Weserburg
FARBE IM FLUSS
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Ausstellung10.09.2011 - 29.01.2012
Die Ausstellung zum 20-jährigen Jubiläum der Weserburg zeigt den künstlerischen Umgang mit frei fließender Farbe seit Jackson Pollock. Werke der wichtigsten Vertreter des abstrakten Expressionismus und der Farbfeldmalerei werden Arbeiten jüngerer Künstlerinnen und Künstler gegenübergestellt. Als Höhepunkte entwickeln Katharina Grosse, K.H. Hödicke, Peter Zimmermann, Nicolás Uriburu, Rainer Splitt, Christine Würmell und andere neue Arbeiten direkt vor Ort.
Der amerikanische Maler Jackson Pollock wagte Ende der 1940er Jahre ein simples und zugleich bahnbrechendes Experiment: Er legte eine Lein- wand auf den Boden seines Ateliers und begann, sie von oben her mit Farbe zu bearbeiten. Nach vorn gebeugt, den ganzen Körper einbeziehend, die Malfläche fließen und tropfen. Dieses als „Action Painting“ bekannt gewordene Verfahren inspirierte in der Folge ganze Künstlergenerationen. Man begann Farbe als fließendes Material mit be- stimmten physikalischen Eigenschaften zu begreifen und künstlerisch einzu- setzen. Dies tat man ganz bewusst gegen eingespielte Sehgewohnheiten und als neue Herausforderung für die Sinne und den Verstand. In der Folge entstanden ganz neue Konzepte, die Pollocks Position ergänzten, grundlegend überdach- ten oder revidierten. Morris Louis, Sam Francis und Helen Frankenthaler thematisierten auf höchst verschiedene Weisen die physikalischen Grundbe- dingungen des Farbflusses. Lynda Benglis setzte dem „männlichen“ Gestus des Pollockschen Drippings eine eher voluminöse, „weibliche“ Variante aus farbigem Polyurethanschaum entgegen. Andy Warhol persiflierte in seinen „Oxidation Paintings“ Jackson Pollocks Bodenmalerei. Und der Amerikaner Larry Poons ließ Farbe senkrecht die Leinwände herablaufen, um sich als Autor scheinbar aus dem Produktionsprozess zu verabschieden.
In Deutschland ironisierte Sigmar Polke mit seinem „Moderne Kunst“ betitelten Gemälde den Abstrakten Expressionismus. Und der Berliner Maler K.H. Hödicke hängte lakonisch einen großen Teereimer an die Decke des Ausstellungsraumes und ließ den „Kalten Fluss“ selbsttätig mäandrierend während der Ausstellung den Weg nach unten finden.
Dieses breite Spektrum an Farbkonzepten greifen auch Künstlerinnen und Künstler des 21. Jahrhunderts auf. Was sie interessiert, sind neue, auf den ersten Blick eher untersuchende, beobachtende, unpathetische Vorge- hensweisen, die den Fluss der Farbe bisweilen in bemerkenswerten Aktio- nen an den Alltag rückbinden. Sie arbeiten zum Teil mit Videoaufzeich- nungen und Performances. Tony Tasset spritzt Schokoladensirup in fast pollockscher Momentaufnahme in die Luft, Patty Chang setzt sich in ihrem „Fan Dance“ körperlich der in den Raum geschleuderten Farbe aus und Francis Alÿs lässt eine dünne Spur grüner Farbe während eines Ganges durch Jerusalem wie eine kartografische Grenzziehung auf den Boden fließen und gibt auf diese Weise dem freien Farbfluss eine mehrdeutige politische Komponente.
„Farbe im Fluss“ stellt prinzipiell zwei künstlerische Ansätze einander gegenüber: Farbe als malerisches Ausdrucksmittel im Sinne der Moderne einerseits und der eher konzeptuelle, experimentelle, ja antimalerische Umgang mit Farbe vor allem bei jüngeren Künstlerinnen und Künstlern andererseits. Doch kommt es trotz oder gerade wegen dieser Unterschiede immer wieder zu Bezugnahmen und Dialogen der Künstlerinnen und Künstler untereinander, zu regelrechten Hommagen und Reverenzen, allerdings auch zu Dekonstruktionen, Ironisierungen und Infrage- stellungen der älteren durch die Jüngeren. Auffallend dabei ist, dass ähn- liche Phänomene höchst unterschiedliche Bedeutungen generieren oder erhalten können. Am Ende steht eine energiegeladene und äußerst spannende Gegenüberstellung unterschied- licher künstlerischer Positionen, die alle eines gemeinsam haben: „Den bewussten Umgang mit Farbe, welche sich als Material, Medium und Bedeutungsträger vor allem selbst zum Thema macht.“( Peter Friese, Kurator)
Jubiläumsfest und große Farbaktion in der Weser zur Eröffnung Besonders spannend wird es bei „Farbe im Fluss“, wenn außer den genann- ten Künstlerinnen und Künstlern, die speziell für die Ausstellung neue Werke erstellen, der aus Argentinien stammende Konzeptkünstler Nicolás Uriburu am Tag der Eröffnung die Weser aus einem Boot heraus mit dem umweltverträglichen Farbstoff Uranin grün einfärben wird. Bereits 1968 auf der 34. Biennale in Venedig tat er desgleichen mit dem Wasser des Canale Grande. Man darf sowohl gespannt sein auf die grün phosphoreszie- rende Erscheinung, auf die hier wörtlich zu nehmende „Farbe im Fluss“ als auch auf die Diskussionen, die diese Performance auslösen wird. Zugleich ist die Eröffnung der Ausstellung Anlass, ein großes Fest zum 20-jährigen Bestehen der Weserburg auf dem Teerhof zu feiern.