Kostbarkeiten
Kostbarkeiten aus der Vadianischen Sammlung – original und online
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Ausstellung29.05.2009 - 01.11.2009
Das Historische und Völkerkundemuseum St.Gallen zeigt fünfzehn aussergewöhnliche Handschriften aus der Vadianischen Sammlung der Ortsbürgergemeinde St.Gallen. Den Originalen wird die Online-Präsentation in den «e-codices» zur Seite gestellt; die Originale in den Vitrinen und die auf der Leinwand digitalisierten Handschriften ergänzen sich in idealer Weise.
St.Galler Kulturerbe
Die rund 100 mittelalterlichen Handschriften der Vadianische Sammlung der Ortsbürgergemeinde stammen aus der Bürgerbibliothek der Reichsstadt St.Gallen. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts gehörte es zur Ehrenpflicht der reichen Bürger, die Bibliothek mit kostbaren Büchern zu beschenken, aber auch mit seltenen Naturalien aus aller Welt, mit Münzen und anderen historischen Funden sowie mit Porträts bedeutender St.Galler Persönlichkeiten. Bei den Handschriften sind die Erwerbungen aus Italien, Frankreich und Deutschland zahlreicher als jene aus St.Gallen und Umgebung. So kam eine originelle und wertvolle Sammlung zusammen, in der sich die internationalen Verbindungen der St.Galler Kaufleute spiegeln. Heute werden die Handschriften in der Kantonsbibliothek aufbewahrt.
Miniaturen und Schriften
Die Handschriften der Vadianischen Sammlung sind ausgesuchte Sammlerstücke. Bekannt sind die Miniaturen der Rudolf-von-Ems-Handschrift, einer weltlichen Prachthandschrift, die im Umkreis der Manessischen Liederhandschrift in Zürich um 1300 angefertigt wurde. Sie enthält alttestamentarische Geschichten und eine Erzählung des Spanienfeldzugs Kaiser Karls des Grossen. Eine gleichzeitig geschriebene Bibel aus Nordfrankreich oder Südengland zeigt in den Initialen biblische Szenen, die am Rand durch Drolerien mit kleinen Figuren in komischen und amüsanten Szenen aufgelockert werden. Weitere Handschriften bringen Bilderbogen der Sternzeichen, einiger spätmittelalterlicher Päpsten in kritischer Sicht, der Weltgeschichte von der Schöpfung bis zum Weltende usw.
Die Handschriften geben einen Querschnitt durch die gehobene Schriftkultur von der Spätantike bis ins späte Mittelalter. Die Schriftbeispiele beginnen mit der Unzialschrift, einer Schrift in Grossbuchstaben ohne Wortabstände, sie gehen von der karolingische Minuskel, der Standardschrift im Reich Karls des Grossen zur gotischen Buchschrift und führen zur humanistischen Minuskel der Renaissance, der Schrift, die die Grundlage unserer Druckschriften bildet. Zur Ergänzung sind eine griechische und eine arabische Handschrift mit einem kalligraphisch gestalteten Stück des Koran aus dem Maghreb beigegeben.
«e-codices»
Die «e-codices» (www.e-codices.ch) bilden eine virtuelle Handschriftenbibliothek, die vorwiegend mittelalterliche, aber auch neuzeitliche Handschriften aus Bibliotheken und Archiven der Schweiz enthält. Sie besteht aus einem Bild- und einem Textteil. Im Bildteil werden die vollständig digitalisierten Handschriften in guter Bildqualität präsentiert. Der Textteil bietet zur jeder Handschrift eine wissenschaftliche Beschreibung.
Die «e-codices» sind ein Projekt des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg (Schweiz). Es ist eng mit der Stiftsbibliothek St.Gallen verbunden, die Erfassung von Handschriften des Klosters St.Gallen bildet einen wichtigen Bestandteil des Projekts. Das Angebot der «e-codices» ist allgemein zugänglich. Es richtet sich an die handschriftenorientierte Forschung, aber auch an interessierte Laien.