Sammlung Zuckerkandl
Nationalbibliothek erwarb Objekte aus Zuckerkandl-Nachlass
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Presse30.08.2016
Österreichische Nationalbibliothek erwirbt weitere bedeutende Objekte aus dem Nachlass Bertha Zuckerkandls
Die Österreichische Nationalbibliothek konnte einen weiteren bedeutenden Teilnachlass der jüdischen Intellektuellen und Salonière Bertha Zuckerkandl erwerben. Er wurde erst vor kurzem in Frankreich entdeckt und enthält neben unveröffentlichten Briefen von prominenten Zeitgenossen wie Raoul Aslan, Joseph Roth oder Ödön von Horváth auch jene 60 Hefte, die die Basis für ihr posthum erschienenes Erinnerungsbuch „Österreich intim“ waren. Ermöglicht wurde der Ankauf durch eine großzügige Spende der Familie Felsovanyi.
Klimt, Felsovanyi und die Österreichische Nationalbibliothek 1902 malte Gustav Klimt im Auftrag des jüdischen Sanatoriumsbesitzers Anton Loew dessen Tochter Gertrud: ein Klassiker der Wiener Moderne. Bis zur Flucht der Familie 1939 war das Gemälde im Besitz Gertrud Loews, die in zweiter Ehe mit Elemér Felsovanyi verheiratet war. 1941 tauchte es unter bis heute ungeklärten Umständen in der Kollektion des NS-Filmregisseurs Gustav Ucicky auf. Nach 1945 hatte sich Gertrud Felsovanyis Sohn Anthony um das Bildnis seiner Mutter bemüht, jahrelang ohne Erfolg. 2014 einigten sich schließlich die Klimt-Foundation und die Felsovanyi-Erben darauf, dass das Gemälde bei Sotheby's in London versteigert und der Erlös geteilt wird. Aus diesem Erlös spendete die Familie Felsovanyi schließlich einen bedeutenden Betrag für den Ankauf der neu entdeckten Sammlung Zuckerkandl. Eine Netzwerkerin der Wiener Moderne Bertha Zuckerkandl wurde 1864 als Bertha Szeps in Wien geboren. Sie war eine jüdische Schriftstellerin und Journalistin und stand mit ihrem berühmten Salon im Zentrum eines künstlerischen, gesellschaftlichen und publizistischen Netzwerkes, das weit über das Wien der vorletzten Jahrhundertwende hinausreichte. Sie verkehrte mit Hugo von Hofmannsthal, Gustav Klimt, Koloman Moser, Max Reinhardt, Egon Schiele, Arthur Schnitzler und Stefan Zweig, pflegte Kontakte in die Politik- und Kulturszene Frankreichs und war zur Zeit des Ersten Weltkriegs in der Schweiz vor allem als Friedensaktivistin tätig.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland floh Bertha Zuckerkandl zunächst nach Paris, später nach Algier, wo sich bereits ihr Sohn Fritz, dessen Frau Gertrude sowie deren gemeinsamer Sohn Emile aufhielten. Sie starb wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, am 16. Oktober 1945, in Paris.
Der neu entdeckte Teilnachlass Zuckerkandl
Zurückgekehrt aus dem nordafrikanischen Exil, leitete der 2013 verstorbene Enkel Emile Zuckerkandl ein meeresbiologisches Institut im südfranzösischen Montpellier. Nach Hinweisen der Provenienz-Forscherin Ruth Pleyer fanden sich dort in einer seit Jahrzenten leerstehenden Wohnung überraschend weitere wertvolle Dokumente aus dem Besitz Bertha Zuckerkandls. Dieser Vertreibung, Flucht und Exil überdauernde Bestand konnte 2016 von der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen werden; die insgesamt fünf Kisten werden derzeit im Literaturarchiv für die Benützung erschlossen und ergänzen die bedeutenden Ankäufe aus den Jahren 2012 und 2014. Dadurch befindet sich der gesamte bisher bekannte Zuckerkandl-Nachlass in der Österreichischen Nationalbibliothek.
Der Inhalt der Sammlung
Die unveröffentlichten Briefe von prominenten Künstlern, Autoren und Schauspielern wie Raoul Aslan, Joseph Roth oder Ödön von Horváth ergänzen die bestehenden Sammlungen in idealer Weise. Zusammen mit zahlreichen Korrespondenzen der Familien Szeps, Zuckerkandl, Clemenceau und Stekel entsteht ein dichtes Netz an Bezügen bis in die Emigrationszeit – Berthas Schwester Sophie war mit Paul Clemenceau verheiratet, dem Bruder des nachmaligen französischen Ministerpräsidenten, Berthas Schwiegertochter Gertrude war die Tochter des nach England emigrierten Psychoanalytikers Wilhelm Stekel. In den Fotos so prominenter Ateliers wie Madame d’Ora oder Löwy, aber auch anhand der Hochzeits- und Verlobungsbücher der Schwestern Bertha und Sophie Szeps wird das Netzwerk einer jüdisch-intellektuellen Familie sichtbar, das von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Die 60 ebenfalls erhalten gebliebenen „Cahiers“ zu Bertha Zuckerkandls posthum erschienenen Erinnerungsbuch „Österreich intim“ legen hiervon ein beredtes Zeugnis ab.
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