Podiumsdiskuss
Podiumsdiskussion Propaganda! im Sigmund Freud Museum
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Presse30.11.2010
„Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Menschen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften."
1928 veröffentlicht Sigmund Freuds Neffe Edward Bernays in New York sein Werk „Propaganda", eine zentrale Schrift der Öffentlichkeitsarbeit, die Bernays' Bedeutung als Schöpfer der Public Relations begründet. Der oben zitierte Einstiegssatz in das Buch gibt bereits die Richtung von Bernays' Werk vor, in dessen Verlauf er den Begriff Propaganda hinter sich lässt und die Beeinflussung der öffentlichen Meinung mit dem heute üblichen Begriff „Public Relations" übertitelt. Geschicktes Nutzen der sich bietenden technischen Möglichkeiten, verknüpft mit den Erkenntnissen aus Psychoanalyse und Massenpsychologie, und Vernetzung der eigenen Anliegen mit den aufkeimenden organisierten Interessensgruppen kennzeichnen die Arbeit Bernays'. Der vernetzte Bürger als Zentrum der Macht, die Übermacht der Ökonomie über die Politik und das schrittweise Beschränken staatlichen Handelns auf Kernbereiche - diese bis heute diskutierten und als aktuell wahrgenommenen Trends machte er schon 1928 fest und stellte sie in das Zentrum seiner Beschäftigung mit gesellschaftlicher Informations- und Deutungshoheit. Mit der 2007 erfolgten Veröffentlichung bei orange-press liegt das Buch nun erstmals auf Deutsch vor.
Edward Bernays, 1891 als Neffe von Sigmund Freuds Ehefrau Martha in Wien geboren und 1892 mit seinen Eltern in die USA ausgewandert, unterstützte Freud bei der Publikation seiner Schriften in den Vereinigten Staaten. Für sich selbst schuf er die Berufsbezeichnung „Public Relations Berater" und arbeitete für unterschiedlichste Interessensvertretungen und Unternehmen. Zu seinen wirksamsten Einfällen zählt die Verknappung des Begriffs „Multiple Sklerose" auf die heute gängige Abkürzung „MS", um eine Bewusstseinskampagne für diese Nervenerkrankung zu starten.Um den Zigarettenkonsum bei Frauen zu steigern, stattete Bernays Models mit Zigaretten der Marke „Lucky Strike" aus, ließ sie als Frauenrechtlerinnen einen Protestmarsch durch New York abhalten und erklärte, sie würden „Fackeln der Freiheit" entzünden, als sie ihre Zigaretten rauchten. Bernays' Einfluss reichte in den 1930er Jahren bis nach Europa - mit tragischen Konsequenzen: So gilt Josef Goebbels als begeisterter Leser von Bernays' erstem Werk „Crystallizing Public Opinion". Bernays selbst bestätigte diese Geschichte in seinen Memoiren 1965 und zeigte sich geschockt über diesen Umstand. Er äußerte die Meinung, dass der Judenhass des NS-Regimes nicht auf einem emotionalen Ausbruch, sondern auf gesteuerter Propaganda basierte. Auch nach seinem Tod 1995 wird sein Werk kontrovers diskutiert, den Einen gilt er as „The Father of Spin", den Anderen als Advokat der gezielten Manipulation öffentlicher Meinung, im Guten wie im Schlechten.
Dienstag, 30.11.2010, 19 Uhr
Sigmund Freud Museum
Berggasse 19, 1090 Wien
Eintritt frei, Anmeldung erbeten: veranstaltung@freud-museum.at
Teilnehmer:
Hannes Haas (Universität Wien, Vorstand des Instituts für Publizistik)
Peter Menasse (Gesellschafter Communication Matters)
Frank Stern (Universität Wien, Institut für Zeitgeschichte)
Moderation:
Nikolaus Schobesberger (Sigmund Freud Privatstiftung)