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SIMPLY VIDEO.

SIMPLY VIDEO. BEWEGTE BILDER AUS DER KUNSTHALLE BREMEN

SIMPLY VIDEO.

Vor bald 50 Jahren experimentierten bildende Künstler erstmals mit Videokamera und Monitor. Seitdem ist das Medium Video aus der zeitgenössischen Kunst nicht mehr weg- zudenken. Mit einer Auswahl raumgreifender Videoinstallationen aus der bedeutenden Sammlung der Kunsthalle Bremen widmet sich das Kunstmuseum Stuttgart erstmals in einer großen Sonderausstellung ausschließlich den Möglichkeiten des bewegten Bildes. Die früheste Arbeit in der Ausstellung stammt von dem Videopionier Peter Campus. Die Amerikanerin Diana Thater verwandelt den Zentralraum im Herzen des Kubus mit der Mehrfachprojektion »Delphine« in ein stockwerkübergreifendes Aquarium. Eigens für die Stuttgarter Ausstellung inszeniert der Schweizer Künstler Yves Netzhammer mithilfe seiner Animationsfilme und Wandzeichnungen einen ebenso fesselnden wie rätselhaften Bilderkosmos. Außerdem zu sehen sind Werke des südafrikanischen Zeichners William Kentridge, des Amerikaners Jon Kessler sowie der jungen deutschen Künstler Ulla von Brandenburg, Bjørn Melhus, Astrid Nippoldt und Clemens von Wedemeyer.

William Kentridge, Felix in Exile, 1994

Anders als das Medium Film verfügt die Videotechnik über die Möglichkeit, Aufnah- men ohne zeitliche Verzögerung live zu übertragen. Peter Campus bedient sich bei seiner Installation »mem« von 1974/75 dieses so genannten Closed-Circuit- Verfahrens und versetzt den Betrachter damit in die Rolle des gestaltenden Akteurs. Mit dem eigenen schemenhaften Videobild konfrontiert, erlebt man die Differenz zwi- schen Realität und medialem Abbild am eigenen Leib.

Als Vertreter einer jüngeren Künstlergeneration nutzt auch der Amerikaner Jon Kessler die Closed-Circuit-Technik, die heute vor allem mit Videoüberwachung in Verbindung gebracht wird. In Kesslers kinetischer Videoskulptur »Random Acts of Senseless Violence, Part I« (2007) kreisen ratternde Scheiben, reflektierende Folien und pendelnde Lampen vermeintlich sinnlos um sich selbst. Mehrere Kameras neh- men das Szenario auf und geben die flackernden, undeutlichen Bilder gleichzeitig auf einem Monitor wieder. Mit voyeuristischem Blick kontrollieren die Überwachungs- kameras die hyperventilierenden Gerätschaften und generieren verzerrte Bilder, die nichts anderes zeigen als die Verdoppelung einer leer laufenden Realität.

Die Reproduzierbarkeit von Medienbildern und menschlichem Erbgut wird in Bjørn Melhus’ Videoinstallation »Again & Again (The Borderer)« (1998) zum zentralen Thema. Melhus, in der Rolle eines modernen Homunculus, vervielfältigt sich auf acht Monitoren solange selbst, bis sich die Replikanten gegen den eigenen Schöpfer wen- den. Damit reflektiert er nicht nur die Manipulierbarkeit der computergenerierten Bilderwelt, sondern auch ein Menschenbild, das im Zuge von Körperkult und Leis- tungsoptimierung selbst vor der Klontechnik nicht Halt zu machen scheint.

Über Aufnahmen von wilden und domestizierten Tieren beleuchtet die Amerikanerin Diana Thater die Differenz von Natürlichkeit und Künstlichkeit. Für die Arbeit »Del- phine« von 1999 arbeitete sie erstmals mit frei lebenden Tieren und fing faszinieren- de Unterwasserbilder der Meeressäuger ein. Delphine sind für Thater ein »Modell, das Flüssige zu denken«, eine Vorstellung, die sie auf die Architektur überträgt: Dank ihrer Mehrfachprojektion weitet sich der Ausstellungsraum zum fließenden Bildraum, in den der Betrachter förmlich eintaucht.

Auf rund 400 Quadratmetern inszeniert der Schweizer Yves Netzhammer seine Vi- deoinstallation »Die Anordnungsweise zweier Gegenteile bei der Erzeugung ihres Berührungsmaximums« (2005). Seine Wandzeichnungen und Animationsfilme sind von einer reduzierten, artifiziellen Bildsprache geprägt, die Befremden und Unbehagen auslöst. Wie im Traumzustand sind Schwerkraft und Materialität der Dinge auf- gehoben, unverbundene Szenen gehen assoziativ ineinander über, Motive finden sich in fremden Kontexten wieder. Eine gesichtslose Gliederpuppe irrt verloren durch die sterilen Settings und versucht sich einem Gegenüber anzunähern, mit dem sie sich konfrontiert sieht.

Ebenfalls durch Zeichentrickfilme wurde der Südafrikaner William Kentridge bekannt, der mit der filmischen Anamorphose »What Will Come (has already come)« (2007) und dem Video »Felix in Exile« (1994) in der Ausstellung vertreten ist. Seine Aus- einandersetzung mit Erinnerungsprozessen und Verdrängungsstrategien innerhalb der afrikanischen Gesellschaft findet seine Entsprechung im Formalen: durch das kontinuierliche Zeichnen, Ausradieren und Neuzeichnen seiner Motive bauen die Bil- der immer auf den vorangegangenen auf – stets bleiben die Spuren der Vergangen- heit sichtbar.

Geschichtsbewältigung und das Erbe politischer Systeme thematisiert auch Astrid Nippoldts Videoinstallation »Grutas« (2006), benannt nach einem litauischen Skulp- turenpark der besonderen Art: mit dem Zusammenbruch des Ostblocks fanden hier demontierte sowjetische Propagandaskulpturen aus ganz Litauen ihre letzte Ruhe- stätte. Angesiedelt zwischen Mahnmal, Gruselkabinett und Freizeitpark fängt Nip- poldt in dokumentarischen Bildern die Ambivalenz dieses Ortes ein.


Ausstellung






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