Belvedere
CURT STENVERT – NEODADAPOP
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Ausstellung05.10.2011
Das Erbe Marcel Duchamps In einer Notiz zu einer Arbeitsbeschreibung nennt Stenvert die Arbeit Die Braut, ein zentrales Werk von Duchamp, als gedankliche Vorlage für seine Objektmontagen. Stenvert wandte sich 1962 verstärkt der Objektkunst zu. Zunächst entwickelte er flache Vitrinen mit einer konkreten, reduzierten Formensprache, ehe er sie zu komplexeren Assemblagen erweiterte und die Schrift ins Bild integrierte. In Europa blickte man nach dem Abstrakten Expressionismus verstärkt wieder auf Duchamp und seinen konzeptuellen Zugang zur Objektgestaltung. Die Neuen Realisten um Yves Klein in Frankreich und die Künstler der Fluxus-Bewegung in Deutschland hatten sich verstärkt der Dada-Bewegung der 1920er-Jahre zugewandt. In Hannover hatte der österreichische Kunsthistoriker Wieland Schmied im Jahr 1965 eine Duchamp-Ausstellung ausgerichtet. Schmied, der auch die Ausstellungen zu Stenvert in Berlin bei Benjamin Katz und in Düsseldorf in der Galerie Niepel im selben Jahr eröffnete, war für den Künstler ein wichtiger Gesprächspartner. Vor allem das Format der Schachtel inspirierte neben Stenvert auch zahlreiche andere Künstler. Arman und Spoerri stehen beispielhaft für diese Entwicklung. So ist eine Arbeit von Arman in der Ausstellung zu sehen, die Teil des von Spoerri entwickelten Koffers aus dem Jahr 1961 war. Die Dada-Rezeption war zudem Thema in der Ausstellung Pop etc. im Museum Moderner Kunst im 20er Haus, und Stenvert war neben Frohner und Rainer mit neuen Objektassemblagen in der Ausstellung vertreten.
Die Puppe als Metapher des Seins In seinen Objektassemblagen benutzte Stenvert oft Gliederpuppen, Schaufensterpuppen oder Modellskelette. Sie waren für ihn Sinnbilder und Metaphern für den Menschen. Damit knüpfte er an eine Tradition an, die im Surrealismus u. a. bei Hans Bellmer ihren Ausdruck fand, aber vor allem in der internationalen Objektkunst der 1950er- und 1960er-Jahre als künstlerisches Material bearbeitet wurde.
Aus Puppen und Skeletten konstruierte er Situationen, in die der Mensch – freiwillig oder nicht – eingebunden ist. Stenvert problematisierte das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt, zu seiner sozialen Umgebung, aber auch zu Grundfragen des Seins. In der fünften Episode, „Helene“, des Films Wienerinnen verarbeitete er am Beispiel der Puppenspielerin die sozialen Milieus jener Zeit und verknüpfte sie mit Fragen nach den verschiedenen Dimensionen menschicher Existenz. Stets tritt der Mensch im Bild als ein Wesen auf, das zwischen Eigenverantwortung und gesellschaftlichen Zwängen Entscheidungen treffen muss.
„Mensch sein müssen“ – dieser häufig verwendete Ausspruch zeigt, wie der Mensch mit der Geburt zwischen die beiden Pole „Positivismus“ und „Spiritualität“ gespannt wird. Den Menschen in seiner Ganzheit zu erfassen, ihn in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken war daher stets auch Stenverts vordergründiger Impuls für sein künstlerisches Schaffen
Kampf der Geschlechter
Nachdem Stenvert sich intensiv mit Fragen der menschlichen Existenz auseinandergesetzt hatte, wandte er sich der Frau als Thema seiner Kunst zu. Die medial vermittelten Rollenbilder waren in den 1950er-Jahren noch von einer dem Familienglück unterworfenen Frau geprägt, die ihre Bestimmung als erziehende Mutter und Hausfrau entfaltete. Stenvert thematisierte aber auch die Kehrseite jener biederen Rollenzuschreibung, indem er die Rolle der Frau als Sexualobjekt problematisierte. Mit der Einführung der Antibabypille brachen Mitte der 1960er- Jahre die verkrusteten Rollenbilder auf. In dem Objekt Mensch sein müssen & Schiffbrüchiger im All zeigt Stenvert genau jene der guten Hausfrau zugeschriebenen Attribute als Zwänge einer traditionellen Rollenzuschreibung im Zeitalter massiver gesellschaftlicher Veränderungen. Es war die neue Selbstbestimmtheit der Frau, die Stenvert interessierte und die er in verschiedenen Situationen in den Objektkästen thematisierte. Die Kosmonautin, das Gewaltopfer, die moderne „Eva“ interpretierte Stenvert jeweils vor dem Hintergrund des von ihm positiv bewerteten neuen weiblichen Selbstbewusstseins.
Stalingrad – oder: Die Rentabilitätsberechnung eines Tyrannenmordes – ein didaktisches Objekt Politische Themen sind im Werk von Stenvert, ebenso wie bei Wolf Vostell oder John Heartfield, immer wieder präsent. Bereits in den Kriegsjahren entstanden Zeichnungen von Soldaten, der Apokalypse und Mord. In den späten 1950er-Jahren drehte Stenvert Kurzfilme für das Bundesheer wie Der Patriot oder Jedem Österreicher seine Mondrakete. Die weitere Auseinandersetzung mit dieser Thematik sowie historische Ereignisse wie der Prager Frühling, die Kuba-Krise oder die Ermordung Kennedys ließen ihn ein Werk konzipieren, das trotz seiner drastischen visuellen wie inhaltlichen Aufladung ein aussagekräftiges Objekt für den Menschen und ein Plädoyer für Humanität ist.
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