Belvedere
Sammlung Thyssen-Bornemisza an das Belvedere
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Presse21.05.2013
Francesca Habsburg
Wien, am 12. April 2013
Wie jeder lebendige Organismus ist eine Kunstsammlung den Gesetzen von Wachstum, Veränderung und Anpassung unterworfen. Sie durchläuft eine Art Metamorphose. Die Vielseitigkeit der Sammlung meines Vaters bedeutet eine fortwährende Verpflichtung, die ich ihm gegenüber eingegangen bin und die darin besteht, einem stetig wachsenden kunstinteressierten Publikum vor Augen zu führen, was für ein bedeutender Sammler er war. Das gilt auch für die Gruppe der Gemälde der Moderne aus der Sammlung Thyssen- Bornemisza, die als langfristige Leihgabe für das Belvedere bestimmt ist.
Mein Vater, der 1947 von seinem Vater eine großartige Sammlung von Alten Meistern und Objekten angewandter Kunst geerbt hat, hat die Sammlung nicht nur erweitert, indem er herausragende Beispiele deutscher, niederländischer und italienischer Altmeistergemälde erworben hat, sondern er ist auch in neue Bereiche – die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts – vorgedrungen. Diese Neuorientierung setzte Anfang der 1960er-Jahre ein, als er begann, moderne Kunst zu sammeln. Von da an erweiterte er das Spektrum der Sammlung mit seinem bereits damals sagenhaften Spürsinn für überragende Qualität, wobei er alle wichtigen Strömungen der klassischen Moderne mit einbezog. 1961 erwarb er zum ersten Mal ein Werk aus dem 20. Jahrhundert, das Aquarell Junges Paar des deutschen Malers Emil Nolde (das sich ebenfalls unter den Leihgaben für das Belvedere befindet). Der deutsche Expressionismus beeindruckte ihn nicht nur wegen seines künstlerischen Stellenwerts, sondern auch aufgrund des historischen Kontexts, in dem er sich entwickelt hat. Was meinen Vater interessierte, waren die menschlichen Werte, die in diesen Gemälden zum Ausdruck kommen, das Zeugnis, das sie ablegen. Er baute eine bemerkenswerte Sammlung auf, eine der besten ihrer Art. Er sammelte auch viele Bilder, die Frauen und Landschaften zeigen, welche immer zu seinen Lieblingsthemen gehörten. Ich erinnere mich besonders gerne an ein Gemälde von Nolde mit dem Titel Sommerwolken, das über der Bar in der Villa Favorita hing. Nachdem mein Vater ein paar Mal zur Bar gegangen war, um Getränke zu holen, meinte er, er könne tatsächlich sehen, wie sich die Wolken bewegten!
Diese besondere Faszination für den deutschen Expressionismus regte ihn allmählich dazu an, Kunstwerke anzukaufen, welche die gesamte Bandbreite der klassischen Moderne umfassten. Dabei lagen seine Schwerpunkte auf dem Impressionismus und dem Postimpressionismus sowie auf der europäischen Malerei der Wende zum 20. Jahrhundert und der russischen Avantgarde.
Ich bin sehr stolz, dass dem Belvedere nicht nur die erste Erwerbung meines Vaters auf diesem Gebiet, sondern auch eine seiner letzten als Leihgabe anvertraut wird: das Gemälde Les Oliviers von Vlaminck. Besonders ans Herz gewachsen ist mir eine weitere der Belvedere- Leihgaben, Noldes Blumengarten. Mein Vater fühlte sich zu diesem Gemälde immer sehr hingezogen und nahm es sogar mit, als er nach Madrid zog, wo es immer bei uns zuhause hing. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Gemälde nie Teil der öffentlichen Sammlung waren, die an das Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid ging. Der Grund dafür war vor allem, weil sich mein Vater weiterhin in seinem privaten Umfeld daran erfreuen wollte. Sie bedeuten mir also umso mehr, weil sie immer zu den Heimstätten gehörten, wo ich die gemeinsame Zeit mit meinem Vater so genoss. Ich fühle mich diesen Bildern sehr verbunden, und es ist mir eine Ehre, dass sie über den Zeitraum mehrerer Jahre in der Sammlung der Moderne des Belvedere integriert sein werden. Denn mein Vater hat mich etwas sehr Wichtiges gelehrt: Kunstwerke werden nicht zum ausschließlichen Privatvergnügen eines Einzelnen geschaffen, sondern um sie mit einer breiteren Öffentlichkeit zu teilen.
Im Einklang mit dieser Haltung reisten verschiedene Teile seiner Sammlung ab dem Jahr 1960 um die Welt, und ein großes Leihgabenprogramm wurde gestartet. Ausstellungen zur klassischen Moderne und insbesondere zum deutschen Expressionismus waren ab den 1980er-Jahren weltweit zu sehen. Ich teile diese Einstellung meines Vaters und habe deshalb das Angebot von Agnes Husslein-Arco, die Bilder in den prächtigen Räumen des Belvedere auszustellen, mit Begeisterung angenommen. Auch ich werde mich hier daran erfreuen können, gemeinsam mit dem großartigen Publikum, welches das Belvedere Jahr für Jahr mit seiner wunderbaren Sammlung anzieht. Ich kann mir keine bessere Art vorstellen, das Andenken und den Ruf meines Vaters lebendig zu erhalten, was mir am allerwichtigsten ist!
KÜNSTLERLISTE Alexej von Jawlensky Ernst Ludwig Kirchner Gustav Klucis František Kupka Fernand Léger August Macke André Masson Edvard Munch Emil Nolde Karl Schmidt-Rottluff Arthur Segal Gino Severini Marie Vassilieff Maurice de Vlaminck
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