Ausstellung Albertina
Film-Stills. Fotografien zwischen Werbung, Kunst & Kino
Zwischenbilder
Die Schwierigkeit bei der Wiedergabe von Filmszenen durch Stills besteht für StandfotografInnen in den medialen Differenzen zwischen (bewegtem) Film und (statischer) Fotografie. Sie wenden in Film-Stills intermediale Strategien an, die eine analog zur Filmerfahrung stehende Rezeption ermöglichen. Momentfotos, welche die Dynamik des Films evozieren, sind dafür ebenso beispielhaft wie Bildserien. Darin werden durch die Wiedergabe einzelner Phasen einer Bewegung Abläufe gezeigt, die in zeitlich knappen Abständen festgehalten werden. Auch Aufnahmen im Panoramaformat sind mit der räumlichen und zeitlichen Dimension des Films verwandt, da sie bei der Lektüre ein sukzessives „Abrollen“ von Motiven bedingen, das der chronologischen Bildfolge im Film ähnlich ist. Außergewöhnlich sind die Fotomontagen zu Walter Ruttmanns Experimentalfilm Berlin – Die Sinfonie der Großstadt (1927), die von der Avantgarde der Zwischenkriegszeit beeinflusst sind. Kongenial transformieren sie die subjektiv-moderne Sichtweise des Films, indem sie darin vorkommende Motive durch unlogische Perspektiven und Größenverhältnisse zueinander in Beziehung setzen. Manche von Horst von Harbous Stills für Metropolis (1927) werden als Transparentfolien hergestellt und aufwendig von Hand koloriert. Sie werden bei der Präsentation hinterleuchtet und stellen einen selbstreflexiven Bezug zum Kino her. Denn auch der Film entfaltet bei der Projektion mittels Durchlicht seine ephemere Qualität.
Endstation Sehnsucht
Die berühmte Szene von Elia Kazans Endstation Sehnsucht (1951), in der die Protagonistin Kim Hunter die Treppe herabsteigt und ihren Filmpartner Marlon Brando begehrend umarmt, wird aufgrund ihres explizit sexuellen Tenors stark zensuriert. Nichtsdestotrotz entschließt man sich zu einer Reinszenierung gerade dieser Szene in einem Fotostudio, die Brando und ein Stand-In für seine Filmpartnerin festhält. Die Serie zeigt leichte Verschiebungen von Bild zu Bild und lässt so den performativen Aufnahmeprozess und den Bewegungsablauf der Schauspieler vor der Fotokamera rekonstruieren.
2001: Odyssee im Weltraum
Für 2001: Odyssee im Weltraum (1968) beauftragt Stanley Kubrick Standfotografen mit der Herstellung von Kadervergrößerungen. Unter den fotografischen Werbemitteln stellen diese eine Ausnahme dar. Aufgrund der im Vergleich zu Film-Stills schlechteren Qualität, etwa der geringeren Schärfe der Bilder, eignet sich das dem Filmstreifen direkt entnommene fotografische Material an sich nicht dafür, weiterverwendet zu werden. Kubrick dreht 2001: Odyssee im Weltraum allerdings auf teurem 70-mm-Material, das hochwertige Kadervergrößerungen zulässt. Er entschließt sich für diese Lösung, weil sich so keine visuelle Verschiebung zwischen Film und Foto ergibt. Die Frames werden vom Fotografen so ausgewählt, dass das Hochgehen der Stewardess in der zirkulären Gangway genau rekonstruiert werden kann. Metabilder Manche Regisseure fördern die Herstellung von Stills, die charakteristische Aspekte ihrer Filme aus neuer Perspektive verhandeln. Ingmar Bergman reflektiert in seinem Meisterwerk Persona (1966) das filmische Trägermaterial dadurch, dass der Filmstreifen während der Projektion reißt und verbrennt. Die mediale Selbstbezüglichkeit wird durch Fotos visualisiert, die durch die ergänzte Perforation wie Filmkader aussehen. Diese Perforation nutzt der Fotograf nur als Zitat des filmischen Mediums; tatsächlich werden die Motive im Nachhinein in den schwarzen Rahmen montiert.
Auch zu Filmen Alfred Hitchcocks werden elaborierte Montagen angefertigt, die im Film nicht zu sehen sind. Das Fenster zum Hof (1954) erzählt von einem Fotografen (James Stewart), der durch ein Fernglas und ein Teleobjektiv einen Mann beobachtet, den er einen Mord begangen zu haben verdächtigt. Indem der Standfotograf Bilder jener Personen in das Objektiv montiert, die Stewart im Film von seinem Fenster aus beobachtet, verdeutlicht er das für den Film zentrale Thema des Voyeurismus. Dem österreichischen Stummfilmregisseur Erich von Stroheim dienen Film-Stills der Visualisierung als problematisch erachteter Inhalte seiner Filme. Aufgrund ihrer Länge und sexuell bedenklich erscheinender Passagen werden Stroheims Filme regelmäßig von der Filmzensur und den Produktionsfirmen gekürzt. Deshalb werden von vornherein Stills zur Fortführung des Films konzipiert. Die sexuellen Anspielungen in einer Szene von Törichte Frauen (1922), in der Stroheim einen Don Juan verkörpert, der im Begriff ist, sich an einer schlafenden Frau zu vergehen, finden etwa in einer Fotografie ihren Niederschlag, auf der er der Schlafenden den Fuß küsst.
Schlüsselbilder
Stills gehen der Veröffentlichung eines Films voran und prägen damit wesentlich die Erwartungshaltung, die ihn zum Zeitpunkt seines Kinostarts umgibt. Nicht die authentische Wiedergabe des Films, sondern die Anfertigung visuell ansprechender Bilder ist demnach oftmals von Bedeutung für dessen späteren (Miss-)Erfolg. Das berühmteste Beispiel hierfür ist das Film-Still von Sam Shaw, das eine Szene von Billy Wilders Das verflixte siebte Jahr (1955) vorstellt. Shaw arbeitet den Moment, in dem Marilyn Monroe über einem U-Bahn-Lüftungsschacht steht, viel pointierter heraus als der Film, in dem weder die Schauspielerin ganzfigurig zu sehen ist, noch das Hochfliegen des Rockes so deutlich gezeigt wird. Die mediale Rezeption dieser Filmszene wurde durch die Produktionsfirma forciert: Im Zuge einer elaborierten Werbekampagne wurde ein eigener Publicitytermin anberaumt, bei dem Reporter und Journalisten die Sequenz selbst festhalten konnten. Durch die mediale Verbreitung werden Schlüsselbilder zu charakteristischen Signaturen des Films und schreiben sich aufgrund ihres ikonischen Wiedererkennungswertes manchmal tiefer als die Filmszenen selbst in das kollektive Gedächtnis ein.
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04.11.2016 - 26.02.2017
Täglich 10.00 bis 18.00 Uhr
Mittwoch 10.00 bis 21.00 UhrErwachsene 11,90