Kunst
Selbstjustiz durch Fehleinkäufe. Eine Auswahl der Neuerwerbungen der Sammlung Falckenberg
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Ausstellung06.02.2015
Zum Umsatz der vielen Start-up-Unternehmen im Bereich des Online-Handels für Gegenwartskunst liegen keine zuverlässigen Zahlen vor. Bereits jetzt wird von 1–2 Mrd. Euro gesprochen mit einem Steigerungspotenzial auf 20 Mrd. Euro bis zum Jahre 2020. Hier mag der Wunsch Vater des Gedankens sein. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Fälschungsskandale der letzten Jahre, um nur die Fälle Beltracchi/Köln, Knoedler/New York und die Weigerung des Warhol Estate, weiterhin Echtheitszertifikate auszustellen, zu nennen, wird der freie Online- Handel eher im niedrigen Preissektor liegen. Aber auch das könnte sich ändern, wenn – wie jetzt schon bei Christie’s und Sotheby’s – seriöse Garantien für die Qualität und Echtheit 5 der Arbeiten abgegeben werden. Der Bedarf an allgemein zugänglicher Kunst zu vertretbaren Preisen ist vorhanden, wie die aufsprießenden Messen für „Affordable Art“ belegen. Kunst zum Billigtarif in allen Varianten, nicht nur online, sondern wie in Drogerie- und anderen Massenkonsummärkten: Eine Horrorvorstellung für etablierten Galeristen und Händler, die Hohepriester der Kunstvermittlung, aber doch eine logische Antwort auf ihre Hochpreispolitik.
Tendenziell bleibt festzustellen, dass mit der weltweiten Aufwertung der Gegenwartskunst ein Gegenprozess der Profanisierung und Entwertung eben dieser Kunst eingeleitet ist. Wer will sich schon mit den sintflutartig verbreiteten Abbildungen von Marilyn Monroe, Blumen und Dollarzeichen von Andy Warhol weiter beschäftigen. Das Original zu besitzen, ist nur ein schwacher Trost. Ähnliches könnte schon bald auch für die Überkopf-Darstellungen von Georg Baselitz und die Arbeiten von Francis Bacon oder Lucian Freud gelten. Markenprodukte sind ein wesentliches Kriterium der allgemeinen, insbesondere globalen Wirtschaft. Auf dem Kunstmarkt werden zurzeit nur etwa 50 Künstler mit Millionenpreisen verhandelt. Einerseits geht es um Verknappung, andererseits muss für Nachschub gesorgt werden: Längst haben die Auktionshäuser und die führenden Galerien Showrooms eingerichtet, in denen der bedeutungsvolle Brückenschlag der Tradition zur neuen Kunst präsentiert wird. Nur ein Beispiel die Christie’s-Ausstellung „The Bad Sheppard“ von Herbst 2014 bis Anfang 2015 in ihren Londoner Räumen, wo mit Pieter Breughel, Peter Doig, Jeff Koons, Neo Rauch und anderen eine ungewöhnliche Kombination von etablierten Arbeiten in einen Zusammenhang mit Nicole Eisenman, Sarah Lucas und Thomas Schütte gebracht werden, letztere offenbar die Positionen der Zukunft.
Die Zahlen sind verblüffend. Berücksichtigt man, dass die 25 Top-Galeristen mit einem Gesamtumsatz von ca. 2,1 Mrd. etwa 0,8 Mrd. Euro als Kunsthändler machen, hat der „secondary market“ im Bereich Post-War und Contemporary Art das Galeriegeschäft deutlich überholt. Addiert mit dem Umsatz von 6,5 Mrd. Euro der Auktionshäuser beläuft sich der Sektor des Kunsthandels auf geschätzt 7,3 Mrd. Euro, dem 4,9 Mrd. Euro, wahrscheinlich weniger, für das Galeriegeschäft im „primary market“ gegenüberstehen. Heute macht der Kunsthandel also fast 60 % des Geschäfts mit der Post-War und Contemporary Art aus. Noch erstaunlicher ist vielleicht, dass dieser Sektor weltweit von nur etwa 30 Unternehmen beherrscht wird. 6 Selbstverständlich werden Stimmen nach einer Regulierung des Kunstmarkts laut. Aber das wird erfahrungsgemäß noch weniger klappen als auf dem Finanzmarkt, der ganze Volkswirtschaften in Bedrängnis gebracht hat. Zentrum solcher Überlegungen ist der Stellenwert der Kultur in der Gesellschaft. Beispiel Deutschland stellvertretend für den Rückzug der Politik aus der Kultur in ganz Europa. Die Kunst hat ihre Lobby und sehr kompetente Kulturpolitiker, aber was können sie über gut gemeinte und salbungsvolle (Lippen- )Bekenntnisse in Zeiten der Finanzschwäche bei parallel laufender Konzentration der Wirtschaftsnation Deutschland im Kampf um die Behauptung im globalen Wettbewerb wirklich ausrichten? Da werden von der Landesregierung NRW zwei bedeutende, mit öffentlichen Mitteln erworbene Warhol-Arbeiten versteigert. Der Bund verhandelt in einer Art Geheimverfahren über TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“), das alles andere als eine „partnership“ ist, sondern den freien Handel unter dem Schlagwort der Wettbewerbsverzerrung (keine staatlichen Subventionen für Kunst, keine Buchpreisbindung mehr) zum Totengräber der Kultur in Deutschland machen könnte, wie es der Anwalt Peter Raue jüngst treffend formuliert hat.
Brisant auch die Vorstellung vieler Gemeinden und Länder in Deutschland, ihre staatliche Unterstützung von Kulturinstitutionen zunehmend durch Public Private Partnership zu ersetzen. Weit gefehlt. Große Wirtschaftsunternehmen, z.B. VW bei MoMA und BMW bei Tate Modern, engagieren sich mit respektablen Summen und langfristig, es heißt heute so schön „nachhaltig“, bei internationalen Museen mit hohen Besucherzahlen. Die Manager bestehen darauf, dass die Gegenleistung stimmt. EON verkauft Pollock und Daimler Warhol, als wären das nur Bilanzposten. Ungelöst auch das ganz große Thema der zurzeit noch völlig legalen Ausnutzung von weltweiten Steueroasen und der Möglichkeit vieler Großsammler, Investoren und Spekulanten, ihre Sammlungen über Firmen aufzubauen und in Freilagern, allen voran immer noch die Schweiz mit Genf als Zentrum, zu deponieren. Die Politik bewegt sich nur langsam und schrittweise voran.
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