Sonderauktion
Sonderauktion Nachlass Prof. Dr. Kurt Liebermeister
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Auktion19.05.2010
Silber
In dieser Abteilung glänzen insbesondere Arts-and-Crafts-Pokale und -Schalen von Charles Robert Ashbee. Zu den in der Auktion angebotenen musealen Stücken zählen etwa eine einhenklige Weinprobierschale, ausgeführt von der Guild of Handicraft im Jahr 1902 für 2.000 bis 2.300 Euro oder eine Doppelhenkelschale von 1902 für 3.500 bis 3.800 Euro. Ein Kaffee-/Teeservice mit zylindrischer Wandung aus Frankreich mit Ebenholzgriffen und -knauf (um 1930) wird bei 2.500 bis 2.800 Euro aufgerufen. Namen wie Josef Maria Olbrich, Georg Jensen oder Puiforcat ergänzen die Reihe prominenten Schöpfer edler Metallerzeugnisse. Nach einem Entwurf von Joseph Maria Olbrich wurde etwa eine hohe, konische Weinkanne um 1901 gefertigt, die nun auf 2.800 bis 3.200 Euro taxiert ist. Ein qualitativ herausragendes vergoldetes Tintenfass „pavot" (1900/01, Höhe 6,5 cm; Taxe 6.000-7.000 Euro) mit einem Deckel in Form einer Mohnkapselnarbe stammt von Eugène Feuillatre. Die umlaufenden zarten Pfauenfedern sind in grün-blauem Cloisonné-Email aufgebracht.
Schmuck
Beim Schmuck brillieren zwei um 1900 geschaffene Broschen von Léopold Gautrait, einmal in Form eines Pfaus, der üppig mit Diamanten und Edelsteinen besetzt ist (Taxe 2.000 - 2.500 Euro) sowie ein Anstecker in Form von Kastanienzweigen aus Gold mit Brillanten (Taxe 2.500 - 2.800 Euro). Interessant ist auch eine einem Reiher nachempfundene silberne Gürtelschließe von Monvel (um 1900, Taxe 600 - 800 Euro).
Bildende Kunst
Als teuerstes Werk der Sammlung wird ein herausragendes Ölgemälde des englischen Malers John Roddam Spencer Stanhope versteigert: „Andromeda" (um 1870, Taxe 180.000 - 200.000 Euro). Der Kontrast des Körpers Andromedas zum dunklen Hintergrund betont die Konturen, was den Sammler als Hinweis auf den Jugendstil zum Kauf des Bildes bewogen haben kann. Die Geschichte der Andro-meda, die an einen Felsen gefesselt und von Perseus befreit wurde, war in der viktorianischen Ära ein beliebter Vorwand für den weiblichen Akt; Stanhopes Darstellung lässt jedoch durchaus Raum für zweideutige Interpretationen. Mit Motiven aus der griechischen Mythologie etablierte sich Stanhope (1829-1908) in der Nachfolge der Präraffaeliten als Vertreter der viktorianischen Malerei des Klassizismus. Er studierte u.a. bei Edward Burne-Jones, war mit Dante Gabriel Rossetti befreundet.
Auch eine delikate Bleistiftzeichnung von Edward Burne-Jones (1833-1898) hatte Liebermeister erworben; der war als Vertreter der Präraffaeliten und Wegbereiter des Symbolismus einer der bedeutendsten Maler Englands in seinem Jahrhundert. „The Rock of Doom and The Doom fulfilled", „Der Schicksalsfelsen - Die Erfüllung des Schicksals" (1875, Taxe 8.000 - 12.000 Euro) beschäftigt sich ebenfalls mit der Befreiung der Andromeda. Zur Ausstattung des Wohnsitzes des späteren Premierministers Arthur Balfour schuf Burne-Jones einen „Perseus-Zyklus"; die Zeichnung gilt als bildfertiger Kompositionsentwurf. In rhythmischem Auf und Ab verlaufen die Konturen der manieriert überlängten Figuren, die Strichführung sorgt für Stilisierung. Insgesamt dominiert die dekorative Form über den Inhalt und erweckt den Eindruck einer kühl kalkulierten Komposition, die sehr modern wirkt.
Im Nachlass des Sammlers fanden sich zudem Werke von Max Klinger, darunter das Gemälde „Nereiden in großer Muschel" (um 1884, 56 x 230 cm). Das auf 15.000 bis 20.000 Euro geschätzte Querformat ist Teil eines Auftrages des Gerichtsreferendars Julius Albers zur Gestaltung des Vestibüls seiner Villa in Berlin-Steglitz. Der Künstler übernahm die komplette Dekoration des Raumes und schuf unter anderem vierzehn Gemälde für den Eingangsbereich. Der reizvolle Kontrast sinnlicher Motive zu den streng klassizistischen Bauformen fand großen Beifall bei den Zeitgenossen. Nach dem Verkauf der Villa gelangte die Ausstattung in verschiedene Sammlungen, darunter die von Klingers Freund und Bewunderer Alfred Lichtwark sowie in die Berliner Nationalgalerie.