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Brücken zum Orient Joseph von Hammer-Purgstall und das europäische Bild des Morgenlandes

Brücken zum Or

2010, im Jahr, in dem Istanbul Kulturhauptstadt Europas ist, würdigt das Universalmuseum Joanneum Joseph von Hammer-Purgstall in einer Ausstellung im Palais Yeniköy, dem am Bosporus gelegenen Sitz des Österreichischen Kulturforums.

Die einzelnen Themenbereiche der Ausstellung sind aufeinander abgestimmt und inhaltlich miteinander verbunden. Ohne auf authentische Objekte zu verzichten, vermittelt die Ausstellung ihre Inhalte in modernen multimedialen Präsentationsformen. Neben der Dokumentation über Leben und Werk des berühmten Orientalisten und Übersetzers stellt die Exposition das europäische Bild des Morgenlandes sowie dessen Blick nach dem Westen in das Zentrum. Dabei werden immer wieder Kultur vermittelnde Brücken in die Gegenwart geschlagen.

Konstantinopel. Moschee Yeni Jami und Hagia Sophia  John F. Lewis, Lithographie (nach einem Gemälde von Coke Smith), 1835, Privatbesitz, Graz

Istanbul gilt als „Tor zum Orient“ und als „Brücke zum Okzident“. Die Metropole auf zwei Kontinenten war einst die Schlüsselstadt in Hammers Leben. Rund sechs Jahre verbrachte er hier.

Über Jahrhunderte gab es ein Feindbild in Mitteleuropa: die osmanischen Türken. Schreckensmeldungen verbreiteten sich über den gesamten Kontinent, es kam zum Aufeinanderprall zweier Zivilisationen. Dass das Morgenland nicht als Synonym für das Bedrohliche anzusehen ist, verdanken wir nicht zuletzt Joseph von Hammer-Purgstall. Hammer wurde 1774 als Sohn eines Beamten in Graz geboren. 1787 kam er zum Studium nach Wien. Zwischen der Kaiserstadt und Konstantinopel war das Verhältnis damals zwar nicht restriktionsfrei, doch war die Bedrohung zusehends der Faszination gewichen. Der Orient wurde zudem zum Gegenstand wissenschaftlichen Interesses.

Der zum Diplomaten ausgebildete Hammer erwies sich als äußerst sprachbegabt und wissbegierig. Der Orient sollte bald im Mittelpunkt seiner Forschungs- und Übersetzertätigkeit stehen. Von einem ungeheuren Schaffensdrang getrieben, brachte es Hammer auf rund 800 Veröffentlichungen, darunter 69 Bücher! Sein wissenschaftliches Werk umfasst historische Schriften, philologische Abhandlungen, eine Literaturgeschichte der Perser, der Türken, sowie der Araber. Hammers zehnbändige Geschichte des osmanischen Reiches ist und bleibt ein Standardwerk, das auch in das Türkische übersetzt wurde und bis heute aufgelegt wird.

Mit seinen Übersetzungen bewirkte Hammer einen Brückenschlag zwischen den Kulturen. Er übersetzte aus dem Arabischen, aus dem Persischen und dem Türkischen in verschiedene europäische Sprachen, so beispielweise die Erzählungssammlung „Tausendundeine Nacht“ in das Französische. Im Gegenzug legte er eine persische Übersetzung der auf Griechisch verfassten Betrachtungen des römischen Kaisers Marc Aurel vor.

Hammers Liebe und Verehrung für den Orient resultierte hauptsächlich aus dem Studium von Texten, insbesondere dem der orientalischen Poesie. Diese enthielt für ihn das wahrhafte Destillat kultureller Identität.

In Konstantinopel hatte ihm ein Derwisch Verse des Hafis auf Persisch vorgetragen. Hammer war zutiefst beeindruckt. Der aus Shiraz stammende Hafis (um 1320-1388) ist ein Dichter, in dem die Iraner/innen bis heute einen unentdeckten Teil ihres kulturellen Gedächtnisses entdecken. Hammer übersetzte sein gesamtes Werk ins Deutsche und inspirierte damit Johann Wolfgang von Goethe zu seiner letzten großen Gedichtsammlung, dem „West-östlichen Divan“. Goethe ging in diesem seinem Spätwerk über das Kennenlernen des „Anderen“ hinaus und versuchte, mit diesem in einen Dialog zu treten. Goethe bezeichnete Hammer als „außerordentlichen“ Mann, dem er viel zu verdanken habe, und er wandelte das Motto der „Fundgruben des Orients“ – die von Hammer herausgegebene erste orientalische Zeitschrift im deutschsprachigen Raum – ab, wenn es im „Divan“ heißt:

„Gottes ist der Orient! Gottes ist der Okzident! Nord- und südliches Gelände ruht im Frieden seiner Hände!“

1847 sollte Hammers lange und mit Beharrlichkeit gehegter Plan in Erfüllung gehen: die Gründung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hammer wurde ihr erster Präsident. 1856 starb er in Wien.

Sein unbestrittenes Verdienst ist es, die Welt des Islam als für die Menschheit unverzichtbare Kultur anerkannt zu haben. Und so findet sich auf seinem Grabstein zu Recht die Inschrift:

„Er hat Asien mit Europa verbunden“ nach Herodot (VII 33)

Dr. Gerhard M. Dienes, Kurator Universalmuseum Joanneum


Ausstellung






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John F. Lewis, Lithographie (nach einem Gemälde von Coke Smith), 1835, Privatbesitz, Graz
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