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Weihnachten

Kunsthaus Zürich zeigt «Zu Weihnachten» – Arbeiten von Roman Signer und Kaspar Müller

Weihnachten

Vom 2. November 2012 bis zum 20. Januar 2013 zeigt das Kunsthaus Zürich in der Reihe «Bilderwahl!» das Werk «Weihnachten» von Roman Signer (*1938). In sechs Fotografien inszeniert Signer spannungsreich wie ein Kriminalautor den gemeinsamen Lebensabschnitt zweier Protagonisten –Tannenbaum und Künstler. Dazu gesellt sich eine Fotoarbeit von Kaspar Müller (*1983). Mit dieser Gegenüberstellung erforscht «Zu Weihnachten» die Nuancen von Ritual und Alltagserfahrung, von Brauchtum und «Missbrauch» aus der Perspektive zweier Künstlergenerationen.

Alle Jahre wieder sind die Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft zur Wahl eines Bildes aus der eigenen Sammlung eingeladen. Unter dem Stichwort Weihnachten fiel die Wahl 2012 jedoch nicht auf ein gotisches Altarbild oder ein barockes Gemälde. Zum Ausgangspunkt der diesjährigen Kabinettausstellung wurde Roman Signers schwarz-weisse Fotoserie «Weihnachten» von 1993 erkoren. Hier stehen weder die religiöse Bedeutung noch die Bildtradition von Christi Geburt oder ein «Kitschfaktor» von Weihnachten im Zentrum. Es stellt sich zunächst sogar die Frage: Geht es in Signers Arbeit (abgesehen vom Titel) tatsächlich um Weihnachten? In der mehrteiligen Arbeit wird eine eingenetzte und mit Metallspitze versehene Tanne zum Instrument eines soweit als möglich minutiös geplanten Flug-Experiments. Der normalerweise als Glanzstück für die gute Stube bestimmte Tannenbaum macht eine absurde Wandlung durch.

BRAUCHTUM UND «MISSBRAUCH»
In der westeuropäisch-christlichen Kultur ist der Weihnachtsbaum spätestens seit dem 19. Jh. als Bestandteil der Weihnachtsfeier im Familienkreis fest verankert. Seit frühester Kindheit wächst das grüne Nadelholz jedem ans Herz. Der Baum markiert den Ort, an dem die Generationen zusammenkommen, Geschenke überreicht werden und Kerzen feierlichen Lichterglanz verbreiten. Kurz darauf muss das inzwischen nadelnde, dürre Gewächs weggeschafft werden. Durch Signers vorzeitigen Abwurf bleibt der Tanne die Veredelung zum prunkvollen Christbaum vorenthalten. Dennoch wird sie mehrfach transformiert: Von ihrer Funktion im Alltag entfremdet als ein torpedoähnlicher Flugkörper «missbraucht» zum Gegenstand der Kunst, zum Objekt, das der Schwerkraft ausgesetzt ist und an dem die Zeit nagt. Die Fotografien dokumentieren Signers Tanne als eine seiner sogenannten veränderlichen Skulpturen. Gerade weil beim Anblick des Tannenbaums Erwartungen und Erinnerungen an mehr oder weniger fröhliche Weihnachtsfeiern anklingen, erscheint die Arbeit verblüffend brisant und nie «platt». Während Weihnachten über die religiöse Bedeutung des Feiertages hinaus als ein zyklisches Ritual Zeit und Gesellschaft strukturiert, schlägt Signers «Weihnachten» im Rahmen des Experiments ein neues, individuelles Ritual vor.

DAMALS UND HEUTE
Als sich Roman Signer mit dieser Arbeit erstmals am Mobiliar des Weihnachtsfestes «vergriff», war er seit langem freier Künstler und Dozent an der Schule für Gestaltung in Luzern. Seine vom prozesshaften Kunstbegriff der 1960er und 1970er Jahre geprägte Kunst wurde damals bereits in zahlreichen Ausstellungen gewürdigt. In den 1990er Jahren gelang ihm der Durchbruch. Die 1993 realisierte Arbeit «Weihnachten» ist nach wie vor aktuell, da sich in ihr Kunst und Leben durchdringen, während sie vielschichtige visuelle Metaphern eröffnet. Trotzdem sind zwanzig Jahre eine relativ grosse Zeitspanne: Dazwischen liegen ein Jahrhundertwechsel, zahlreiche technische Neuerungen, andere Materialien, die unseren Alltag, die Ausübung überlieferter Rituale und Mechanismen sozialer Unterscheidung – schlicht unsere dingliche und gelebte Realität prägen.

MENSCH UND ALLTAGALLGEMEINE INFORMATIONEN
Es ist Gastkuratorin Gabrielle Schaad deshalb ein Anliegen, diese um Signers Arbeit angelegte Ausstellung um eine junge, zeitgenössische Position zu erweitern und damit eine andere Perspektive zu integrieren. Dieser Herausforderung stellt sich Kaspar Müller. Der medienübergreifend in Zürich und Berlin arbeitende Künstler schafft auf überraschende Weise immer neue «Erzählnischen» für Erfahrungen und Fiktionen seiner Generation. Dabei gelingt es ihm, zwischen der Oberfläche des Alltags, Formalismen und Inhalten ein fein austariertes Gleichgewicht herzustellen. Zu dieser Begegnung mit Werken von Roman Signer in der «Bilderwahl! Zu Weihnachten» steuert Müller Fotocollagen bei. Die Bilder halten Eindrücke von Menschen in alltäglichen, flüchtigen, entspannten oder intimen Momenten im öffentlichen Raum fest. Auf der Oberfläche eines gebleichten Fotopapiers zusammengestellt, erscheinen sie als Platzhalter für eine endlos erweiterbare Reihe von Abbildern des Alltags. Als Fragmente fordern sie dazu auf, sie untereinander und mit den Arbeiten Signers zu vergleichen. Damit erweitern sie die Realitäts- und Zeitebenen der Ausstellung. Die sommerliche Stimmung auf den Fotoprints steht im Gegensatz zu einer in unseren Breitengraden mit dem Winter verbundenen Wahrnehmung von Weihnachten. Dieses Datum erscheint hier als kalendarischer Fixpunkt im Alltag der Menschen weltweit und unabhängig von Klima und Temperatur. In der globalisierten Gesellschaft der Gegenwart bleibt offen, wie der Feiertag verbracht wird. An die Stelle tradierter Gewohnheiten treten neue, alleine oder gemeinschaftlich erlebte.








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