Digitalen Kunst
Kerstin Brätsch. Innovation
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Ausstellung25.05.2017 - 17.09.2017
„Kerstin Brätsch. Innovation“ ist die erste Überblicksausstellung der in Hamburg geborenen und in New York lebenden Malerin. In Brätschs Schaffen verbinden sich die Einflüsse des Digitalen auf einzigartige Weise mit einer Reflexion über kunsthistorische Traditionen. Ihr ebenso vielseitiges wie konsequentes Werk pendelt zwischen konzeptueller Analyse der Malerei und einer Hingabe an malerische Prozesse. Mit rund 60 großformatigen Malereien auf Papier, Polyesterfolie und in Marmoriertechnik, über 40 handgefertigten Glasarbeiten, zahlreichen Videos, zwei Diaprojektionen, einer großen Installation sowie mehreren raumbezogenen Eingriffen, gewährt die Ausstellung erstmals einen umfassenden Einblick in die malerische Praxis der Künstlerin von 2006 bis heute.
Kerstin Brätschs Bilder spiegeln den Druck, dem sich das Medium Malerei durch die zunehmende Dominanz digitaler Technologien ausgesetzt sieht. Bilder werden im Digitalen zu reinen Oberflächen, die sich auf verschiedenste Trägermaterialien ausbreiten können und mit zunehmender Geschwindigkeit zirkuliert werden. Gerade in den Werkserien „New Images / Unisex“ (2008/09) und „FürstFürst“ (2009), die auf digitalen Entwürfen der Künstlerin Adele Röder basieren (mit der sie 2007 DAS INSTITUT gründete), reagiert Brätsch auf diese Veränderung. Die Malereien evozieren technische Motive, Bildwelten des Designs oder der Unternehmensbewerbung. Dabei bringt sie die Materialität der Malerei – die unausweichliche Körperlichkeit von Farbe und Bildträger – in Stellung gegen die Flüchtigkeit digitaler Bilder.
Darüber hinaus schlägt Brätsch durch gezielte Bezüge zu alternativen kunsthistorischen Genealogien eine neue Perspektive auf die (männlich dominierte) Geschichte der modernen Malerei vor. Deutlich wird dies in ihrer Beschäftigung mit den metaphysischen Strängen der Abstraktion sowie den animistischen Qualitäten von Malerei, beispielsweise in den Münzbildern der „Stars and Stripes“-Serie (2009-2012), die die Künstlerin als „Wunschbrunnen“ beschreibt. Für die „Psychic“-Serie (dt. Hellseher, 2006-2008), die während ihres Studiums an der Columbia University in New York entstand, suchte sie zahllose Wahrsagerinnen auf. Deren Persönlichkeitsdeutungen bildeten den Ausgangspunkt für die Darstellungen übergroßer Gesichter. Dort wo einem üblicherweise Augen, Nase und Mund begegnen, finden sich in den „Psychics“ mit abstrakten Mustern und Schattierungen gefüllte Leerstellen, die zu Projektionen einladen. Für Brätsch verbildlichen die „Psychics“ Energieformen oder „Power Heads“, die den Blick des Betrachters erwidern sollen. Kerstin Brätsch unterläuft nicht nur Erwartungen an die Bildgattung Porträt, sondern formuliert auch ein zentrales Thema ihres Schaffens: das Verhältnis von Malerei und Subjektivität – eine Koppelung, die sie in ihren Arbeiten aufweicht, destabilisiert und bisweilen parodiert.
Exemplarisch hierfür ist ein zentrales Motiv von Brätschs Bildern: der abstrahierte Pinselstrich. Sie vergrößert und isoliert den Pinselstrich, verwandelt ihn in ein Abbild seiner selbst und lässt ihn durch verschiedene Werkgruppen wandern. Er wird zum Repräsentanten einer Subjektivität, die sich ihrer Grundlagen nicht sicher sein kann. Brätsch nutzt den Pinselstrich wie ein digitales sample, das endlos kombiniert werden und in der additiven Kombination die unterschiedlichsten Formen annehmen kann. So verwandeln sich die Pinselstriche in den „Blocked Radiant (for Ioana)“-Bildern (2011) in Gestrüpp, Klauen, Skelette, zeigen sich aber auch als rein abstrakte Muster und Strukturen. Die „Interchangeable Mylar (3 parts)“ (seit 2012), Malereien auf Polyesterfolie, bestehen aus je drei Lagen. Diese lassen sich, mit unterschiedlichen visuellen Ergebnissen, immer neu kombinieren. Damit verlieren der Pinselstrich – und die Malerei – ihre Permanenz und Stabilität.
2012 beginnt die Künstlerin ihre Pinselstriche mithilfe des Glasmalermeister Urs Rickenbach in aufwändiger Handarbeit in Glas zu übersetzen. Sie verleiht einem Element, das konzeptionell eng an den körperlichen Ausdruck beim Malen gebunden ist, einen realen, materiellen Körper, der in seiner Transparenz jedoch echte Körperlichkeit zu negieren scheint. Diese Ambivalenz wird in den jüngsten Antikglas-Arbeiten fortgeschrieben. Sie bemalt die Gläser und lässt nach ihren Entwürfen Fragmente von Kirchenfester-Bordüren, Glassteine oder Achatscheiben einsetzen – und schafft damit Darstellungen von Figuren, die ebenso physisch wie geisterhaft sind.
Auch bei KAYA (ihrem Kooperationsprojekt mit dem Künstler Debo Eilers) steht die widersprüchliche Körperlichkeit des Bildes – in psychologischer, materieller und sozialer Hinsicht – zentral. Für die sogenannten „Bodybags“ (dt. Leichensäcke) haben die Künstler Brätschs Malereien auf Polyesterfolie aufgeschnitten, mit Objekten von Eilers ausgestopft und grobschlächtig wieder vernäht. Die „Narben“ der Bilder werden sichtbar belassen; die (Bild-)Körper sind geschunden, versehrt und aus Fragmenten und Reststücken in einer symbolischen und doch vergeblichen Form der Heilung wieder zusammengesetzt.
Mit den Glasarbeiten sowie den „Unstable Talismanic Rendering“ Marmorierungen (seit 2014) öffnet sich Brätschs Werk jahrhundertealten kunsthandwerklichen Techniken. Und so treten nicht nur die mit diesen Techniken verbundenen Bezüge zur Alchemie und zum Mystisch-Spirituellen stärker in den Vordergrund. Mit diesen vermeintlich minderen Formen künstlerischen Ausdrucks plädiert Brätsch auch für eine alternative Geschichte der Malerei, die deren Bruchstellen und Seitenwege berücksichtigt.
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25.05.2017 - 17.09.2017
TÄGLICH AUSSER MO 10.00 - 18.00 DO 10.00 - 20.00