Künstlerin
BIRGIT JÜRGENSSEN
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Ausstellung16.12.2010 - 16.03.2012
Eine Kooperation von Bank Austria Kunstforum und SAMMLUNG VERBUND.
Das Bank Austria Kunstforum und die SAMMLUNG VERBUND präsentieren die erste posthume Retrospektive zum Werk von Birgit Jürgenssen (1949–2003). Mit dieser Zusammenarbeit bekunden die beiden Unternehmen – Bank Austria und VERBUND – ihr Engagement für bildende Kunst.
Birgit Jürgenssen Bodenschrubben, 1975 SAMMLUNG VERBUND, Wien/VBK, Wien, 2010
Die in Wien geborene Künstlerin Birgit Jürgenssen zählt heute zu den international herausragenden Vertreterinnen der feministischen Kunst. Ihre künstlerische Arbeit vereint gesellschaftspolitisches Engagement, literarische, philosophische und psychoanalytische Bezüge sowie eine surrealistische Lust an Metamorphose und Sprachspiel. Auf die Einheitlichkeit und Wiedererkennbarkeit eines »signature style« verzichtete Jürgenssen zugunsten einer Experimentierfreudigkeit, mit der sie sich über die Grenzen eines künstlerischen Stils oder einer feministischen Schule hinwegsetzte. Ihr vielfältiges Œuvre, das vielfach postfeministische Kunstpraktiken vorweg nimmt, reicht von Druckgrafiken, Zeichnungen, fotografischen Inszenierungen und performativer Körperkunst bis zu den subversiven Objekten des Schuhwerks.
Im Klima eines männlich dominierten öffentlichen Lebens und Kunstbetriebs begann Birgit Jürgenssen Ende der 1960er Jahre mit den Mitteln der Maskierung und des Rollenspiels eine subtile, oftmals selbstironische Kritik an gesellschaftlichen Dogmen und kulturellen Konstruktionen von Weiblichkeit zu formulieren. Das Zentrum ihrer künstlerischen Auseinandersetzung bildet der eigene Körper, den sie als Ort künstlerischer Intervention einsetzt und ihn als Projektionsfläche sozialer und kultureller Codes entlarvt. Durch die Strategien von Selbstironie, Subversion und Bedeutungsverkehrung legt Birgit Jürgenssen die konventionellen Darstellungsformen des Weiblichen bloß und lässt dabei jeden »orthodoxen« Feminismus hinter sich. Die Künstlerin fungiert wiederholt als ihr eigenes Modell, doch handelt es sich dabei nie um Selbstbildnisse. Ihre spielerische Aneignung und Verwerfung einer Vielzahl in Umlauf befindlicher Masken und Posen ermöglicht Jürgenssen eine lustvolle Überschreitung von Identitätsgrenzen – zwischen den Geschlechtern, zwischen Mensch und Tier, Mensch und Objekt, zwischen belebtem und unbelebtem Körper. Entgegen dem entfesselten Aktionismus ihrer männlichen Kollegen, aber auch entgegen zahlreicher Kolleginnen wie Yoko Ono, Marina Abramović und teilweise auch VALIE EXPORT, inszeniert sich Birgit Jürgenssen jedoch nie in provokanten öffentlichen Performances, für die sie sich als »zu scheu« bezeichnete. Ihre stil- len, poetisch angelegten Arbeiten macht sie allein mit sich selbst aus, immer wieder ist das Selbstauslöserkabel zu sehen.
Die lange erwartete erste posthume Retrospektive der Künstlerin zeigt anhand von rund 250 Werken die gesamte Spannbreite ihres drei Jahrzehnte umfassenden Schaffens – darunter zahlreiche bislang unveröffentlichte Arbeiten aus ihrem Nachlass. Dazu zählen etwa ihre frühen selbstanalytischen Badezim- merfotografien, ihre Diplomarbeit Zipfeln, mit der sie 1971 die Meisterklasse für Grafik bei Franz Herberth an der Hochschule für angewandte Kunst abschloss sowie »gemalte Fotografien« der 1980er Jahre – mehrfach überarbeitete Rayogramme, die ihr Interesse an medialen Grenzgängen belegen. Während ihre Zeichnungen von einer akademischen Kunstfertigkeit gekennzeichnet sind, experimentierte sie in der Fotografie frei mit den verschiedensten Verfahren (S/W- und Farbfotografie, Polaroids, Solargrafiken, Rayogramme). Birgit Jürgenssen begann 1982 in der Klasse von Arnulf Rainer an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu lehren und war dort bis zu ihrem frühen Tod im Jahre 2003 mit Enthusiasmus tätig.
Die Verschränkung von verschiedenen Medien und Fragestellungen, von ästhetischen und wissenschaftlichen Diskursen, bestimmte zeitlebens Jürgenssens Œuvre. Die Ausstellung trägt dieser Arbeitsweise Rechnung und legt einen Parcours mit thematischen Verdichtungen quer durch ihre Schaffensperioden. Zu diesen Schwerpunkten zählen: Selbstinszenierungen, künstlerische Reflexionen über den Topos ›Hausfrau‹ und ›Heim‹, Liebe, das Unheimliche, Sprachspiele, ihre Auseinandersetzung mit surrealistischen Methoden wie Fragmentierung und Montage, die Anverwandlung von Mensch und Tier, Mensch und Objekt, Fetisch ›Schuh‹, Projektion usw. Die Rekonstruktion einer Installation aus der Ausstellung 10 Tage – 100 Fotos (1981) in der Galerie Hubert Winter, die in einem Tableau verschiedene performative Arbeiten, Badepolaroids und Selbst mit Fellchen verband, veranschaulicht, wie weit Birgit Jürgenssens Gestaltungswille in das Ausstellungsdesign hineinwirkte.
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