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Rede von Flori

Rede von Florian Lettl zur Ausstellungs- eröffnung am 90. Geburtstag von Wolfgang Lettl

Rede von Flori

Ein persische Sprichwort sagt: „Man muss nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen, solange man einen Garten hat."

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde

da aber ein Garten in Deutschland fünf Monate kalt ist und fünf weitere Monate verregnet, beschlossen meine Eltern Anfang der 70ger Jahre sich nach einem Grundstück im Süden umzusehen, in dem sie ihr gemeinsames Leben im Paradies schon ein wenig einüben konnten. Gefunden haben sie dieses kleine Stückchen Paradies am Golf von Manfredonia.

Impressionistisch zu malen war für meinen Vater nicht ganz so fremd, wie man vermuten muss, wenn man nur seine surrealen Bilder kennt. In seinen Anfängen malte mein Vater, neben seinen ersten Versuchen im surrealen Stil auch immer wieder impressionistisch. Zunächst entstanden solche Bilder in der näheren Umgebung, später unternahm er Studienreisen nach Italien, Frankreich, Jugoslawien und in die Türkei.

In meiner Erinnerung an diese Zeit findet sich folgendes: Dass mein Vater Maler ist, wurde mir erstmals bewusst, als ich etwa drei Jahre alt war, wahrscheinlich meinem Vater nichts Surreales einfiel, er aber den Drang verspürte zu malen. Da nahm er mich, - und ich nahm meinen kleinen blauen Teddybär mit seiner roten Pfeife. Wir gingen auf den Speicher, um nicht gestört zu werden, und er portraitierte mich. Was bleibt ist die Erinnerung an einen lichtdurchfluteten, seltsam engen Raum, gefüllt mit allerlei Gerümpel, mein Vater mit dem Rücken zum schrägen Dach, seine Staffelei, seine Farben und Pinsel, die Palette und natürlich das kleine Portrait. Er selber beschreibt diese Zeit so: "In meinen Anfängen versuchte ich mich in impressionistischer Manier und malte zum Zweck des Gelderwerbs Landschaften und Portraits. Doch befriedigte mich das bald nicht mehr, und ich fragte mich, auf welche Weise ich mich mit den drängenden Fragen der Zeit sinnvoll auseinandersetzen könnte, wie sich Gültiges aussagen ließe. Der ganzen Verkehrtheit der Welt, sagte ich mir, und der Verrücktheit der Menschen sei wohl die verrückteste Kunstrichtung, der Surrealismus, am ehesten angemessen. Heute neige ich dazu, die Menschheit weniger verrückt als eher verwirrt und unglücklich zu sehen."

Weil er die leeren Wände im Haus in Italien mit Bildern schmücken wollte, begann er 1975 nach einer langen Pause wieder impressionistische Bilder zu malen. Dass mehr impressionistische Bilder entstanden, als an den Wänden seines Hauses Platz hatten, lag daran, dass ich 1986 und 1995 jeweils unter dem Titel "Lettl macht Ferien" Sonderausstellungen für diese Bilder organisierte. In dem Katalog, der heute anlässlich dieser Ausstellung präsentiert wird, sind nicht nur zahlreiche Bilder abgedruckt, sondern auch die beiden Reden, die mein Vater zur Eröffnung dieser beiden Ausstellungen gehalten hat. Bei den impressionistischen Bildern suchte er sich zunächst ein passendes Motiv, um dann Lichter und Schatten, wie er sie unter dem Eindruck der ihn umgebenden Natur sah, mit den entsprechenden Farben auf die Leinwand zu bringen, und das unter einem gewissen Zeitdruck, denn zwei Stunden später sahen die Farben durch das veränderte Licht, die wandernden Schatten und die aufziehenden Wolken schon wieder ganz anders aus.

Dass er in Apulien nochmals ab und zu zum Impressionismus zurückgefunden hat, blieb nicht ohne Auswirkung auf sein surreales Oeuvre. Bei den surrealen Bildern fand er seine Motive allerdings mit dem „inneren Auge". Da ging es zunächst darum Unterbewusstes mit Bleistift und Radiergummi als kleine Skizzen auf einem Blatt Papier festzuhalten. Formen zu finden die interessant aussehen. Die Farbigkeit kam erst in einem letzten Schritt dazu. Ein Zufall wollte es, dass mein Vater das Motiv "Schlossallee" (1972) 13 Jahre später noch einmal aufgriff und "Die Allee von Borrington" (1985) malte. Bei einem Vergleich dieser beiden Bilder wird unter anderem sichtbar, wie sich seine surreale Malerei unter dem Einfluss seiner impressionistischen Fingerübungen ins malerische erweitert hat. Durch seine Aufenthalte in Apulien hat sich nicht nur der Umgang mit der Farbe, mit Licht und Schatten verändert, sondern nach und nach drangen auch Bilder und Erlebnisse des Südens Italiens in sein Unterbewusstes und tauchten in seinen surrealen Bildern auf.

Am deutlichsten sichtbar wird dies bei dem Bild "Der Rückweg" aus dem Jahr 1993. Um diese Zeit verbrachten meine Eltern die meiste Zeit in Italien. Nur November - Anfang Februar kamen sie nach Augsburg. Da fanden dann immer im Museum die Sonderausstellung statt, in denen die neuesten Werke gezeigt wurden und an die sich bestimmt viele von Ihnen heute Abend gerne zurück erinnern.

Auch wenn er auf Grund seiner körperlichen Verfassung in den letzten beiden Lebensjahren nicht mehr nach Apulien reisen konnte, so gelang es ihm doch, immer wieder in seiner Traumwelt einige Zeit dort zu verbringen, und so sagte er mir kurz vor seinem Tod mit einem glücklichen Lächeln, dass er soeben im Golf von Manfredonia im Meer geschwommen sei.


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