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JEREMY SHAW –QUANTIFICATION TRILOGY

Jeremy Shaws Quantification Trilogyumfasst die drei parafiktionalen Kurzfilme Quickeners(2014), Liminals(2017) und I Can See Forever(2018). Die thematisch und zeitlich verwobenen Arbeiten erzählen von marginalisierten Gemeinschaften in einer Zukunft nach „TheQuantification“. Durch eine wissenschaftliche Entdeckung sind sämtliche Parameter transzendentaler Erfahrung empirisch erfasst worden. Shaw greift für diese Vision auf Ästhetik und Bildmedien des 20. Jahrhunderts zurück und führt Stilelemente des Cinéma vérité, ethnographischen Films, von Konzeptkunst und Musikvideogenre zusammen, um den Betrachter*innen die Echtheit des Gesehenen nahezulegen und kritische Perspektiven auf Machtsysteme zu eröffnen. Die Quantification Trilogyentfaltet sich entlang der Bereiche Gegenkultur, Evolutionstheorien, virtuelle Realität, Neurotheologie, Esoterik, Tanz, der Repräsentation des Erhabenen und Vorstellungen von Transzendenz.Quickeners, dessen Erzählung 500 Jahre in der Zukunft angesiedelt ist, zeigt die Handlungen und Berichte einer kleinen Gruppe von „Quantenmenschen“, die Symptome des „Human Atavism Syndrome“ [Atavistisches Menschensyndrom] aufweisen. Die Aktivierung eines latenten Gens weckt in den Betroffenen den Wunsch, die in Vergessenheit geratene Spiritualität ihrer menschlichen Ahnen aufzuspüren. Als drahtlos mit einer Entität namens „The Hive“ verbundene Spezies, hat der Quantenmensch durch sein rein rationales Handeln Unsterblichkeit erlangt. Für die Schilderung der unheimlichen Renaissance eines altertümlichen Glaubenssystems, verwendet Shaw in Quickeners akribisch aufbereitetes dokumentarisches Archivmaterial von christlichen Schlangenbeschwörern der Pfingstbewegung. Im Verlauf der Arbeit kommentiert ein Quantenmensch-Erzähler in sachlichem Ton, was sich vor den Augen der Betrachter*innen abspielt: unverständliche Zeug*innenberichte, Predigten, Gebete, Konvulsionstänze, Zungenreden, Schlangenbändigung sowie ekstatische Zustände, die „Quickenings“ genannt werden.

Liminalsist als wiedergefundene Episode einer Dokumentarserie über Randgesellschaften („Periphery Altruist Cultures“) inszeniert, die auf den weit verbreiteten Verlust der Fähigkeit zu glauben reagieren. Drei Generationen nach der Gegenwart ist die Menschheit aufgrund dieser Entwicklung vom Aussterben bedroht. Eine Gruppe namens „The Liminals“ ist überzeugt, durch die Injektion von Maschinen-DNA und die Wiederaufnahme einst aufgegebener spiritueller Rituale Zugang zueinem „Paraspace“ zwischen dem physischen und dem virtuellen Raum zu erhalten, um von dort aus eine neue Phase menschlicher Evolution einzuleiten. Im Stil des Cinéma vérité der 1970er-Jahre begleitet Liminals die Mitglieder der Gruppe bei ihren verschiedenen kathartischen Praktiken –von Herumwirbeln und Kundalini-Yoga bis zu Modern Dance und Headbangen. Sie sind der Versuch, ihre gegenwärtige Realität zu durchbrechen und die Menschheit zu retten.I Can See Foreverist als Fernsehdokumentarserie über „TheSingularity Project“ angelegt –ein gescheitertes Regierungsexperiment, das auf die Erschaffung einer harmonischen Synthese von Mensch und Maschine abzielte. Der Film spielt etwa 40 Jahre in der Zukunft und verwendet Fly-on-the-wall-VHS Filmmaterial der 1990er-Jahre, um die Geschichte des 27-jährigen Roderick Dale, dem einzig bekannten Überlebenden des Projekts, aufzudecken. Obwohl Dales Erbmaterial zu 8,7 Prozent aus Maschinen-DNA besteht, interessiert er sich nicht für die Virtual-Reality-Möglichkeiten seiner Zeit und widmet sein Leben dem Tanz. Dale behauptet, während seiner einzigartig virtuosen Tänze in der Lage zu sein, „Für Immer zu Sehen“ –eine vielschichtige und fragwürdige Redewendung seiner Zeit, die er als die Fähigkeit definiert, eine digitaleEbene vollkommener Transzendenz zu erreichen und dabei die leibliche Präsenz zu bewahren. Die Trilogie wird ergänzt durch Shaws Fotoserie Towards Universal Pattern Recognition(2016–2020). Die gerahmten Archivaufnahmen zeigen Personen in Zuständen spiritueller, hedonistischer oder technologischer Katharsis. Die Fotografien sind in Prismenglas gefasst, das mehrfach gebrochene Bilder eines bestimmten Elements erzeugt. Diese Darstellungsform der Fotografien scheint nicht nur dem veränderten Bewusstseinszustand der fotografierten Subjekte zu entsprechen, sie lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die Perspektive der Kamera sowie die Überzeugungen und Wertevorstellungen von Fotograf*in und Betrachter*in.

