Schiele, "Die Eremiten", 1912 © Leopold Museum, Wien, Inv. 466
    LEOPOLD MUSEUM