Frankfurt
Niclaus Gerhaert. Der Bildhauer des Mittelalters
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Ausstellung27.10.2011 - 04.10.2012
(Frankfurt am Main, 29. September 2011) Die Liebieghaus Skulpturensammlung präsentiert vom 27. Oktober 2011 bis 4. März 2012 die bedeutende Mittelalterausstellung „Niclaus Gerhaert. Der Bildhauer des Mittelalters“.
Der Niederländer Niclaus Gerhaert von Leyden, der vermutlich um 1430 in Leiden geboren wurde, 1462 in Straßburg erstmal bezeugt ist und 1473 in Wiener Neustadt starb, ist zweifellos einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler der Spätgotik. Seine Werke überzeugen durch überraschende Modernität und große Lebensnähe der Figuren. Berühmte mittelalterliche Bildhauer wie Tilman Riemenschneider, Veit Stoß, Michel Erhart oder der Tiroler Michael Pacher sind ohne ihn nicht denkbar. Die geringe Anzahl der signierten Arbeiten und schriftlichen Quellen erschweren es der Forschung, Herkunft, Lebensweg und Werkkomplex Gerhaerts zu rekonstruieren. Doch schon zu Lebzeiten muss er als Bildhauer berühmt gewesen sein – sogar Kaiser Friedrich III. bemühte sich um seine Dienste. Heute hingegen ist Gerhaert dem Publikum nicht zuletzt auch wegen der wenigen erhaltenen Zuschreibungen weitgehend unbekannt. Dem soll die erste monografische Ausstellung zu Niclaus Gerhaert, der umfangreiche Forschungs- und Restaurierungsarbeiten vorangegangen sind, entgegenwirken. Sie versammelt erstmals insgesamt rund 70 Werke, davon 20 aus der Hand des Meisters und seiner Werkstatt. Die Leihgaben kommen aus international renommierten Sammlungen wie dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Musée du Louvre in Paris, dem Kunsthistorischen Museum in Wien, dem Berliner Bode-Museum oder dem Bayerischen Nationalmuseum in München. Nach ihrer Präsentation im Liebieghaus wird die Ausstellung vom 30. März bis 8. Juli 2012 im Musée de l’Œuvre Notre-Dame in Straßburg gezeigt werden. Eine Ausstellung der Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt am Main, und des Musée de l’Œuvre Notre-Dame, Straßburg.
Das Forschungs- und Ausstellungsprojekt wird durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und die Kulturstiftung der Länder ermöglicht. Mit zusätzlicher Unterstützung von der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Niclaus von Gerhaert hat in einem nur kurzen Zeitraum, wohl vom Ende der 1450er-Jahre bis 1467 von Straßburg und danach bis zu seinem Tod 1473 von Wiener Neustadt aus, die Bildhauerkunst nördlich der Alpen über Generationen hinweg maßgeblich verändert und geprägt. Über sein Leben sind in der Forschung kaum verlässliche Daten überliefert. Angenommen wird, dass er um 1430 im niederländischen Leiden geboren wurde. Auch über die Stationen seiner Lehr- und Gesellenzeit fehlt jede Nachricht. Doch weist einiges nach Burgund und in den südniederländisch-nordfranzösischen Raum. Dort könnte Gerhaert entscheidende künstlerische Erfahrungen gesammelt haben. Fassbar wird er erstmals 1462 mit dem signierten und datierten Grabmal für einen der einflussreichsten und bedeutendsten Männer seiner Zeit, Jakob von Sierck (1398/99–1456), Erzbischof und Kurfürst von Trier, Reichskanzler Kaiser Friedrichs III. und geschätzter Diplomat. Das Grabmal, von dem sich nur die Grabplatte erhalten hat, die sich heute im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum in Trier befindet, gehört zu den wenigen gesicherten Werken Gerhaerts. Wir wissen zwar, dass Gerhaert in Stein und Holz gearbeitet hat; gesicherte Werke haben sich jedoch nur in Stein erhalten: Neben der Grabplatte Jakob von Siercks sind das Teile des Portalschmucks der alten Kanzlei in Straßburg (1463) – davon befindet sich der Kopf der sogenannten „Bärbel von Ottenheim“ als einer der Höhepunkte spätmittelalterlicher Skulptur in der Sammlung des Liebieghauses –, das Epitaph des Kanonikers Busang im Straßburger Münster (1464), das Kruzifix in der Stiftskirche Baden-Baden (1467) und die Deckplatte des Grabmals von Kaiser Friedrich III. im Wiener Stephansdom (1467–1473).
Die Ausstellung bietet nun anhand von etwa 70 Skulpturen aus internationalen Sammlungen erstmals die Möglichkeit, für Gerhaert gesicherte wie ihm zugeschriebene Stein- und Holzbildwerke sowie Arbeiten aus seinem Umkreis und seiner Nachfolge einander realiter gegenüberzustellen und die in der jüngeren und jüngsten Forschung geäußerten Thesen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Bereits im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen haben Dr. Stefan Roller, Leiter der Mittelaltersammlung am Liebieghaus und Kurator der Ausstellung, und Dipl.-Rest. Harald Theiss, Leiter der Abteilung Restaurierung im Liebieg- haus, mit Unterstützung eines international renommierten Expertenteams alle für Gerhaert gesicherten und die ihm plausibel zugeschriebenen Werke in Stein und Holz mit modernsten Forschungsmethoden untersucht und ausführliche kunsttechnische Befunde erstellt. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten lag auf dem Entstehungsprozess der Skulpturen sowie ihrer farbigen Oberflächengestaltung. Mithilfe neuer kunsttechnologischer Erkenntnisse, welche die bisherigen kunsthistorischen Methoden produktiv ergänzen, konnte die Herkunft einiger bis dato diskutierter Arbeiten für Gerhaert und seine Werkstatt gesichert werden, während andere Skulpturen aus dem Œuvre ausgeschieden werden mussten.
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