Text: Maxwell Stephens
Die Quantification Trilogyist Teilder JULIA STOSCHEK COLLECTION und in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein in Hamburg und der Esker Foundation in Calgary, Kanadasowie mit Unterstützung der KÖNIG GALERIE und dem Canada Council for the Arts entstanden. Begleitend zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation. Jeremy Shaws Quantification Trilogy Reader ist eine Erweiterung des künstlerischen Projekts und der Installation. Das Buch gibt die Erzählungen der Filme durch vollfarbige Videostills im Originalausschnitt wieder, um eine immersive visuelle Erfahrung hervorzurufen. Die Publikation beinhaltet zudem die Voiceover-Transkripte und essayistische Texte zu den Themen der Arbeiten.








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  • Jeremy Shaw, Liminals, 2017, 16-mm-Film und HD-Video, transferiert auf Video, 31′16″, Farbe, Ton. Videostill. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Jeremy Shaw, Liminals, 2017, 16-mm-Film und HD-Video, transferiert auf Video, 31′16″, Farbe, Ton. Videostill. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Julia Stoschek Foundation
  • Jeremy Shaw, Towards Universal Pattern Recognition (War Prisoner Tells of Charismatic Uplift, 1977), 2020, archivarisches Schwarz/Weiß-Foto, Acryl, Chrom, 43,4 x 38,6 x 16 cm, Unikat. Foto: Timo Ohler. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Jeremy Shaw, Towards Universal Pattern Recognition (War Prisoner Tells of Charismatic Uplift, 1977), 2020, archivarisches Schwarz/Weiß-Foto, Acryl, Chrom, 43,4 x 38,6 x 16 cm, Unikat. Foto: Timo Ohler. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Julia Stoschek Foundation
  • Jeremy Shaw, I Can See Forever, 2018, Zweikanal-HD-Videoinstallation; VHS-Video und HD-Video, transferiert auf Video, 44′05″, Farbe, Ton. Installationsansicht, JEREMY SHAW, QUANTIFICATION TRILOGY, JSC Düsseldorf. Foto: Timo Ohler.
    Jeremy Shaw, I Can See Forever, 2018, Zweikanal-HD-Videoinstallation; VHS-Video und HD-Video, transferiert auf Video, 44′05″, Farbe, Ton. Installationsansicht, JEREMY SHAW, QUANTIFICATION TRILOGY, JSC Düsseldorf. Foto: Timo Ohler.
    Julia Stoschek Foundation
  • Jeremy Shaw, Towards Universal Pattern Recognition (Psychics OCT 17 1071), 2018, archivarisches Schwarz/Weiß-Foto, Acryl, Chrom, 42,5 x 38 x 16 cm, Unikat. Foto: Timo Ohler. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Jeremy Shaw, Towards Universal Pattern Recognition (Psychics OCT 17 1071), 2018, archivarisches Schwarz/Weiß-Foto, Acryl, Chrom, 42,5 x 38 x 16 cm, Unikat. Foto: Timo Ohler. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Julia Stoschek Foundation
  • Installationsansicht, JEREMY SHAW, QUANTIFICATION TRILOGY, JSC Düsseldorf. Foto: Timo Ohler.
    Installationsansicht, JEREMY SHAW, QUANTIFICATION TRILOGY, JSC Düsseldorf. Foto: Timo Ohler.
    Julia Stoschek Foundation
  • Jeremy Shaw, Quickeners, 2014, 16-mm-Film, transferiert auf Video, 36′24″, Farbe, Ton. Installationsansicht, JEREMY SHAW, QUANTIFICATION TRILOGY, JSC Düsseldorf. Foto: Timo Ohler.
    Jeremy Shaw, Quickeners, 2014, 16-mm-Film, transferiert auf Video, 36′24″, Farbe, Ton. Installationsansicht, JEREMY SHAW, QUANTIFICATION TRILOGY, JSC Düsseldorf. Foto: Timo Ohler.
    Julia Stoschek Foundation
  • Jeremy Shaw, I CAN SEE FOREVER, 2018, Zweikanal-HD-Videoinstallation; VHS-Video und HD-Video, transferiert auf Video, 44′05″, Farbe, Ton. Videostill. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Jeremy Shaw, I CAN SEE FOREVER, 2018, Zweikanal-HD-Videoinstallation; VHS-Video und HD-Video, transferiert auf Video, 44′05″, Farbe, Ton. Videostill. Courtesy of the artist and König Galerie, Berlin.
    Julia Stoschek Foundation