Bayerisch bis
Bayerisch bis exotisch 60 Kunsthändler auf Münchens populärster Kunst- und Antiquitätenmesse
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Messe10.04.2010 - 18.04.2010
Sie gelten als Raritäten auf dem Kunstmarkt: Franz Anton Bustellis Nymphenburger Rokoko-Figuren aus dem 18. Jh. Mit der Figur eines Fischers, die zu Lebzeiten Bustellis entstand, wird der Porzellanhändler Frank Oberacker aus Wiesbaden eines der Highlights der 82. Kunst & Antiquitäten München, die vom 10. bis 18. April stattfindet, auf den Nockherberg bringen.
Die münchnerisch-bayerische Note hat von jeher den Charme dieser Messe ausgemacht. Eine höfische Münchner Kommode von 1740 bei Stefan Jordan (München), zu der Vergleichsstücke im Bayerischen Nationalmuseum und in der Residenz in Bayreuth existieren, sowie eine süddeutsche „Rundumversicherung“, ein sogenannter klösterlicher Wettersegen aus dem 18. Jh. mit mehr als 100 Schutzheiligen bei Roderich Pachmann verdeutlichen das breite Spektrum. Ihre überregionale Attraktivität aber bezieht die Messe aus der Mischung von Hochkarätigem, Liebehaberstücken und Kuriosa. Musealen Rang hat unbestreitbar bei Brigitte Martini aus Landsberg Max Liebermanns Ölstudie von 1884 für seine bahnbrechenden „Netzflickerinnen“ und bei Keul & Sohn aus Wiesbaden ein seltener Dresdner Aufsatzsekretär von 1750.
Etwa 60 Aussteller präsentieren sich traditionell auf der größten süddeutschen Regionalmesse. Und diese Aprilwoche verspricht eine Zeit des Entdeckens zu werden. Biedermeierhändler Axel Schlapka, München, offeriert einen Sekretär aus Berchtesgaden und einen zweitürigen Schrank, dessen Schubläden einst eine Schmetterlingsammlung verwahrten. Beides aus ehemaligem Wittelsbacher Besitz. Ein Hauch von Renaissance umweht bei „L´Art de vivre“, München, einen süddeutschen Halbschrank des 17. Jh. mit Architektur-Front. Inventar historischer Luxusdampfer und Hotels gibt es bei Wanders-Antiquitäten, Hamburg, zu deren Prunkstücken ein Art Déco-Champagnerkühler aus dem legendären Casino Municipal in Cannes gehört. Meissner Vierjahreszeitenfiguren von 1750 offeriert der Hamburger Johannes Ofner, Delfter Fayencen und ein Ansbacher Enghalskrug mit Vögelesdekor aus dem 18. Jh. ist bei Schmidt-Felderhoff, Bamberg, zu haben, und mit einer Farblithografie von Henri Matisse, die 1947 als Plakat für das Fremdenverkehrsamt Nizza gedacht war, überrascht das Kunstkabinett Strehler aus Sindelfingen. In die Welt der Wunderkammern entführt Peter Wachholz, München, mit einem Memento-mori-Elfenbeinschädel aus dem 18. Jh. und einer Florentiner Pietra-Dura-Arbeit um 1700. Auf keiner anderen Messe Deutschlands ist ein vergleichbares Angebot an historischen Musikinstrumenten zu finden. Dr. Gunther Joppigs (München) Hauptstück ist diesmal eine seltene Bassklarinette aus der Bayreuther Werkstatt Simon Stengel, die speziell für die Opern Richard Wagners entwickelt wurden.
Dass nicht nur das Alter den Wert einer Antiquität bestimmt, zeigen Jugendstilglas-Galerie Zeisner (Aach), der Münchner Art-Déco-Spezialist Luis Fernando Arens und die auf Kunsthandwerk und Möbel der Klassischen Moderne eingestellte Galerie „Brigantine 1900“, München. Ein Bibliothekstisch von Carlo Bugatti, ein Ohrenbackensessel von Josef Hoffmann, das blau dekorierte Meissner Kaffeeservice, das Richard Riemerschmid 1903/05 entwarf, und eine von Josef Hoffmann entworfene Gürtelschließe der Wiener Werkstätte, von der lediglich 24 Stück ausgeführt wurden, sprechen für das Niveau dieser Galerie. Ein anderes exzeptionelles Stück der Messe ist ein 40-karätiger, russischer Aquamarinanhänger von 1895/1910 beim Münchner Schmuck- und Uhrenhandel Linckersdorff. Unnachahmlich in seiner Farbigkeit, denn die Mine im Ural ist seit Jahrzehnten erschöpft.
In Sammlerstücke und dekorative Blätter unterschied man von jeher japanische Farbholz-schnitte. Seltenheitswert hat eine vollständige Serie von 56 Ansichten der „Ostmeerstraße“ von Utagawa Hiroshige bei Shigeko Yoneda aus München, die zum ersten Mal auf dem Nockherberg ausstellt. Ein Blatt, das Kennerherzen höher schlagen lässt, hält die – ebenfalls auf japanische Holzschnitte spezialisierte – Galerie Lörcher (Aystetten) bereit: „Paar in einem Garten“ (1770) von Komai Yoshinobu, von dem selbst das Nationalmuseum Tokyo nur drei Motive besitzt.
Hohe Qualität auch unter den Gemälden. Von dem Niederländer Arnold Boonen offeriert Kunsthandel Nikolaus Fink (München) ein Herrenporträt von 1696. Das spätexpressionistische Gemälde „Fischer beim Beladen eines Bootes“ des Berliner Sezessionisten Bruno Krauskopf ist hingegen bei der Galerie Peter Wall (Insel Sylt) zu haben.
Neueinsteiger im doppelten Sinne ist Daniel Becht. Im Dezember 2009 eröffnete er sein Geschäft in Bamberg, jetzt stellt er das erste Mal auf der „Kunst & Antiquitäten München“ aus. Möbel des Barock und Klassizismus, kombiniert mit zeitgenössischem Kunsthandwerk, heißt sein Konzept. Ein Tisch von dem Mainzer Schreiner Philipp Anton Bembé verdeutlicht seinen hohen Anspruch. Zu den Erstausstellern zählen weiterhin die Österreicher Marcus Strassner aus Schärding und Matthias Kindler aus Graz. Eine Brücke zwischen Historischem und Zeitgenössischem zu schlagen, versucht auch die Skulpturenhändlerin Beatrice Benito-Metz. Sie stellt einem Heiligen Sebastian aus dem 17. Jh. modern bemalte, chinesische Terrakottakrieger des Duos Liu Fenghua & Liuyong gegenüber.
(82. Kunst & Antiquitäten München, 10. bis 18 April 2010, im Festsaal des Paulaner am Nockherberg, Hochstr. , tägl. von 11 - 19 Uhr, Mi. bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt: 9 Euro, erm. 6 Euro; http://www.kunst-antiquitaeten.de )