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soldier of fortune

Rumford. Rezepte für ein besseres Bayern

soldier of fortune

Erstmals würdigt die Ausstellung Leben und Werk des Sir Benjamin Thompson (Woburn bei Boston/ Massachusetts 1753 – 1814 Auteuil bei Paris), der als Graf Rumford fraglos zu den intelligentesten Köpfen zählt, die je in München gewirkt haben. Als Initiator des Englischen Gartens, Sozialreformer, Krisenmanager, Staatsmann, Physiker, Erfinder, Stadtplaner und Ernährungsphysiologe steht er für einen schier atemberaubenden Kosmos an Ideen. Rumford war ein 'soldier of fortune' amerikanischer Prägung und ein Weltverbesserer bar jeglicher Ideologie, aber getrieben von der praktischen Überzeugung, der Menschheit zu einem besseren Leben verhelfen zu können. Seine Lösungsvorschläge fordern aktuell dazu auf, den sozialen, ökonomischen, ökologischen und letztlich auch ethischen Problemen einer globalisierten Welt entgegengesetzt zu werden.

Am 4. Juli 1776, dem Tag, an dem die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Unabhängigkeit erklärten, war Rumford 23 Jahre alt. Als ein bereits ranghoher Offizier hatte er die vorausgegangenen und anhaltenden Auseinandersetzungen des Unabhängigkeitskriegs unmittelbar mitverfolgt. Rumford stand aber nicht in den Reihen der Rebellen, sondern im Dienst König Georgs III. von England. Er war ein loyaler Verfechter der britischen Krone, für die er sich durch die feindlichen Linien laviert und seine amerikanischen Landsleute ausspioniert hatte. So ist nicht nur die zwiespältige Haltung zu verstehen, in der man ihm im Herkunftsland bis heute als einem berühmt gewordenen Wissenschaftler, im Grunde aber auch als einem Verräter begegnet. Darüber hinaus lernt man Rumford von Anfang an auch als einen Vertreter des alten Staatensystems kennen, für dessen Machterhalt er eintrat und auf dem er seine beeindruckende Karriere in Europa schließlich aufbauen konnte.

Der als Graf Rumford bekannt gewordene Benjamin Thompson wird am 26. März 1753 in dem Dorf Woburn als Sohn eines Farmers geboren, rund zehn Meilen nordöstlich von Boston in der damals britischen Kolonie Massachusetts. Rumford erhält eine nur dürftige Schulbildung, die er durch eigene Studien aufzubessern weiß. Die dafür erforderliche Neugier ist als einer seiner wesentlichen Charakterzüge ebenso auffallend, wie bei der Würdigung seiner späteren naturwissenschaftlichen Leistungen daran zu erinnern ist, dass sie das Lebenswerk eines Autodidakten sind. Auf exemplarische Weise verkörpert Rumford das Bild eines amerikanischen selfmade man.

Rumford muss New England aufgrund seiner Unterstützung der Briten verlassen und flieht nach London, wo er am Hofe König Georgs III. empfangen wird. Noch ein letztes Mal reist er als Offizier eines Dragoner-Regiments zurück in die Kolonien um gegen seine Landsleute zu kämpfen, doch da ist der Krieg letztlich bereits verloren. Thompson sieht sich als Mann des Militärs und so kann ihm England mit seinen leeren Staatskassen keine anspruchsvolle Betätigung bieten. Er beschließt sein Glück bei den Habsburgern in Wien zu suchen, die nach dem Bayerischen Erbfolgekrieg auf einen Konflikt mit dem Osmanischen Reich zusteuern. Auf dem Weg dorthin führt ihn eine Verkettung von Umständen nach München an den Hof des kurpfalz-bayerischen Kurfürsten Karl Theodor. Hier wird er die nächsten vierzehn Jahre bleiben und seinem unwahrscheinlichen Lebenslauf die produktivsten Kapitel anhängen.

