Romana Hostnig - Kunstwerke sind beseelte Wesen
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Ausstellung24.06.2021 - 15.07.2021
Egon Friedell verweist in einem Essay auf den Widerspruch zwischen Schönheit und Wahrheit in der Kunst: „Ich wollte eine Welt der Schönheit schaffen, und vor mir wuchs eine Welt der Wahrheit. Ich wollte eine Welt des Glaubens aufbauen, und es erhob sich eine Welt des Zweifels. Meine Schöpfungen waren mir nicht untertan, sie waren niemals meine willfährigen Kreaturen. Sie standen da als beseelte Wesen, mit ihren eigenen Lebenskräften begabt, und sie erschreckten mich, denn so habe ich sie nicht gewollt.“
Dieses Zitat trifft das Wesen der Kunst von Romana Hostnig. Sehr kritisch hat sie sich in Wort und Bild zu den Corona-Maßnahmen geäußert: „Alles was ich immer schon gemalt habe, ist in letzter Zeit offen zutage getreten. Ich bin mit meinen Recherchen durch eine totale Dunkelheit gegangen – das war geradezu apokalyptisch. Es hat sich ein Riesen-Puzzle aufgetan und es ist ein Horror raus gekommen. Deshalb ist Kunst so wichtig, Kunst ist das Gewissen. Wir gehen einer fürchterlichen, totalitären Zeit entgegen. Ich hoffe nur, dass es nicht zu bürgerkriegsähnlichen Situationen kommt. Die Volksseele kocht jetzt, aber man muss aufpassen, dass es nicht eskaliert.“
Immer wieder beschäftigt sich die Künstlerin mit der Ohnmacht und Resignation breiter Schichten in der Bevölkerung, die verhöhnt wird von einer sichtbaren oder unsichtbaren Übermacht. Gleichsam dämonische Kräfte, gegen die jeder Widerstand zwecklos scheint. Corona ist nur eine Zuspitzung jener ewigen Phänomene, die die Menschheit seit Anbeginn immer wieder unterdrücken.
„Die Entwurzelung des modernen Menschen ist in vielfacher Hinsicht verantwortlich für die Trennung der Einheit des Menschen mit der sie umgebenden Welt. So begreift sich in der modernen Zivilisation der Mensch nicht mehr als Teil der Schöpfung, was verheerende Folgen nach sich zieht. Entwurzelung bzw. die Entfremdung auch von sich selbst macht es den Politikern leicht gegen das Volk zu regieren“, erklärt die Künstlerin. Diese Entfremdung bringt sie im Bild „Die Bürde“ zum Ausdruck.
Anders als die mittelalterlichen Darstellungen des Heiligen Christophorus, der laut Legende die gesamte Bürde dieser Welt mit instinktiver Sicherheit über den Fluss trägt, schleppt der nur schemenhaft dargestellte Adam ein Wesen – halb Eva, halb Mutter Natur – über einen steinigen, unfruchtbaren Boden. Das ist nicht die Schöpfung Gottes, der Garten Eden, sondern ein Produkt Adams, das was er als Homo Sapiens aus dieser Welt gemacht hat. Während die Religionen dem Menschen Erlösung versprochen haben, hat der Mensch mit seinen eigenen Lösungen zur Auflösung und zum Zerfall der Schöpfung beigetragen.
Für Romana sind Religionen und Mythen, oder philosophisch formuliert „das Transzendente“, keine Parallelwelten jenseits der Wirklichkeit, sondern Ausdruck jener Wahrheiten, die den tiefen Sehnsüchten, Wünschen und dem ewigen Glauben des Menschen entspringen.
„Gefallener Engel“ zeigt einen Engel, der seine Flügel an die Wand gehängt hat. Gefallene sind Engel, die Menschen werden wollten. Romana zeigt diesen Menschen einsam, in sich versunken – meditativ oder nachdenklich bleibt offen – aber nicht hoffnungslos. „Hoffnung“ ist in vielen Fällen synonym von „Glaube“. Der gefallene Engel hat demnach seinen Glauben nicht verloren. Vielleicht resigniert er zeitweise – wobei er gerade das lernen muss: in der Zeit leben und vorüber gehende Erlebnisse zu verarbeiten. Abschied von der Ewigkeit, die ja nicht unendlich lange Zeitdauer bedeutet, sondern im transzendenten Sinn: Zeitlosigikeit. Das Motiv „Resignierter Engel oder Schadenfreude der Dämonen“ verweist darauf.
Das Motiv des gefallenen Engels findet sich in vielen Mythen, in der christlichen Tradition ist der gefallene Engel Luzifer, der Eva verleitet hat vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ zu essen. Theologen interpretieren diese Legende als „Sündenfall“ und als Ursache für das Übel in dieser Welt. Ich versuche hier eine andere Interpretation.
Luzifer ist ein Geschöpf Gottes. Die Möglichkeit zur Verlockung hat Gott geschaffen. Die Möglichkeit der Erkenntnis von Gut und Böse hat Gott erschaffen. Es ist naheliegend, dass Gott dem Menschen den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse nicht für immer vorenthalten wollte – wozu hätte er ihn dann geschaffen? Demnach hat Luzifer bloß einen Prozess beschleunigt, der ohnehin von Gott geplant war. Es ist daher an der Zeit damit aufzuhören, Luzifer zu verteufeln. Wenn Gott in uns ist (als das Ominöse, Paradoxe, Mysteriöse, Ewige und ewig Unbekannte), dann ist Luzifer ebenso in uns (als Licht der Erkenntnis, aber nicht nur von Gut und Böse, sondern auch von Links und Rechts, von Oben und Unten, von Gestern und Morgen, von Hell und Dunkel, von 0 und 1, sowie A bis Z). Wenn wir Luzifer wertfrei und wertneutral als Licht der Erkenntnis interpretieren, dann entspricht das Spannungsfeld Luzifer versus Gott exakt dem Kampf zwischen Wissenschaft und Religion, den die Zivilisation seit Ausbruch des Christentums erlebt hat und immer noch erlebt.
Mythen greift Romana in ihren Bildern immer wieder auf. Schon 1987 hat sie das großformatige Triptychon „Kassandra“ geschaffen. Kassandra, die Tochter des trojanischen Königs Priamos, hatte die Fähigkeit, Gefahren der Zukunft vorherzusehen, doch durch einen Fluch Apollons sollte ihr niemand glauben. Immer noch aktuell ist ihr Gedicht aus dieser Zeit:
kassandra ich sehe schwarz und möcht euch warnen brecht die sargdeckel eurer augen und seht der verputz soll das darunter tarnen. brecht eure mauer ein und geht die stufen hoch bis zu den dornen brecht das tor zum herzen ein und seht dahinter: existiert noch eine welt.
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24.06.2021 - 15.07.2021
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