Wintermärchen
Winter-Darstellungen in der europäischen Kunst von Bruegel bis Beuys
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Ausstellung18.10.2011 - 08.01.2012
Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums und des Kunsthaus Zürich Gastkurator: Ronald de Leeuw, Amsterdam
Die Mythen, mit Hilfe derer die großen Kulturen die Entstehung der Welt zu erklären versuchten, sind sich meist einig: Der Winter kam als Bestrafung und als Plage auf die Erde. Boreas, der griechische Gott des Nordwindes, wurde zum personifizierten Winter. In der nordischen Mythologie kündigt eine dreijährige Frostperiode das Ende der Welt an.
Großformatige Darstellungen der in Eis und Schnee stecken gebliebenen, in Not und Elend versunkenen napoleonischen Armee bieten ein gleichsam modernes Äquivalent zu antiken Weltuntergangsszenarien. Am anderen Ende des Darstellungsspektrums finden sich stille Ruhe und sorglos ausgelassene Stimmung: In der Nähe schneebedeckter weiter Ebenen beobachtet man auf zugefrorenen Gewässern die Freuden der Eisläufer. Im Norden Europas – vor allem in Flandern – entstehen um die Mitte des 16. Jahrhunderts die ersten eigenständigen Winterlandschaften. Erstmals wurden sie im großen Stil aus dem ursprünglich üblichen Kontext der Kalender- und Monatsdarstellungen herausgelöst. Es mag tatsächlich kein Zufall sein, dass genau diese Region während der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ unter besonders tiefen Durchschnittstemperaturen litt. Im späten 18. Jahrhundert erlebte die Winterlandschaft ein künstlerisches Revival, nachdem sie zuvor aus der Mode gekommen war: zunächst romantisch verklärt, später konzentriert auf das äußere Erscheinungsbild der winterlichen Farbnuancen.
Impressionistische Kunst, holländische Malerei und variantenreiche Landschaftsdarstellungen – das waren die Ingredienzien der wenigen bisher veranstalteten Ausstellungen zum Thema „Winter“. Diese erfolgreiche Trias haben das Kunsthistorische Museum und das Kunsthaus Zürich nun wesentlich erweitert. Über Genre- und Landesgrenzen hinweg präsentieren die beiden Häuser eine breit gefächerte Auswahl von mehr als 180 westeuropäischen Kunstwerken. In vier großen Sälen und neun Kabinetten wird im KHM fulminant inszeniert: Die chronologische Reihe der Werke reicht von 1450 bis in die Gegenwart. Neben den bereits genannten Themengruppen finden sich niederländische Monatsallegorien, Szenen winterlicher Feste und Bräuche oder auch Stillleben. Selbst Porträts passen ins Bild, geben sie doch Einblick in die jeweiligen Wintermoden. „Geht man durch die Ausstellungsräume, so wird man überrascht feststellen, dass der Winter durchaus sehr farbenprächtig sein kann“, so Kurator Ronald de Leeuw, für den mit der Schau sein persönliches Wintermärchen wahr geworden ist.
Leichtfüßig-harmlose Winterfreuden oder lebensbedrohliche Naturgewalt – beide Szenarien existieren. Der unwirtlichen Außenwelt einen Zauber abzugewinnen, gelang jedoch nur einer kleinen gesellschaftlichen Schicht: Wohl gewärmt und genährt verkürzte man sich die kalten Monate durch diverse Vergnügungen. Eislaufen als gesunder Sport für galante Paare und geselliges Trinken, Winterreisen, frierende Tiere, Bauern und Bettler, Kälte, Armut und Alter fanden über Jahrhunderte Eingang in künstlerische Auseinandersetzung und stilistische Entwicklungen.
Die Objektauswahl ist im Wesentlichen chronologisch arrangiert und vereint u. a. Werke von Jacob van Ruisdael, Hendrick Avercamp, Jan van Goyen, Aert van der Neer, Peter Paul Rubens, Jan Steen, Jacob Jordaens, William Turner, Francisco de Goya, Caspar David Friedrich, Gustave Courbet, Jean-François Millet, Claude Monet, Alfred Sisley, Camille Pissarro, Vincent van Gogh, Giovanni Segantini, Edvard Munch, Joseph Beuys und Anselm Kiefer. Ronald de Leeuw konnte die Gemälde mit großformatigen Tapisserien und einem herrschaftlichen Karussellschlitten, aber auch mit Pokalen, filigranen Porzellanfiguren und kostbaren Steinschnittobjekten auf charmante Art und Weise bereichern.
„Wir sind außerordentlich stolz darauf, dass wir als Leihgeber für diese einzigartige Ausstellung über 30 große, weltweit bedeutende Museen, darunter den Pariser Louvre und das Musée d’Orsay, die Londoner National Gallery und die Tate Gallery, die Staatlichen Museen Berlin und als engen Partner das Amsterdamer Rijksmuseum gewinnen konnten“, freut sich Generaldirektorin Sabine Haag. „Der Höhepunkt der Ausstellung in Wien stammt freilich aus dem Besitz des Kunsthistorischen Museums selbst: Pieter Bruegels d. Ä. Gemälde ,Jäger im Schnee‘ ist das wohl berühmteste Winterbild der westlichen Kunstgeschichte.“ Die vielen, in dreijähriger Vorbereitungszeit erfolgreich verhandelten Leihgaben kommen zudem u. a. aus München, Straßburg, Rotterdam, Dresden, Zürich, Philadelphia, Darmstadt, Edinburgh, Köln, Den Haag, New York, Gent, Weimar und Boston.
Die Ausstellung geht anschließend weiter ins Kunsthaus Zürich, wo sie von 10. Februar bis 29. April 2012 zu sehen sein wird.
VORTRÄGE Vortragsraum. Teilnahme frei mit gültigem Ticket.
Dienstag, 18.10., 16 Uhr Dr. Pieter Roelofs (Rijksmuseum Amsterdam) Harsh Winters, Fascinating Stories: Dutch Winterlandscapes in Historic Perspective
Mittwoch, 9.11., 15.30 Uhr Dr. Matthias Pfaffenbichler Krieg im Winter
Donnerstag, 17.11., 18.30 Uhr, Bassano Saal Dr. Monica Kurzel-Runtscheiner Winterfreuden. Schlitten und Schlittenfahrten
Mittwoch, 23.11., 16 Uhr, Bassano Saal Prof. Dr. Ronald de Leeuw (Kurator der Ausstellung) Such dir den Schnee vom vergangenen Jahr. Eine Winterreise durch die Kunst Europas
Dienstag, 6.12., 16 Uhr Dr. Katja Schmitz von Ledebur Der Lauf der Zeit: Zur Darstellung des Winters in Tapisserien
Mittwoch, 14.12., 16 Uhr Dr. Claudia Lehner-Jobst Von Göttern und Eisläufern. Winterallegorien für Garten, Tisch und Kunstkammer
Dienstag, 20.12., 16 Uhr, Bassano Saal Prof. Dr. Ronald de Leeuw (Kurator der Ausstellung) Splendeurs et misères: Depicting Winter in the 19th century
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