Paul Celan
Der Sand aus den Uhren
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Ausstellung18.10.2016 - 22.11.2016
Wien, 18. Oktober 2016 Vom 3. bis 22. November 2016 findet im FRANZ JOSEFS KAI 3 das Projekt Der Sand aus den Uhren, kuratiert und programmiert von dem Dichter Benjamin Kaufmann, statt.
Veranstalterin des Projekts ist die LICRA – Ligue Internationale Contre le Racisme et l'Antisémitisme – Österreich. Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus.
Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf Paul Celans erste, wieder zurückgezogene Publikation Der Sand aus den Urnen von 1948. Es war vor allem Celans Schreiben, das Adorno dazu brachte, seine These nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben sei barbarisch, zu präzisieren beziehungsweise Missverständnisse, die sie nach sich zog, aufzuklären. Angesichts der Tatsache, dass die Grenze des existenziellen Schreckens überschritten ist, das Menschsein also vernichtet, kann jedes Feilen an sprachlichen Formulierungen nur noch obszön wirken. Noch die unscheinbarste Anstrengung eines Stil finden Wollens ist also von Adornos berühmten Diktum affiziert. Dabei darf nicht vergessen werden, dass dieses ganz am Ende seines Aufsatzes Kulturkritik und Gesellschaft steht, in dem die Unmöglichkeit aufgezeigt wird, dass sich Kulturkritik als gesellschaftliche Funktion von der Abhängigkeit von dieser und der mit ihr einhergehenden Korruption befreit. Nicht nur Wortspiel, sondern jede Art von Kunstgenuss kann hier unter Gedicht subsumiert werden.
Im Rahmen von Der Sand aus den Uhren rezipieren die BesucherInnen eine Reihe von Werken aus den Bereichen der Musik und der Bildenden Kunst, die zunächst disparat erscheinen und erst durch ihr Verhältnis zueinander ihre Bedrohlichkeit entfalten. Sie alle befassen sich assoziativ mit dem Grauen der Shoah, bleiben dabei häufig zunächst vage, auf den ersten Blick für manche gar harmlos.
„Die Vergangenheit ist nicht vergangen. Der Sand aus den Uhren untersucht die zeitlichen Begriffe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und legt sie übereinander. Der verbreitete Begriff eines linearen Zeitverlaufs wird infrage gestellt. Unverheilte Wunden, aktuelles Leid und Bedrohung werden durch die Erinnerung als Teil der Gegenwart begriffen und nicht in drei unterschiedliche Zeitsysteme aufgeteilt. Doch auch die Brüchigkeit und Fragilität der Erinnerung sind Gegenstand der Verhandlung. Nach den religiösen Verboten und Kants Besprechung des Ikonoklasmus haben die Schrecken des 20. Jahrhunderts die Abbildbarkeit selbst und die althergebrachten Verfahren aller Künste infrage gestellt. Diese Erschütterung und ihre unterschiedlichen Auswirkungen in Musik und Bild werden besprochen. Denn die Bildlosigkeit angesichts des Unabbildbaren schreibt die Demut vor den Toten vor, Sprachlosigkeit angesichts des Unbesprechbaren aber würde sie verraten. Die Ausstellung schärft durch ihren Aufbau Aufmerksamkeit und Sensibilität der Betrachter für Sprache, Zeichen, Formen und Muster, die im Alltag allgegenwärtig sind, deren grauenhafte Rückseite aber, in die die Geschichte hineingeblutet hat, allzu oft übersehen oder übergangen wird.“ (Benjamin Kaufmann)
Lyrik
Im Rahmen der Eröffnung am Mittwoch, dem 2. November 2016 um 19 Uhr wird Benjamin Kaufmanns Gedichtzyklus In dieser Sprache, verlegt von Bernhard Cella im Salon für Kunstbuch, vorgestellt. In dieser Sprache untersucht, wie sich Bedeutung in der deutschen Sprache durch die Shoah verschoben hat. Die Kürzestgedichte von einem bis zehn Wörtern, die alle wenigstens auf zweierlei, häufig aber noch mehr Arten gelesen werden können, sind mehr Objets trouvés der Sprache als Dichtung im herkömmlichen Sinn.
Ausstellung
Wenn die Rede vom Schweigen nur noch pathetisch und hohl tönt, so kann sich Kunst, die sich dem Erinnern an das Grauen, das aus gesellschaftlichem Versagen resultierte, widmen will, nur dadurch retten, dass sie als Intervention die kritische Funktion zu übernehmen sucht, die den sprachlichen Repräsentationen der Kulturkritik durch die gesellschaftliche Vereinnahmung unmöglich gemacht wird. Daraus, nämlich dass sowohl Genuss als auch Verstehen unter Verdacht stehen, erklärt sich der Minimalismus, die Schärfe und Reduktion der eingesetzten Mittel, die sich der Aussage verweigern. Nur der Form nach handelt es sich in Etti Abergels Arbeit Variations on Happiness (2006–2012) um weiß getünchte, notdürftige Fußbekleidung Vieler, die kontrapunktisch zum Titel die von ihr symbolisierte Leere durch die sinnlose Zentrierung als Zusammenstehen der Abwesenden noch unterstreicht. Nicht nur diese, jede interpretative Assoziation, etwa das Weiß mit südlichen Gräbern, muss in Scham enden, weil sie im Vergleich zum Anspruch des Gezeigten dem Banalen zu nahe kommt. Mit dem mehr Wollen, als da steht, muss die Interpretation dem Missverständnis ins Messer laufen, sei es bei der Brandspur in Judith Fegerls Cauter (2016), dem verblassenden Raster in Miriam Jonas Fokus (2014) oder den sich verjüngenden Schichtungen von Martin Creeds Arbeit . Mit Mark Melvins zwischen Forget und Remember wechselnder Uhr Time Piece (Bury Your Head in the Sand or Bury the Sand in Your Head) (2013/2014), den dunklen, ausfransenden Umrissen von Fritz Panzers Milchpackerl (2011)mit UBIKs weißer, ihre Bezeichnung tragender Memorial Plaque (2012–2013) und Ariel Schlesingers aus gedrehten Scherben gefügter Inside out urn (2013) wird zwar das Erinnern als Erinnern direkter angesprochen, aber für die Betrachtenden zugleich offen gelassen. Erst die Arbeit des Atelier van Lieshout CallCenter –Showerunit- Life Size (2008) stellt einen Bezug her, dem sich niemand, der die Unheilsgeschichte nicht ausblendet, entziehen kann, sodass ihr Realismus umso krasser jeglichen Versuch, sich an der Ästhetik zu ergötzen, scheitern lässt.
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18.10.2016 - 22.11.2016
Öffnungszeiten täglich 11 – 18 Uhr Eintritt frei