Slapstick!
Alÿs, Bock, Chaplin, Hein, Laurel & Hardy, Keaton, Matta-Clark u. a.
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Ausstellung20.07.2013 - 02.02.2014
Humorvoll stellt die Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg Werke zeitgenössischer Künstler in den Kontext der stummen Slapstick-Filme aus der Frühzeit der Filmgeschichte. Sie verfolgt somit die Charakteristika des Slapstick bis in die Gegenwartskunst. In einem lockeren Ausstellungsparcours werden Objekte, Installationen, Fotografien und Filme von Künstlern wie John Bock, Rodney Graham, Robert Elfgen, Wilfredo Prieto, Steve McQueen, Timm Ulrichs, Fischli/Weiss, Bruce Nauman, Szymon Kobylarz oder Francis Alÿs mit ausgewählten Schlüsselsequenzen aus bekannten Streifen der Klassiker des Stummfilms wie Charlie Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd oder Laurel & Hardy kombiniert.
Die Tücken der Bananenschale, Tortenschlachten, Prügeleien und Verfolgungsjagden, aber auch die kleinen Arglisten des Alltags und der Kampf zwischen Mensch und Maschine sind zu berühmten Slapstick-Einlagen geworden. Bildende Künstler sind den großen Meistern auf den Fersen und greifen immer wieder die kulturellen Codes des Slapstick auf, indem sie diese in ihre eigenen Ausdrucksmedien übersetzen, zitieren oder Motive und Konzepte entlehnen.
Wenn Charlie Chaplin als kleiner Vagabund in seinen weltberühmten großen Schuhen, mit Melone und Stöckchen eine Straße entlangtrippelt, dann zaubert er noch heute – hundert Jahre nach seinem ersten Film – ein Lächeln auf die Gesichter aller Generationen. Unvergessen ist auch die stets regungslose Miene Buster Keatons, dem »menschlichen Staubwedel«, Harold Lloyd wie er akrobatisch an der Uhr eines Hochhauses hängt und die nicht enden wollenden Streitereien zwischen Laurel & Hardy (Dick & Doof). Mit ihrer Kunst des humorvollen Scheiterns haben diese Pioniere der Slapstick-Komödie in der Stummfilmära und der Zeit des frühen Tonfilms eine Form von selbstironischer Komik geschaffen, deren Mechanismen ihre Aktualität nicht eingebüßt haben.
Der Slapstick war ursprünglich ein einfaches Theaterrequisit, das ein Schlaggeräusch imitierte. Aus dieser Narrenpritsche entwickelte sich die Bezeichnung für ein ganzes Genre. Die Ausstellung legt nicht nur die Charakteristika des Slapstick wie Körperkomik, Balance- und Kontrollverlust, Kettenreaktionen und Wiederholungsmotive offen, sondern entlarvt diese auch als Methode zeitgenössischer Kunstpraxis. Die Geschichte der Slapstick-Komödie lässt sich von der Commedia dell'Arte des 16. Jahrhunderts über das Vaudeville-Theater bis hin zu den frühen Slapstick-Filmen des 20. Jahrhunderts verfolgen, als amerikanische Produktionsfirmen ehemalige Vaudeville-Schauspieler für ihre Filme gewannen. Chaplin, Keaton und Laurel entstammen dieser Tradition und standen schon als Kinder auf der Bühne. Die für die Commedia dell'Arte und das Vaudeville typische, körperbetonte Komik und die schnelle Rhythmik verbanden sich mit den Möglichkeiten der Projektions- und Schnitttechnik des neuen Mediums Film. Durch die größere Reichweite der Filmkomödie entstand eine der wichtigsten Voraussetzungen für Slapstick: ein Zeichen- und Handlungsspektrum, das durch permanente Wiederholung einem breiten Publikum bekannt ist. Die Slapstick-Komödie macht sich diese visuellen Erfahrungswerte zunutze und spielt mit Erwartungsaufbau, kalkulierter Enttäuschung und verzögerter Pointe.
Hinter dem vermeintlichen Chaos steckt also System. Eine Bananenschale liegt auf einer Seife, die wiederum auf Fett gebettet ist: Es gibt wohl kein deutlicheres Sinnbild als Wilfredo Prietos Arbeit Grasa, Jabón y Plátano (2006) für eines der Hauptthemen der Slapstick-Komödie, das Ausrutschen und Fallen. Wenn Alexej Koschkarow mit 800 kg Cremetorten und dreißig Gästen im »Malkasten« in Düsseldorf eine Tortenschlacht veranstaltet (2003), denkt man indessen automatisch an die großen Tortenschlachten der Slapstick-Ära wie Laurel & Hardys Battle of the Century (1927). Wenn Gordon Matta-Clark in seiner Arbeit Clockshower an den Uhrzeigern des Clocktower Buildings in Tribeca, New York, hängt und sich die Zähne putzt (1973), zitiert er unverkennbar die ikonisch gewordene Szene aus Harold Lloyds Film Safety Last (1923), und wenn Steve McQueen unversehrt in der Fensteröffnung einer umstürzenden Hauswand steht (1997), dann kann hierfür nur die gleiche Szene aus Buster Keatons Steamboat Bill Junior (1928) die Vorlage gewesen sein. Fischli/Weiss begegnen der berühmten Fließbandszene in Charlie Chaplins Film Modern Times (1936) mit ihrem Lauf der Dinge (1987), einer scheinbar endlosen Kettenreaktion. In Gold Rush (1925) verspeist Chaplin währenddessen verzweifelt, aber genüsslich einen Schuh als ob es ein Stück Fleisch und ein Teller Spaghetti wären, während John Bock höchst grotesk mit einem am Fuß eines Ohrensessels befestigten Löffel eine Dose Ravioli leert (2006). Die körperbetonte Komik eines Buster Keaton findet ihre Entsprechung in den fotografischen und filmischen Körperexperimenten von Bruce McLean (1971–2011), John Wood und Paul Harrison (2001) oder Bruce Nauman (1968/69). Fast zeitgleich zu Nauman schreibt Charlie Chaplin 1967 in seinem Essay Die Wurzeln meiner Komik: »Denn alle elementare Komik gründet sich darauf, dass der Mensch in einer lächerlichen und peinlichen Lage handeln muss.« Ganz in diesem Sinne bieten die Modified Social Benches von Jeppe Hein (2006–2008) und der »Fressenpolierer« von Szymon Kobylarz (2007) dem Besucher Gelegenheit zur slapstickhaften Selbsterfahrung. Der erste sitzende Stuhl von Timm Ulrichs (1970) sollte hingegen besser nicht mehr genutzt werden, denn vom Tragen und langen Stehen ermüdet, ist er in den wohlverdienten Ruhestand getreten!
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20.07.2013 - 02.02.2014
Öffnungszeiten und Preise
Dienstag - Sonntag 11.00 - 18.00 Uhr
Montag geschlossenEintritt: EUR 8,-
Ermäßigt: EUR 5,-
Familienkarte: EUR 12,-
Jahreskarte: EUR 30,-
Gruppen ab 12 Personen: EUR 5,- pro Person
Schulklassen: verschiedene Angebote gemäß Absprache
Führungen: (05361) 266920
fremdsprachige auf Anfrage