Meisterwerke i
Meisterwerke im Fokus: Max Oppenheimer
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Ausstellung29.10.2010 - 27.02.2011
Thomas Mann - Symphonie Max Oppenheimer, der „Mopp“ signiert, gibt uns jetzt bei Caspari Gelegenheit, das Schaffen seiner 41 Jahre zu überblicken und zu bemerken, wie sehr er gewachsen ist, seit man ihn in Deutschland aus den Augen verlor. Die Ausstellung bietet an eindringlichen Porträts, originellen Stilleben und größeren Kompositionen, die meistens ein Kult des Musikalischen sind, sehr Merkwürdiges, verrät auf Schritt und Tritt ein geistvolles und phantastisches Könnertum; aber sie wird übergipfelt und beherrscht von einem wandgroßen Bilde, das ihre Hauptattraktion ausmacht und offenbar das Erzeugnis jahrelanger Hingebung ist, einem Werk großen Stils, endlich denn wieder einmal, von dem ich mich sehr erfüllt erkläre. Es soll nach Berlin gehen in den nächsten Tagen, und mir liegt daran, ihm etwas wie eine knappe Anmeldung vorauszuschicken. Es heißt „Das Konzert“ und zeigt ein modernes Orchester in voller Tätigkeit, wohl 70 Mann stark, geführt von einem Dirigenten, dessen brillen- und lippenscharfe Physiognomie in ihrer Willensekstase und religiösen Intelligenz an diejenige Gustav Mahlers erinnert. Sein vor byzantinischem Golde stehendes Profil, sein emporgeworfener Arm befehligen ein brausendes Tutti, das man hört, – wahrhaftig! es drängt mich, von der unglaublichen akustischen Wirkung des Bildes zu zeugen, der suggestiven Macht, mit der es das geistige Ohr des Beschauers halluzinatorisch mit der gesättigten, üppig kolorierten Klangmasse heutiger Instrumentalmusik erfüllt.
erfüllt. Wie geschieht das? Zum Teil sehr einfach kraft musikalisch-technischer Sachkenntnis. Das hat ein Musiker gemalt, ein Amati-Geiger, der sich selig aufs Ohr legt, in Phantasien wandelnd. Es ist richtig. So sitzen Violinisten beim Spiel, so umfaßt die Linke das Griffbrett, so biegt das rechte Handgelenk sich durch, und so ist die Kopfhaltung. Diese Cellisten setzen den geharzten Bogen so an, wie man es tausendmal gesehen hat, mit dem Ergebnis baritonalen Saiten- und Holzgesanges. Solche Münder machen Flötisten, das ist die Grimasse des Klarinettbläsers, Oboisten, Hornisten bei angestrengtem Spiel. Hinzu kommen Individualität und Ausdruck. Die Musiker, jeder einzelne, die Aelteren und die Jungen, sind Menschen, Personen, lebendig, echt; man glaubt, einen jeden gekannt zu haben, wahrscheinlich sind es Porträts – von Leuten wohl manchmal, die nie ein Instrument in der Hand gehabt haben, die aber der Maler hier an Pulte gesetzt und zu Orchesterkünstlern von glaubwürdigster Tüchtigkeit gemacht hat. Selten oder nie ist der Zustand hingegebenen Kunstdienstes, frommer und selbstvergessener Anstrengung in menschlichem Verein zum Zweck großer Darbietung so getroffen, so vielfältig durchgeführt worden. Man sehe diesen jungen, schwarzhaarigen Geiger links vorn, am zweiten Pult, der mit geschlossenen Augen sitzt und spielt, in seinen Part und in das Ganze tief verloren. Es ist klar, daß man ihn persönlich nur darum nicht hört, weil die Stimme seines Instrumentes in der tosenden Polyphonie des Ganzen untergeht, und da dem so ist, – wie sollte man das Ganze nicht hören? Es tragen aber drittens eine Menge rein kompositioneller und schwer kontrollierbarer, irrationaler und suggestiver Mittel bei, den Effekt zu zeitigen, dem ich hier auf die Schliche zu kommen suche: Diese gestreckt, weit ausgezogen, von rechts ins Bild jagenden Posaunen mit den wuchtenden Baßtuben darunter, diese gleichlaufend nach links hinstreichenden Silberflöten, die fliegenden Paukenschlägel, die Vertikalbündel dieser drei Orgeltürme des Hintergrundes, deren Pfeifenfigur sich sonderbarerweise in den gerollten Notenblättern auf den vorderen Pulten wiederholt … Lichterscheinungen zwischen dem kirchlichen Pfeilerwerk, das die Orgelteile verbindet. Große mystische Lichtstrahlung rechts, die aus irgendwelchen Schallmündern zu brechen scheint, von denen man nicht recht weiß, wohin sie gehören. Ein Treppchen mit sich verjüngenden Stufen läuft links zum mittleren Orgelpfeiler hinan, ein gänzlich unbenützbares, rein ideelles und suggestives, ein hochmusikalisches Treppchen, ein Flötenlauf: Tutetütelit … Wer will das aussprechen. Man denke an nichts Impressionistisches! Vielmehr herrscht Vereinfachung, Uebertragung, Konzentration bis zum Symbolhaften. Der Maler hat auf viele Mittel gewagter Kompliziertheit verzichtet, die seiner Produktion sonst eignen, um einen Freskostil zu versuchen, der das Dekorative zugleich mit dem Seelenvollen erreicht. Das ist aber wohl die Bestimmung des großen Stils. Das Bild, scheint mir, wäre als Hauptschmuck des Foyers eines unserer großen Opernoder Konzerthäuser an seinem Platz.
Konzerthäuser an seinem Platz. Denn ich sollte denken, es wäre ein rechtes Stück deutscher Malerei, spirituell und gefühlvoll, ein Stück deutschen Expressionismus’, von 1500 ebensowohl wie von 1926, in seiner Isenheimischen Ausdrucksgewilltheit, die vom Verschlossen-Innigen bis zum Losgelassen-Fratzenhaften reicht. Uebrigens war es gar nicht meine Absicht, zu loben, sondern nur, von einem Eindruck zu zeugen. Zu loben und zu tadeln wird Sache der Experten sein, auf deren Aeußerungen ich neugierig bin. Jedenfalls ist hier jemand auf die Höhe seines Könnens gelangt. Die Grund-Liebeselemente dieses Künstlers: Musik und Geist vereinen sich unter stürmischer Entfaltung von mehrerlei Gold, Hellbraun, Orange, Mattblau und Engelsweiß zu einer Vision von hochgetriebener Realität und Inbrunst.
Aus dem Berliner Tageblatt, 55. Jg., Nr. 19, 12. Jänner 1926
Thomas Mann: „Symphonie". Aus: ders., Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Bd. 15.1.:
Essays II. 1914-1926, Frankfurt a. M. 2002, S. 1073 ff.
Der Text wurde für die erste Fassung, Orchester, geschrieben, besitzt jedoch auch für die spätere
Fassung des ausgestellten Werks Die Philharmoniker Gültigkeit.
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