Königstein/Taunus, März 2006 – Eine bemerkenswerte Landkarte ist in einem 1505 veröffentlichten Bericht über den sechs Jahre zuvor von Vasco da Gama entdeckten Seeweg nach Indien enthalten, der den "rechten Weg von Lissabon nach Kalikut" weisen will: Sie dürfte eine der ersten sein, auf der der gesamte afrikanische Kontinent abgebildet ist. Ein Exemplar dieser Rarität kommt im April bei Reiss & Sohn in Königstein/ Taunus unter den Hammer und soll 8.000 Euro einbringen.

Vom 25. bis 28. April werden in Königstein wieder Sammler und Händler aus aller Welt erwartet, wenn das Auktionshaus Reiss & Sohn seine diesjährigen Frühjahrsauktionen wertvoller Bücher, Handschriften, Landkarten und Ansichten veranstaltet. Mehr als 4.200 Positionen kommen zum Ausruf, die in zwei reich illustrierten und kommentierten Katalogen verzeichnet sind.

Zu den herausragenden Objekten zählt das "Theatrum" des flämischen Kartographen Abraham Ortelius: der erste moderne "Atlas" im heutigen Sinn. Ein zeitgenössisch koloriertes Exemplar der französischen Ausgabe von 1598 ist mit einem Schätzwert von 75.000 Euro aufgeführt. Die erste, 1472 in Augsburg gedruckte Weltkarte zeigt nur Europa, Afrika und Asien. Sie erschien in dem Werk "Etymologiae“ des Isidorus Hispaliensis, das 27 Jahre nach Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks und 20 Jahre vor der Entdeckung Amerikas von dem Augsburger Günther Zainer gedruckt wurde. Das bei Reiss & Sohn angebotene Exemplar hat einen Schätzwert von 40.000 Euro.

Ein Meilenstein anderer Art ist Lewis Carrolls 1866 erschienener Kinderbuchklassiker "Alice in Wonderland". Die erste mit dem Einverständnis des Autors veröffentlichte Ausgabe, geschmückt mit den kongenialen Illustrationen von John Tenniel, wird für 3.600 Euro angeboten. Unter den illustrierten Werken der Moderne fällt besonders die Vorzugsausgabe von "L'Hospital de Santa Creu" ins Auge, der eine signierte Originalradierung von Pablo Picasso beigegeben ist (3.000 Euro).

Überaus umfangreich ist die Abteilung "Alte Drucke". Mehr als 400 Druckerzeugnisse des 15. und 16. Jahrhunderts werden angeboten, überwiegend in zeitgenössischen Einbänden. Laurentius Fries' Begleitbuch zu dem einzigen erhaltenen Exemplar seiner großen Wandkarte der Welt, der "Charta Marina", ist mit 75.000 Euro taxiert. Unter den vielen wertvollen Werken finden sich auch die 1481 in Florenz gedruckte erste illustrierte Ausgabe von Dantes "Commedia" (25.000 Euro), die berühmte Schedelsche Weltchronik (24.000 Euro) und eine von Sebastian Münster edierte Ausgabe der antiken Kosmographien von Solinus und Mela aus dem Besitz der venezianischen Adelsfamilie Morosini (10.000 Euro).

Mit prachtvollen naturgeschichtlichen Tafelwerken wartet das Kapitel "Botanik und Zoologie" auf. Dort finden sich Buchoz' 1775-81 in Paris und Amsterdam gedruckte "Centuries de Planches" (25.000 Euro) sowie die 1826-1833 erschienenen "Plantarum Brasiliae icones" von J. E. Pohl, der die Botaniker Spix und Martius auf deren Brasilienreise begleitet hatte (18.000 Euro). Eines der schönsten Vogelbücher ist Goulds fünfbändiges Prachtwerk "The Birds of Great Britain", das für 60.000 Euro angeboten wird.

Auch in den geographischen Kapiteln finden sich außergewöhnliche illustrierte Werke. Eine kolorierte Luxusausgabe von Edward Dodwells "Views in Greece" (London 1821) soll 25.000 Euro erzielen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts schufen Johann Christian Reinhart, Albert Dies und Jakob Mechau prachtvolle Radierungen italienischer Landschaften. Die vollständige Folge von 72 Originalradierungen wird für 10.000 Euro angeboten. Das wohl schönste Werk über die Indianer Amerikas ist die "History of the Indian tribes" von T. L. McKenney und J. Hall (15.000 Euro). Eine ganz andere Ästhetik wird in chinesischen und japanischen Holzschnittbüchern geboten. Hier finden sich u.a. sechs Bände aus dem berühmten "Hasshu Gafu" (8.000 Euro) und ein "Spiegel des Essens und Trinkens" des Ukiyo-e-Künstlers Utagawa Kunisada (6.000 Euro).

Unter den fast 100 Atlanten sind insbesondere die seltenen Seeatlanten erwähnenswert, darunter der berühmte "Neptune François" in einem nicht ganz vollständigen Exemplar (25.000 Euro), ein Sammelatlas mit holländischen Seekarten (10.000 Euro) und Waghenaers "Speculum nauticum" (Leiden 1586), ein epochemachendes Werk in der Geschichte der nautischen Kartographie, für das 40.000 Euro erwartet werden. Dass die berühmte Seekartenoffizin von Gerard van Keulen auch echte "Landkarten" herstellte, beweist die "Carte de la Nouvelle France" (10.000 Euro). Zwei weitere Höhepunkte in der Graphikabteilung stellen die beiden vollständigen Folgen der Welt- und Kontinentkarten von Carel Allard (6.000 Euro) und Mercator-Hondius (12.000 Euro) dar. Besondere Erwähnung verdienen die vielen seltenen Einblattdruckkarten, darunter eine Ansicht der Belagerung von Nikosia aus der halben Vogelschau (5.000 Euro), eine Europakarte von Jodocus Hondius (3.000 Euro), die um 1690 entstandenen Karten Sandrarts von Polen (1.500 Euro) und Russland (1.200 Euro), eine 1701 in Nürnberg gedruckte Karte von Oberitalien (1.200 Euro) und eine interessante "Meilenscheibe" von 1629, die dem geneigten Reisenden die Reiseentfernungen von Augsburg aus anzeigt und mit dekorativen kleinen Ansichten der Zielorte geschmückt ist (2.800 Euro).

Auch die ortsansässigen Sammler kommen bei der Auktion nicht zu kurz. So werden neben einer schönen Aquatinta-Ansicht der Stadt Königstein (1.800 Euro) für 200 und 250 Euro zwei aquarellierte Pläne von Königsteiner Besitzungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angeboten, auf denen sich die Namen vieler bekannter Königsteiner Familien finden.

Die reich illustrierten Kataloge sind ab Ende März im Internet abrufbar. In gedruckter Form können sie gegen eine Schutzgebühr bestellt werden.