Fondation Beyeler
Die Restaurierung von Henri Rousseaus Urwald der Kunst
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Presse22.04.2015
Henri Rousseau (1844 – 1910) hat mit seiner Malerei Grenzen überwunden und neues Terrain betreten. Es gelang ihm, der Kunst neue Welten zu eröffnen, die etwa die Kubisten und die Surrealisten beeinflussten. Mit seinen oft traumähnlichen Bildkompositionen und dem eigentümlichen Malstil steht Rousseau für die Wiederentdeckung der Fantasie zu Anfang der Moderne. Dem Künstler gelang der Durchbruch in der Pariser Kunstwelt und deren Salons erst spät. Es waren Dichter wie Apollinaire und Künstler wie Picasso, Léger, Delaunay und Kandinsky, die als Erste seine herausragende Bedeutung erfassten. Nun wurde Rousseaus bekanntes Dschungelbild Le lion, ayant faim aus der Sammlung Beyeler in einer Zusammenarbeit mit der Fondation BNP Paribas restauriert. Das beim Publikum beliebte Bild ist in der aktuellen Präsentation der Sammlung in den Räumen der Fondation Beyeler zu sehen.
Das Ziel des Restaurierungsprojektes war sowohl die wissenschaftliche Untersuchung der Maltechnik und der Materialien, die Henri Rousseau einsetzte, als auch eine Erforschung der Restaurierungsgeschichte des Gemäldes. Zusammen mit den kunsthistorischen Recherchen sollten diese Erkenntnisse umfassende Informationen über das Werk liefern und eventuell sogar Datierungsfragen beantworten. Weiterhin wollte man unsensible, vergangene Restaurierungen der Malschicht verbessern, damit das Werk wieder so authentisch wie möglich präsentiert werden kann.
Ablauf der Restaurierung
Knapp über ein Jahr dauerte die Restaurierung des Gemäldes. Die Restaurierung hatte eine ästhetische Optimierung als Ziel: Obwohl die Malschicht in einem sehr guten Zustand war, wurde sie, durch verschiedene Schmutzablagerungen und kleine ältere Schäden beeinträchtigt. Aufwändige Vorrecherchen waren unabdingbar um ein geeignetes Restaurierungskonzept zu erstellen. So konnten anhand von frühen historischen Abbildungen des Gemäldes Rückschlüsse über alte Übermalungen gezogen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten Ähnlichkeiten in Bezug auf Alter und Zusammensetzung dieser Übermalungen mit der originalen Malschicht von Rousseau. Daher muss davon ausgegangen werden, dass diese vom Künstler selbst stammen können; sie wurden somit trotz der Farbveränderung nicht entfernt.
Weitere Untersuchungen konnten wichtige Fragen zur Malweise Rousseaus klären. Der Künstler zeichnete Partien zuerst in Bleistift vor, dann wurde die Hauptkomposition mit der dunklen Berliner-Blau-Farbe in Öl vorgemalt, bevor er mit dem eigentlichen Malprozess begann. Röntgenaufnahmen zeigen, dass ihm der Kontrast zwischen dem dunklen Dickicht und dem hellen Himmel im Hintergrund äusserst wichtig war, da er diese Aussparungen zum Schluss zwischen Blattwerk und Ästen mit hellblauer Farbe ausmalte.
Besonders spannend war die Untersuchung der Bildoberfläche. Über die Jahre haben sich ein dünner, gräulicher Schmutzfilm sowie lokal weisse, schleierähnliche Verfärbungen auf der Oberfläche abgelagert. Diese zu entfernen war ein Hauptziel der Restaurierung, doch Tests mit gängigen Reinigungsmethoden auf der Basis von Wasser oder Lösemitteln zeigten, dass die Malschicht dabei angegriffen wurde. Der Grund konnte durch chemische Analysen der Farbe gefunden werden: Rousseau arbeitete nicht in reiner Ölfarbe, sondern mischte dieser proteinhaltige Komponenten (Tempera) bei, welche auch nach über 100 Jahren noch löslich bleiben können. Diese neue Erkenntnis über Rousseaus Maltechnik wird auch nach Abschluss der Restaurierung weiter vertieft. Schliesslich fanden die Restauratoren eine Alternative, eine trockene Reinigungsmethode mit synthetischen Latexschwämmchen, die sie vorsichtig über die Bildoberfläche strichen. Der dabei entstehende Abrieb des Schwammes bindet den oberflächlichen Schmutz. Zu guter Letzt wurden noch winzige Ausbrüche in der Malschicht korrigiert. Obwohl für den Besucher kaum sichtbar, stören diese den Gesamteindruck. Sie wurden zuerst ausgekittet und dann zurückhaltend retuschiert, um den gealterten Zustand des Kunstwerkes zu entsprechen und die Originalität zu bewahren.
Nach der Restaurierung zeigt sich das Gemälde wieder in seiner ursprünglichen Farbkraft und Tiefe. Der Farbauftrag des Künstlers ist wieder in seinen feinen Nuancen erkennbar.
Le lion, ayant faim, se jette sur l‘antilope
Der hungrige Löwe wirft sich auf die Antilope, zerfleischt sie; der Panther wartet beklommen auf den Augenblick, da auch er seinen Teil abbekommt. Die Raubvögel haben ein Stück Fleisch ausgehackt; das arme Tier vergiesst eine Träne! Sonnenuntergang. Vollständiger Bildtitel im Katalog des Herbstsalons, Paris, 1905
Das grossformatige Dschungelbild Le lion, ayant faim nimmt in Rousseaus Werk eine ganz besondere Stellung ein. Es ist sein erstes Gemälde, das eine Jury passierte: 1905 erhielt es im prestigeträchtigen Herbstsalon einen Ehrenplatz. Gleich im Nebensaal hatten die Fauves – Henri Matisse, André Derain, Maurice de Vlaminck – ihren epochenmachenden Auftritt. Le lion, ayant faim ist auch das erste Werk Rousseaus, das in einer Zeitschrift abgebildet wurde und in den Kunsthandel gelangte. Der illustre Kunsthändler Ambroise Vollard erwirbt es im Jahr 1906 für 200 Francs. Ein Jahr darauf kauft Robert Delaunays Mutter das Bild La charmeuse de serpents. Vielleicht ist es auch diesem doppelten Verkaufserfolg zu verdanken, dass Rousseau in den letzten Jahren seines Lebens über zwanzig Dschungelbilder schuf.
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22.04.2015Presse »
Täglich 10 - 18 Uhr, mittwochs 10 - 20 Uhr.
Das Museum ist an allen Sonn- und Feiertagen geöffnet.
Erwachsene CHF 25.–
Gruppen ab 20 Personen* und IV mit Ausweis CHF 20.