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Ihsan Hamo - Personale in Wien

Kreaturen mit und ohne Gesicht
Kreativaum Galerie, Riemergasse 2, 1010 Wien
Ausstellung von 28. August bis 10. September 2021

Die Erfindung der Abstraktion in der westlichen modernen Kunst wird heute Hilma af Klint zugeschrieben, weil sie 1907 das erste abstrakte Gemälde The Large Figure Paintings, Nr. 5, Gruppe III oder sogar Primordial Chaos, Nr. 16 ein Jahr zuvor malte. Ihr Vorrang wird noch immer von einigen Kunsthistorikern bestritten, die behaupten, dass ihre Absicht keine reine Abstraktion war, im Gegensatz zu denen von Wassily Kandinsky, der vier Jahre später seine berühmte Komposition V malte. Wer auch immer diese Art der Malerei als erster einführte, die Abstraktion hat das Verständnis, wie die Welt in der Kunst dargestellt sein kann, radikal verändert. Seitdem haben viele Künstler den formalen und philosophischen Ansatz begriffen, aber die Frage, ob abstrakte Kunst wirklich ungegenständlich ist oder die abstrakte Form am Ende immer mit etwas vergleichbar ist, immer wie etwas in der Realität aussieht, besteht bis heute.

Die Gemälde von Ihsan Hamo zeigen die Kontroverse oder sogar Sinnlosigkeit einer strikten Trennung zwischen Abstraktion und Realismus. Seine Pinselstriche und Malerspachtelschichten schaffen einen Körper von Formen, die in ihrer Gestalt und Emotion unterschiedlich sind und mehr als nur ein Erlebnis der Farben auf der Leinwandoberfläche schaffen. Die Reichhaltigkeit, eine Art Füllhorn an unvorhergesehenen Räumen und Strukturen, die vor den Augen des Betrachters erscheinen, sind eine fantastische, teils surreale, traumhafte Reise ins Bekannte und Unbekannte zugleich. Das verträumte, übernatürliche Gefühl wird durch die luftige oder sogar spirituelle Art, durch Farbe und Licht der Hintergrundfläche erschaffen, und kann an die Malerei von William Turner und Mark Rothko erinnern.

Ihsan Hamo wurde 1962 in Aleppo geboren, absolvierte dort ein Kunststudium am Institut für Bildende Kunst und wurde gleich nach dem Studium zum Professor für Zeichnen berufen. Schon bald erlangte er Anerkennung für seine Malerei, wurde von Galerien in Syrien und im Libanon vertreten und erreichte ein internationales Publikum. Seine Werke sind heute Teil vieler Sammlungen in den Ländern des Nahen Ostens. Nachdem er sich in Wien niedergelassen hatte, präsentierte Hamo seine Werke in Einzel- und Gruppenausstellungen in Wien, Paris und Kiew. Seine Bilder wurden auch bei Auktionen im Dorotheum und bei Sotheby’s erfolgreich verkauft. 2016 zog er von Syrien nach Wien.

Es ist nicht einfach, die Malerei von Hamo in stilistische Kategorien einzuordnen, denn sein eklektischer persönlicher Stil verbindet den Einfluss von Stilen der europäischen Kunstgeschichte wie Surrealismus, abstraktem und figurativem Expressionismus mit der orientalischen, poetischen Sinnlichkeit. Der Künstler konstruiert die Bilder impulsiv, indem er auf sehr musikalische Weise Improvisation, Beobachtung und Kontemplation vermischt, so wie ein Jazzmusiker seinen Song auf der Bühne kreiert. Die Strukturen, die vor einem wolkigen, leuchtenden Hintergrund schweben, wirken beim ersten Eindruck wie eine chaotische und instabile Dekonstruktion, vielleicht sogar Zerstörung der Welt oder eine dramatische Explosion. Bei längerer Betrachtung erkennt man jedoch, dass diese Strukturen sorgfältig konstruierte poetische und melodische Beziehungen zwischen den Formen sind. Sie sind intensiv dargestellte Emotionen und körperliche Gefühle, Ausdruck einer Wahrnehmung eines menschlichen Körpers von außen, innen und in seinem spirituellen Zustand gleichzeitig.

Besonders kurios und überraschend ist, wenn der Künstler das Bedürfnis verspürt, dem Bild ein Gesicht hinzuzufügen, um dem Subjekt im Gemälde eine spezifischere Identität zu verleihen. Meistens malt er ein Gesicht einer Frau. Das Gesicht hat hier nicht die Funktion eines Porträts, sondern dient als zeitlose Allegorie oder Darstellung eines überlegenen Lebenswesens, einer liebevollen Göttin oder sogar der Liebe selbst. Durch die Präsenz einer erhabenen Atmosphäre bleibt das Gefühl der körperlichen Sinnlichkeit bestehen, wie in einem barocken Kunstwerk.
Vasja Nagy-Hofbauer








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