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Zeitgenössische Kunst

Poetiken des Materials

Zeitgenössische Kunst

Die Ausstellung Poetiken des Materials versammelt mit Benjamin Hirte, Sonia Leimer, Christian Kosmas Mayer, Mathias Pöschl, Anne Schneider sowie Misha Stroj und Michael Hammerschmid sieben in Wien lebende Künstlerinnen und Künstler. Für den Direktor des Leopold Museum, Hans-Peter Wipplinger, ist diese neue Programmschiene der Präsentati- on aktuellster Kunst wichtiger Bestandteil für das Gesamtkonzept des Hauses: „Museen als Magazine des Vergangenem müssen sich stetig wandeln und können diesbezüg- lich enorm vom Dialog mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern profitieren, indem sie Geschichte und Gegenwart sinnvoll verknüpfen. Nicht nur aus Gründen einer dynamischen Aufladung von Inhalten im Kontext eines gegenwärtigen gesellschaftlichen Umfeldes, sondern auch aus einem Selbstverständnis als Vermittlungs- und Diskursin- stanz, wollen wir die Geschichte der Gegenwart in unserem Haus fortschreiben, erweitern und die eingeladenen künstlerischen Positionen im Zuge der Ausstellung einer großen Öffentlichkeit vorstellen.“

Inhaltlich reflektiert die Ausstellung Poetiken des Materials auf eine aktuelle Entwicklung innerhalb der zeitgenössischen Kunst, in der sich zunehmend Strategien beobachten lassen, die dem Material sowie materiellen Phänomenen der Wirklichkeit einen hohen Stellenwert einräumen und unter dem Schlagwort eines „Neuen Materialismus“ verhan- delt werden. Zwar rückten unter anderem bereits die Post-Minimal Art oder die Arte Povera die Materialität des Kunstwerkes in den 1960er-Jahren als eigenständige ästhetische Kategorie in den Mittelpunkt. Sie suchten über eine spezifische Materialästhetik Kon- ventionen zu brechen, welche die Vorrangstellung der künstlerischen Idee und der Form vor dem „niederen“ Material betonten. In ihrem Umkehrschluss bezogen sie ihre Kräfte jedoch aus der Beibehaltung der die Moderne prägenden Leitdifferenz von Materialität und Immaterialität oder – auf die Definition des Kunstwerkes bezogen – von Material und Idee. Zeitgenössische Kunst, die dem „Neuen Materialismus“ zugeordnet werden kann, ist bestrebt, eben jene Entweder-Oder-Struktur zu überwinden. Sie versucht der gegenseitigen Durchdringung von materiellen und immateriellen Aspekten der Wirklichkeit Ausdruck zu verleihen. Letztere zeigen sich etwa in der Bedeutung der Sprache oder der kulturellen Prägung von Wahrnehmung.

„Material wird von den Theoretikerinnen und Theoretikern des sogenannten ‚Neuen Materialismus‘ nicht mehr als etwas Passives angesehen, das auf die gestaltende Kraft der Form oder den belebenden Funken der Idee wartet. Stattdessen werden Materialien und Dinge als ‚Mitakteure‘ historischer Prozesse sowie als deren Produkte wahrgenommen. Sie fungieren darüber – der Sprache vergleichbar – als Vehikel der diskursiven Verfasstheit der Realität.“ Stephanie Damianitsch, aus dem Katalog zur Ausstellung

Gemeinsam ist den vorwiegend neu produzierten Arbeiten der präsentierten Künstle- rinnen und Künstler daher der Einsatz vorgefundener Objekte, Alltagsgegenstände und „kunstfremder“ Materialien. Diese werden als Träger kultureller Bedeutungsgehalte hinter- fragt. Eingebunden in die Struktur der skulpturalen und installativen Kunstwerke werden ihre Ästhetik und Geschichtsträchtigkeit freigelegt sowie ihr semantischer Gehalt analy- siert – und dies häufig auf der Basis eines spielerischen Wechselverhältnisses von Material und Sprache.

MISHA STROJ/
MICHAEL HAMMERSCHMID Ausstellungsansicht Poetiken des Materials Leopold Museum, Wien Foto: Lisa Rastl
„Meint Poetik im herkömmlichen Verständnis die Untersuchung der sprachlichen Strukturen literarischer Werke, fragt die ‚Poetik des Materials‘ danach, wie dem Material und materiellen Phänomenen von den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern konzeptuell begegnet wird, wie diese in die Struktur von Kunstwerken eingebunden werden, wie weit sie in Analogie zur Sprache oder zu kulturellen Narrationen gedacht werden und welche Aussagekraft des Materials darüber freigelegt wird.“ Stephanie Damianitsch, aus dem Katalog zur Ausstellung

Die Frage nach dem Verhältnis von Material und Sprache stellt Benjamin Hirte mit Ar- beiten, welche an einer Grenzlinie balancieren, die Schrift in reine Visualität kippen lässt und Skulpturen in abstrakte (Schrift-)Zeichen verwandelt. Die verwendeten Materialien nehmen diesbezüglich eine entscheidende Rolle ein. Eindringlichstes Beispiel hierfür ist das vom Künstler selbst entworfene Alphabet, dessen Buchstaben A und E in seiner Installation für das Leopold Museum als Bodenskulpturen ausgeführt sind. Die verwendete PVC-Folie und die Aluminiumplatten evozieren Alltagsgegenstände wie Schwimm- oder Ablauf- becken. Diese sind in Analogie zur sprachlichen Funktion von Hirtes Buchstaben gedacht, die vom Künstler als Sammelbecken unterschiedlichster Bedeutungsebenen angesehen werden. Auch Misha Strojs in Zusammenarbeit mit Michael Hammerschmid entstandene Arbeit Schönheit Is a Verb thematisiert den Zusammenhang von Objekthaftigkeit und Sprache, den Stroj und Hammerschmid in einem mehrmonatigem E-Mail-Dialog erkundeten. Ihre Installation ist Materialisation des Gesprächsverlaufes und tritt damit als Speicher seiner Inhalte in Erscheinung. Schriftliche wie materielle Referenzen zu Inhalten des E-Mail- Dialoges – seien es Bruchstücke aus dem Gespräch oder Hammerschmids Gedichten, Bezüge zu realen Erlebnissen ebenso wie Werke aus der Sammlung des Leopold Museum – sind auf assoziative Weise in die begeh- und lesbare Konstellation verwoben. Gleichzeitig Gedicht wie Skulptur ist diese sowohl nach sprachlichen Parametern „gebaut“ als auch in den Raum „geschrieben“.






  • 21.10.2016 - 30.01.2017
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