Karl Theodor ist angetan von dem weltgewandten, charismatischen und energischen jungen Mann. Durch den Wittelsbacher Erbvertrag war Karl Theodor genötigt, die Kurpfalz und Bayern zu vereinigen und Residenz in München zu beziehen, welches ihm, gelinde gesagt, provinziell erscheint.

Während er an seinem Mannheimer Hof eine kostbare Bibliothek eingerichtet hatte, während Mozart für ihn musiziert, er mit Voltaire einen engen Kontakt pflegt und Schiller „Die Räuber“ uraufführte, fühlte er sich fremd in Bayern. Karl Theodor ist hochgebildet und verfolgt die Ideen der Aufklärung, rückt aber keinesfalls vom Prinzip absolutistischer Herrschaft ab. Er sieht sich als Stifter der Künste, militärische Angelegenheiten sind ihm lästig. Sein Hofstaat formt innerhalb Münchens eine Stadt in der Stadt. Und in diese nimmt er Thompson auf. Bayern befindet sich in einer kritischen Situation. Die Habsburger hegen nach wie vor Besitzansprüche, welche Preußen auf keinen Fall zulassen möchte. Der Habsburger Joseph II. bietet Karl Theodor einen Tausch Bayerns gegen Teile des heutigen Belgiens an, doch dieser lehnt ab.

Da sich Karl Theodor gegen einen solchen Handel entscheidet, sieht er sich mit einem grundlegenden Problem konfrontiert: er besitzt ein großes schlecht entwickeltes Land und verfügt weder über eine entsprechende Anzahl an Soldaten um es verteidigen zu können, noch genügen die Kräfte zur angemessenen Bewirtschaftung. Es gibt so gut wie keine Industrie in Bayern und so bleibt einzig die Agrarwirtschaft um die Menschen zu versorgen. Die Armut ist entsprechend hoch, etwa ein Drittel der Menschen lebt vom Bettel.

Benjamin Thompson erkennt die Verkettung der Probleme und schlägt eine umfassende Armeereform vor. Zwischen 1788-1796 erarbeitet Thompson sukzessive ein Reformprogramm, welches all seine Innovationen für Bayern beinhaltet und ihn zum Reichsgrafen von Rumford aufsteigen lässt.

Die Ausstellung stellt diese Reformen in den Mittelpunkt. Im Folgenden sollen drei Aspekte herausgegriffen werden, wobei in der Ausstellung selbst eine weitaus größere Zahl an Themen dargestellt wird. Anhand der ausgewählten Bereiche soll im Besonderen gezeigt werden, wie hochaktuell die Fragestellungen für die Gegenwart sind, auf welche Rumford vor über 200 Jahren Antworten zu geben versuchte. Seine Themen sind Militär und Zivilgesellschaft, Armut und Arbeitslosigkeit, sowie Nutzung, Gestaltung und Teilhabe des urbanen Raums.






  • 31.10.2014 - 19.04.2015
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    Münchner Stadtmuseum »

    Öffnungszeiten Dienstag - Sonntag 10.00 - 18.00 Uhr Montags geschlossen

    Eintrittspreise Gesamtes Haus Dauerausstellungen Personen ab 18 Jahren 6 € 4 €



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  • James Gillray: Graf Rumford und sein Kamin. 1800. Kolorierte Radierung © Münchner Stadtmuseum
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    Münchner Stadtmuseum
  • Anton Schütz: Das Rumfordporträt von Gainsborough. 1935. Lichtdruck. © Privatbesitz
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    Münchner Stadtmuseum
  • Anonym nach Benjamin Thompson: Der Rumford-Roaster. 1803. Radierung. Weimar 1803 © Münchner Stadtmuseum
    Anonym nach Benjamin Thompson: Der Rumford-Roaster. 1803. Radierung. Weimar 1803 © Münchner Stadtmuseum
    Münchner Stadtmuseum