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Selbstjustiz durch Fehleinkäufe. Eine Auswahl der Neuerwerbungen der Sammlung Falckenberg

Kunst

Die Entwicklung ist unerbittlich und nicht nur vorübergehender Hype, wie einige unerschütterliche Optimisten meinen. Kunst als Religion, und diese These wird nicht nur von Boulevardblättern vertreten, scheint absurd, aber trifft den Nerv einer Gesellschaft, die jenseits der überdrüssigen, demoskopie-geleiteten Machtpragmatik westlicher Politik und der ungelösten weltweiten Kulturkämpfe einen gemeinsamen Nenner in Zeiten der Postmoderne sucht. Es geht um Sinnhaftigkeit und höhere Bedeutung. Im Kunstbetrieb stehen hinter der Verklärung der Kunst zu einer Heilsbotschaft aber Geld, Macht und Ansehen als die harten Währungen. Der Kunstbetrieb ist ein Partizipationsmodell im Sinne der alten surrealistischen Formel Dreams that Money can Buy. Die Traumfabrik Kunst ist – mit großer und kleiner Münze – allen zugänglich. Aber für Spitzenarbeiten werden wie im Sport und Showbiz weiterhin Spitzenpreise bezahlt. Die viel beschworene Blase wird nicht platzen.

Der Künstler hat im Zuge dieser Entwicklung eine enorme Aufwertung bis hin zum Status der Idolisierung erfahren. Aber der Erfolg ist durch die Affirmation des Kunstsystems, die Anpassung an geschmackliche Vorgaben und die Abhängigkeit von Galeristen und Kuratoren teuer erkauft worden. Was Neues und Eigenes schaffen, dagegen, aber doch immer dabei sein,   ist ein Spagat, der nur wenigen gelingt. Zu verzeichnen ist eine Rückkehr der Kunst zum Stil, zum Können, zum Wissen und zu Techniken der lange verpönten Repräsentationskunst. Es sind Bilder und Arbeiten, die politisch korrekt sind, aber kaum eine Chance haben, in die auf Tabubrüche und Grenzüberschreitungen setzenden massenmedialen Netze Eingang zu finden. Stars der Szene sind zweifellos die Künstler, die ihr Kunstschicksal selbst in die Hand nehmen und eigene Institutionen schaffen, die sie mit bezahlten Mitarbeitern lenken und verwalten. Künstler wie Matthew Barney, Olafur Eliasson, Damien Hirst und Jeff Koons stehen für diese Richtung, die an das Modell der Künstlerfürsten vergangener Zeiten anknüpft.

Privatsammler gehören aufgrund ihrer persönlichen Beziehungen zu Künstlern, Galeristen, Auktionshäusern, Museen und Kritikern zu den wichtigen Netzwerkern des Kunstsystems. Aber sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie unter den Bedingungen des Kunstsystems an einem Rollenspiel mitwirken, das nur temporären Charakter hat. Die Museen und anderen Kunstinstitutionen sind mit ihren Ausstellungsprogrammen finanziell und zeitlich so in Anspruch genommen, dass für Aktivitäten im Bereich ihrer Sammlungen wenig Raum bleibt. An kompletten Sammlungen besteht deshalb wenig Interesse; meist sind nur einzelne in die Sammlung der Museen und Institutionen passende Arbeiten und Werkgruppen erwünscht. Die Zurückhaltung der Institutionen ist ein wesentlicher Grund dafür, dass in den letzten Jahren so viele Privatmuseen entstanden sind. Aber auch diese Lösung ist für die große Mehrzahl der Sammler persönlich und finanziell zeitlich limitiert. Der Traum so vieler, sich mit ihrer Sammlung ein Denkmal zu setzen, dürfte von wenigen Ausnahmen abgesehen ausgeträumt sein.

Das Ergebnis dieser Untersuchung ist ernüchternd – was nicht das Schlechteste sein muss. Kunst ist ein Spiegel der Gesellschaft. Jede Zeit hat die Kunst, die sie verdient. Wir sehen professionelle Geschäftemacher, Spekulanten, verführte Sammler und erschöpfte Künstler. Kunst als Gegenmacht? Seit Beginn der 60er Jahre wird der Kampf gegen das Subjektive gefochten. Das heutige Kunstsystem hat vielfältige Formen der Abhängigkeit und Manipulation bis hinunter zum Boulevard entwickelt. Es erscheint unabweisbar, den Künstler als Subjekt und Person des Widerstands neu zu entdecken. Und das durchaus auch im Sinne der so lange verdrängten politischen Kunst. Wie fragil die politischen Systeme sind, offenbaren die vielen Freiheitskämpfe und Revolten der heutigen Zeit. Das mächtige China weiß sich gegen Ai Weiwei nur durch Hausarrest zu wehren. Kurioserweise hat man ihm das Handy und den Zugang zum Internet wohl in der Hoffnung gelassen, dass irgendwann ihm niemand mehr zuhört und er zu einer bloßen Fiktion wird. Weiwei gebührt mit seinem wagemutigen politischen Protest höchste Achtung und doch ist er längst in das marktorientierte und finanzielle System der internationalen Kunst eingebunden. Seine Arbeiten werden zu Höchstpreisen verhandelt. Auf der Biennale in Venedig 2013 wurde er im französischen Pavillon als deutscher Beitrag im Austausch zum französischen Beitrag des albanischen Künstlers Anri Sala im deutschen Pavillon ausgestellt. Es heißt, dass dieser Deal von deutschen und französischen Staatssekretären ausgehandelt wurde, selbstverständlich unter maßgeblicher Übernahme der Kosten. Mit freier Kunst hat das wenig zu tun.

Mir liegt es fern, Kunst in Kategorien der Haltung, Authentizität, Kreativität, ja selbst der Autonomie und Freiheit zu definieren. Es sind Leerformeln des immer Neuen, die nur im Kontext der Geschichte, wie sie beispielhaft für die Entwicklung der Nachkriegskunst skizziert wurde, Bedeutung gewinnen. Schon gar nicht steht es mir zu, für andere Sammler, die ganz andere Ausgangspunkte und Interessen haben, zu sprechen. Der Fokus meiner Sammlung liegt in den Bereichen der Counter Culture und Conceptual Art. Ich bin dabei, diese Positionen mit dem Schwerpunkt multimedialer Kunst, insbesondere der Fotografie, weiter auszubauen. Das immer wieder behauptete Ende der Kunst wird nicht stattfinden. Die Artworld ist für immer neue Entwicklungen offen. Auch bei kritischer Sicht muss sich jede ernstzunehmende Sammlung dieser Herausforderung stellen.

Harald Falckenberg, Februar 2014








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