Belvedere
CURT STENVERT – NEODADAPOP
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Ausstellung05.10.2011
„Ermordet Diktatoren rechtzeitig!“, schrieb Stenvert zu seiner Arbeit Stalingrad. Detailliert erläutert er in zwei Bänden das Konzept und die Realisation des Hauptwerks seiner Objektkunst, das in den Jahren 1964–67 entstand. „In Freiheit leben“ ist der Grundsatz, auf dem diese Arbeit basiert, durch die „Existenzerhellung über das Auge“ sollte der Betrachter u. a. zu dieser Erkenntnis gelangen. Um kommende Generationen vor der Geißel eines neuen Kriegs zu bewahren, setzte Stenvert sich mit einer der größten und schlimmsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs auseinander und bestückte drei Vitrinen mit unzähligen kriegerischen Versatzstücken, die jedem Betrachter in schockierender Weise die Brutalität, aber auch die Sinnlosigkeit eines Kriegs vor Augen führen: Verstümmelung, Kannibalismus, ein hirnfressender Hitler, Tierpräparate, Körperteile, Blut, Alltagsgegenstände. „Rettet eure Söhne!“, so lautet der mahnende Aufruf am Ende der Vitrine III, die mit Fotografien seines Sohnes schließt.
Stalingrad war bereits 1967 im Musée d’art moderne de la Ville de Paris sowie 1968 im Pariser Musée national d’art moderne zu sehen. Die damalige Aufstellung entspricht der hier präsentierten. Stenvert sah Absperrungen zwischen den Vitrinen vor, um einen genauen Ablauf von Betrachtung und Lesbarkeit einzufordern, und setzte so einen Bezug zum Film.
Malerei – Spätwerk
Ab 1971 wandte Stenvert sich vermehrt der Malerei zu. Er knüpfte damit an seine Bewegungsstudien der 1940er-Jahre an. Als weiteren Einfluss nannte er die Beschäftigung mit dem Wiener Kinetismus der 1920er-Jahre, der sich ebenfalls dem Thema der Bewegung verschrieben hatte. Stenvert interessierte in diesem Zusammenhang, wie die Prozesse der Wahrnehmung des Menschen ablaufen, und suchte nach Darstellungsmöglichkeiten, diese Vorgänge prozessual darzustellen. Auch die bereits in den 1960er-Jahren auftretende Beschäftigung mit den Theorien der Kybernetik kommt in den Gemälden zum Tragen. Mit fast wissenschaftlicher Akribie analysierte er z. B. den Ablauf eines Zusammentreffens zweier Menschen, die er als segmentierte Abfolge von Figuren und abstrakten Farbsegmenten umsetzte. Er selbst nannte die Arbeit von Richard Lindner, einem künstlerischen Autodidakten und bedeutenden Vertreter der amerikanischen Pop Art, als wichtigen Einfluss auf seine späte Malerei. Neben der formalen Anlehnung sehen wir auch inhaltlich Übereinstimmungen, wenn Lindner sich z. B. im Bild Telephone dem Thema der zwischenmenschlichen Kommunikation widmet. Wesentliches Merkmal der späten Malerei Stenverts ist allerdings die Wiederentdeckung des Goldgrunds, um damit erneut über das „Geistige in der Kunst“ zu reflektieren.
Biografie
1920 Am 7. September 1920 als Kurt Steinwendner in Wien geboren.
1942-49 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Teilnahme an der Gruppenausstellung Junges Schaffen der Wirtschaftsgenossenschaft bildender Künstler.
1947 Teilnahme an der ersten Ausstellung des Art Clubs in der Neuen Galerie in Wien und Rom.
1948 Stellt neben Calder und Picasso in Basel aus.
1951 Experimentalfilm Der Rabe, Episodenfilm Wienerinnen.
1957 Heiratet die Burgschauspielerin Antonia Mittrowsky.
1962 Der Film Venedig erhält den Silbernen Bären der Internationalen Filmfestspiele in Berlin.
1963 Erste große Werkschau mit Objektmontagen im Wiener Künstlerhaus.
1964 Neben Frohner und Rainer als dritter Österreicher in der internationalen Ausstellung POP etc. im Museum des 20. Jahrhunderts (jetzt 21er Haus) vertreten.
1965 Ausstellung Curt Stenvert im Rückblickspiegel: Graphik, Malerei, Plastik 1945–1947 in der Galerie nächst St. Stephan.
1966 Einladung zur 33. Biennale di Venezia.
1967 Das Opus Stalingrad wird im Rahmen der Ausstellung Animation, recherche, confrontation. Le Monde en question in Paris präsentiert. Das Carnegie Museum of Art zeigt Arbeiten von Stenvert.
1968 Einzelausstellung der Galerie La Chiocciola in Padua. Auszeichnung bei der Lignano Biennale 1.
1969 Die Galleria Milano zeigt unter dem Titel Irritarte Werke u. a. von Ay–O, Kudo, Muehl und Stenvert. Große Einzelausstellung in der Galleria Civica d’Arte Moderna in Ferrara.
1971 Der Künstler widmet sich vermehrt der Malerei und entwickelt sein Manifest zur Bio-Kybernetischen Malerei. Einzelausstellungen in Galerien in Zürich, Freiburg i. B., Lugano, Mailand, Rom und Basel.
1975 Umfangreiche Museumsausstellung in der Österreichischen Galerie Belvedere mit 80 Objekten. Werkschau in der Galleria d’Arte Narciso in Turin.
1977 Umzug nach Deutschland. In Mannheim betreibt Antonia Stenvert-Mittrowsky die Galerie Stenvert und zeigt unter dem Titel Curt Stenvert sein Werk in Beispielen. Zwei Jahre später Umzug nach Köln.
1981 Unter dem Titel Der Art Club in Österreich. Zeugen und Zeugnisse eines Aufbruchs zeigt das Museum des 20. Jahrhunderts in Wien Arbeiten von Stenvert. Der damalige Direktor des Belvedere, Hans Aurenhammer, versucht den Violinspieler (1947) zu rekonstruieren.
1987 Retrospektive im Ulmer Museum unter dem Titel Curt Stenvert – Objekte, Collagen, Bilder.
1991 Stenvert erhält die Silberne Ehrenmedaille der Stadt Wien.
1992 Stenvert stirbt am 3. März 1992 in Köln.
2011 Das Belvedere ehrt den Künstler mit einer Retrospektive zum Gesamtwerk.
Kunstvermittlungsprogramm zur Ausstellung
CURT STENVERT – NEODADAPOP
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