Sammlung Klüser
VON TIEPOLO BIS WARHOL
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Ausstellung16.03.2014 - 29.06.2014
Doch auch aus dieser Epoche scheinen insbesondere Künstler Eingang in die Sammlung gefunden zu haben, die mit dem Medium der Zeichnung neue Wege beschritten. Kommen die aquarellierten, offenen Landschaftsstudien des Münchner Umlandes von Franz Kobell, wie Peter Prange in seinem Katalogbeitrag hervorstreicht, „in ihrer nahsichtigen Ausschnitthaftigkeit und tonigen, an Negative erinnernder Farbigkeit bereits zu ähnlichen Ergebnissen wie die frühe Fotografie“, erweitert Philipp Otto Runge die Zeichnung um die Kunst des Scherenschnittes. Mit seinen Scherenschnitten zielte er darauf ab, das Wesen der Dinge im Sinne des platonischen Urbildes einzufangen. Die Idee, mit der Kontur die Essenz eines Gegenstandes zu umreißen, findet schließlich in der Kunst der Moderne mit den präzisen Umrisszeichnungen Henri Matisses und Pablo Picassos ihren Widerhall. Erneut wird deutlich, wie die transhistorischen Zusammenhänge innerhalb der Sammlung, die sich dem an zeitgenössischer Kunst geschulten Blick von Bernd und Verena Klüser verdanken, durch die gesamte Ausstellung wirken.
So verweisen auch die Zeichnungen Victor Hugos, die im Zentrum des, der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts gewidmeten Ausstellungsbereichs mit Werken von Théodore Géricault, Eugène Delacroix bis Paul Cézanne und Paul Gauguin stehen, inhaltlich wie medial weit über ihre Zeit hinaus. Nicht nur erschließen seine beinahe abstrakten, mit Gänsekielen, Schablonen oder den eigenen Fingern aufgetragenen, in der Tradition der Klecksografie stehenden Bildkompositionen die „Panoramen menschlicher Abgründe“. Wie Hermann Mildenberger in seinem Katalogbeitrag ebenso ausführt, ließen ihn seine „formalen Neufindungen und explosiven Erweiterungen des zeichnerischen Formenrepertoires [...] retrospektiv zu einem gefeierten Bahnbrecher der Kunst der Moderne werden“.
„Die für die Zeit unglaublich modernen Arbeiten auf Papier von Victor Hugo aus der Sammlung Klüser stehen hier exemplarisch für einen Paradigmenwechsel, eine differenziertere und transformierte Auffassung der zeichnerischen Spur. So dient die Zeichnung zunehmend als Experimentierfeld, als wahrnehmungserweiterndes Laboratorium für nicht mehr ausschließlich linienfixierte, sondern über die Zeichnung hinaus wirkende, flächenstrukturierende, abstrakte und fragmentierte Darstellungsformen.“ Hans-Peter Wipplinger, aus dem Katalog zur Ausstellung
In der Kunst der Moderne und Gegenwart bedingte dieser Paradigmenwechsel, dass die Zeichnung vielfältigen Erweiterungen und Transformationen unterzogen wurde. Diese können an Werken so unterschiedlicher Künstler wie Auguste Rodin, Ernst Ludwig Kirchner oder Henri Matisse über Pablo Picasso sowie Alberto Giacometti bis zu Andy Warhol und Sean Scully in ihrer ganzen Diversität nachvollzogen werden.
Insbesondere Joseph Beuys, dessen Werk innerhalb der Sammlung Klüser einen zentralen Stellenwert einnimmt, entwickelte ab den 1950er-Jahren eine umfassende wie weitreichende Neudefinition des Mediums. Er begriff die Zeichnung nicht nur als ästhetischen Ausdrucksträger, sondern auch als philosophische Denk- und politische Äußerungsform. Seine in zarten, vibrierenden Strichen festgehaltenen Strukturen und Motive untersuchen ebenso wie die Verwendung kunstferner, die Kompositionen nachträglich verändernde Materialien – unter anderem Fett oder Honig – Energie- und Formzusammenhänge sowie Prozesse der Metamorphose. Damit spiegeln die Zeichnungen seinen Wunsch wider, starre, kategorisierende Denkformen aufzulösen.
Die in der Ausstellung präsenten, abstrakt arbeitenden Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg wie Wols, Asger Jorn, Robert Motherwell sowie Blinky Palermo teilten mit Beuys das Bestreben, mit ihrer Kunst eine neue Form universaler Äußerung zu etablieren. Beuys Arbeit an der Geschichte hingegen, welche über das Aufgreifen archetypischer und mythischer Chiffren eine Auseinandersetzung mit gesellschafts- politischen Fragen der Gegenwart anstrebte, findet in den gezeigten Arbeiten von Jannis Kounellis sowie jenen der Transavanguardia-Künstler Enzo Cucchi und Mimmo Paladino eine geistige Parallele, die bis in die Kunst der Gegenwart nachwirkt.
„[...] die so differenten Zeichnungen von Beuys, Kounellis, Cucchi oder Paladino (verdeutlichen) ein Bewusstsein dafür, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit stets in den jeweiligen kulturellen Kontext eingebunden ist. Dass dieses Thema, vor allem die jüngste Künstlergeneration in ihrer Arbeit beschäftigt, führen innerhalb der Ausstellung nicht nur Arbeiten Julião Sarmentos sowie Bernardí Roigs mit ihren Referenzen zu Kunstgeschichte und Literatur vor Augen. Vor allem in den Werken Jorinde Voigts offenbart sich die Zeichnung als seismografisches Medium, das in direktestem Kontakt zu den kulturellen Grundlagen der eigenen Wahrnehmung und Gedankenwelt wie zu den geistigen, intellektuellen Strömungen der Zeit steht.“
Stephanie Damianitsch, aus dem Katalog zur Ausstellung
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16.03.2014 - 29.06.2014
Öffnungszeiten:
Di - So und Mo wenn Feiertag 10.00 bis 18.00 Uhr
TICKETPREISE
Erwachsene € 10,00
Ermäßigt € 9,00