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DER WERT DER FREIHEIT

Welchen Stellenwert hat Freiheit heute? Wie kann der gesellschaftliche Balanceakt zwischen individueller Selbstbestimmung und sozialer Verantwortung gelingen? Werke von mehr als fünfzig Künstlerinnen und Künstlern nähern sich diesem komplexen Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und schaffen ein Bewusstsein für die Fragilität der Freiheit.

„Angesichts eines Klimas der Angst und Verunsicherung entsteht zunehmend ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass der Staat mehr reglementieren und kontrollieren sollte. Die dringende Notwendigkeit einer Diskussion über die Folgen ist Anlass, diese Ausstellung über den Wert der Freiheit zu zeigen“, so Generaldirektorin Stella Rollig.

Der Begriff Freiheit unterliegt einem stetigen Wandel. Historisch wird er seit der antiken Polis von wechselnden Gegenspielern geprägt und beschreibt eine wichtige Grundlage der Demokratie. Seit den 1990er-Jahren stellt sich die Demokratie als Staatsform im Zusammenspiel mit der Marktwirtschaft zunehmend als alternativlos dar, während es mit der Globalisierung vermehrt zu Spannungen zwischen den beiden kommt. Heute scheint das Denken des Neoliberalismus die errungenen, selbstverständlich wirkenden Freiheiten nach und nach wieder aufzulösen und die Demokratie langsam auszuhöhlen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Ausstellung den „Wert der Freiheit“. Da die individuelle Selbstbestimmung von vielen inneren und äußeren Faktoren beeinflusst wird, beschreibt die Schau ein komplexes Geflecht aus gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen. Anhand von überlappenden Bereichen und Querverbindungen nähern sich die Werke von mehr als fünfzig Künstlerinnen und Künstlern der Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven.

Ein zentraler Teil der Ausstellung widmet sich dem grundsätzlichen Wesen der Freiheit. Geht es um ein Freisein an der Schwelle zwischen Natur und Kultur, oder ist Freiheit nur ein Spiel, dessen Regeln und Widerstände es erst interessant machen? Kann der Mensch überhaupt mit Freiheit umgehen oder braucht er Regeln? Arbeiten von Alexander Kluge, Artur Żmijewski und Dara Birnbaum widmen sich diesen und ähnlichen Fragen.

In einem anderen Bereich geht es um Staatsformen, die die Strukturen des Zusammenlebens bestimmen. So fragt Oliver Ressler danach, was Demokratie eigentlich ist und wie sie sein könnte, Christodoulos Panayiotou analysiert Choreografie und Konstruktion von Öffentlichkeit, und Carola Dertnig animiert zur öffentlichen Rede. Der öffentliche Raum, der politische Vorstellungen genauso spiegelt wie unterschiedliche individuelle Bedürfnisse, wird u.a. von Šejla Kamerić, Nina Könnemann und Teresa Margolles thematisiert. Aspekten des öffentlichen Raums werden Mechanismen aus den sozialen Medien gegenübergestellt. Und die Macht des Wissens trifft auf die Ohnmacht der Desinformation.

Weitere Exponate beschäftigen sich mit der Einschränkung von Freiheit durch Überwachung, Kontrolle und Zensur. Das Kontrollinstrumentarium, das der Staat einsetzt, um sein Gewaltmonopol und öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, wird bei Eva Grubinger, Aernout Mik und Betty Tompkins zum Thema. Die Kontrolle von Information als zentrales Mittel der Macht wird in der Ausstellung genauso thematisiert wie das daraus resultierende Gefühl des Ausgeschlossenseins aus politischen Prozessen. Aktivistische Werke wie etwa von Zentrum für politische Schönheit, Forensic Oceanography, Igor Grubić oder Hiwa K. erzeugen kritische Gegenöffentlichkeiten. Eine Reihe von Arbeiten führt die Fragilität der Freiheit vor. Künstler wie Christoph Schlingensief oder Superflex beschäftigen sich mit Themen, die die Demokratie gefährden, z. B. Angst als gesellschaftliches Leitmotiv, Verunsicherung oder Korruption. Dem stellen u. a. Anna Witt, Tobias Zielony und Johannes Gierlinger utopische Entwürfe bzw. die Flucht in andere Welten gegenüber.

Ein weiterer Bereich geht Subjektivierungsformen und Strategien der Emanzipation nach. Ebenso werden neue Imperative der Identitätspolitik hinterfragt. So beschäftigen sich Ashley Hans Scheirl und Philipp Timischl mit der Dekonstruktion von heteronormativen Geschlechterrollen und der Konstruktion von individuellen Identitäten, während es bei Isabella Celeste Maund und Marlene Haring um den Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und Rechte geht.

Die Freiheit wird auch in ihrem ökonomischen Kontext beleuchtet: Harun Farocki thematisiert die Produktivitätsmaximierung, Pilvi Takala zeigt, wie Produktivität zum kollektiven Leitbild wird, und Amalia Ulman beschäftigt sich mit der Ökonomisierung des Selbst. Verspricht die stetige Produktivitätssteigerung durch Selbstoptimierung überhaupt mehr Freiheit?

Insgesamt umkreist die Ausstellung ein Geflecht aus gegenseitigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen: zwischen Mensch und Gesellschaft, Demokratie und Ökonomie, Arbeit und Freizeit, Körper und Geist, Natur und Kultur. Die Freiheit steht dabei immer im Verhältnis zu anderen Faktoren und muss daher ständig neu verhandelt werden.

„Freiheit ist wie die sprichwörtliche Karotte, die wir selbst vor uns hertragen. Immer wenn wir glauben, sie erreicht zu haben, taucht die nächste vor unserer Nase auf. Denn Freiheit können wir nicht besitzen, sondern nur im Streben nach ihr erleben. Wie dick die Karotte erscheint, kommt ganz darauf an, wie viel Hunger wir haben“, so Severin Dünser, Kurator der Ausstellung.






  • 19.09.2018 - 07.02.2019
    Ausstellung »
    Österreichische Galerie Belvedere »

    Belvedere 21
    Arsenalstraße 1 1030 Wien
    Öffnungszeiten:
    Mi bis So 11–-18 Uhr
    Mi und Fr bis 21 Uhr (gilt auch an Feiertagen)
    Pressedownloads:
    belvedere21.at/presse21



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