Johanna Kandl Material. Womit gemalt wird und warum
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Ausstellung12.09.2019 - 19.01.2020
Mineralien aus Zypern, Gummi arabicum aus dem Sudan, Koschenille-Schildläuse von Lanzarote: Das Material eines Bildes erzählt neben dem Sujet eine eigene Geschichte. Es ist eine bewegte Erzählung von Menschen, ihrer Lebens- und Umwelt. In ihrer Ausstellung in der Orangerie des Unteren Belvedere beschäftigt sich die österreichische Künstlerin Johanna Kandl mit dieser substanziellen Seite von Kunst.
Johanna Kandl setzt ihre eigenen Werke mit Gemälden aus der Sammlung des Belvedere, einigen Leihgaben sowie mit in der Malerei verwendeten Grundstoffen in Beziehung. In ihrer großen multimedialen Gesamtinszenierung sind sie Mittel zum Zweck, um die Geschichte von Mal- und Farbmitteln zu erzählen. Gemeinsam mit ihrem Mann Helmut Kandl geht die Künstlerin Erzählungen nach, die hinter Bildern stehen. Ihr Ausgangspunkt sind organische und anorganische Substanzen – dennoch betreibt das Künstlerpaar keine reine Materialkunde. Vielmehr sucht es Antworten auf sozioökonomische Fragen, die mit den physischen Grundlagen der Malerei in Beziehung stehen.
Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere: „Johanna Kandl ist Malerin, die in ihrem gesamten Werk weltbezogen agiert. Nun ist sie dem Material ihres Mediums auf der Spur – seiner Bedeutung und seiner Herkunft. Sie zeigt damit auch blinde Flecken der klassischen Kunstgeschichte auf, die das Material lange Zeit unbeachtet gelassen hat.“
Johanna Kandl: „Ein Bild ist nicht nur Sujet. Es steckt mehr dahinter. Ich orientiere mich in meiner Arbeit an der Haptik der Dinge, an der sichtbaren, angreifbaren Substanz. In ihr sehe ich eine große Parabel auf unsere Welt – und wie wir mit ihr umgehen.“ Öl auf Leinwand – hinter dieser geläufigen Phrase der bildenden Kunst steckt mehr als nur Farbe auf Untergrund. Ölfarbe und Leinwand bestehen aus Pflanzen, Binde- Löse- oder Verdünnungsmitteln und Pigmenten, die wiederum eine lange Geschichte haben. Sie werfen eine Reihe von ökologischen, ökonomischen, sozialen oder religiösen Fragen auf.
An der Farbe Blau etwa lässt sich die Entwicklung unserer Zivilisation nachvollziehen: Azurit ist ein Nebenprodukt des Kupferabbaus, Indigoblau wird aus Pflanzen gewonnen, die in der Kolonisationspolitik nicht unwesentlich waren; und Ultramarin wurde in einer heute kaum erreichbaren Region Afghanistans aus Lapislazuli gewonnen. Heute wie damals stehen hinter dem Produktionsprozess und der Gewinnung von Malmaterialien Menschen und ihre Lebensbedingungen, die oft im drastischen Kontrast zum Prunk der Kunst stehen. Auch das allgegenwärtige Thema Klimakrise schärft unser Bewusstsein für Material: Wie wir mit Rohstoffen umgehen, ist Anfang des 21. Jahrhunderts im Wandel begriffen. Das betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche – auch Musik, Mode oder bildende Kunst. Parallel zur Bilderflut in sozialen Medien steigt das Interesse am Analogen. Die Wissenschaft nennt diese
Miroslav Haľák, der das Projekt seitens des Belvedere kuratorisch begleitet hat: „Johanna Kandl ist eine „Schichten-Erzählerin“ – Schicht für Schicht nähert sie sich den verschiedenen materiellen und immateriellen Ebenen der Malerei und blickt unter die Oberfläche der Herkunft und Verwendung von Harzen, Ölen oder Pigmenten.“ 
Veränderungen in unserem kulturellen Verhältnis zum Stofflichen material turn. Johanna und Helmut Kandl nehmen sich dies als Leitfaden ihrer Arbeit.
Die Ausstellung basiert auf zahlreichen Recherchereisen des Künstlerpaares, die mittels Bildern, Videos, Fotos und Objekten dokumentiert werden. Sie werden eingebettet in einen Kontext umfangreicher Recherchearbeit zu den jeweiligen Material-Kapiteln.
Die Schau findet in zwei Phasen statt. Im Frühjahr 2019 wurden in einem Bereich des Kammergartens Pflanzen angebaut, aus denen Mal- und Farbmittel erzeugt werden. Die Ausstellung in der Orangerie ab 12. September 2019 greift diese Pflanzen und zusätzlich anorganische Materialien auf und kontextualisiert sie. Die Zusammengehörigkeit beider Bereiche wird durch Ausblicke aus dem Innenbereich der Orangerie in den Außenbereich des Kammergartens unterstrichen. Die Ausstellungsarchitektur vermittelt eine Atelieratmosphäre. Ein spezielles Format der Hängeflächen spiegelt die Materialität der Bilder wider: Die Stellwände erlauben den Blick auf jene Seite der Bilder, die sonst verborgen bleibt. Handgeschriebene Texte begleiten die Exponate. Die Ausstellung ist nach Materialien gegliedert, beginnend mit Leinen über Harze, Öle, Leime und Pinsel bis zu den pflanzlichen und mineralischen Pigmenten. Zu den zahlreichen Leihgaben gehören unter anderem eine Mumie aus dem Kunsthistorischen Museum Wien oder Mineralien aus dem Naturhistorischen Museum Wien.
Johanna Kandl hat durch ihre Ausbildung zur Restauratorin einen starken Bezug zur materiellen Seite der bildenden Kunst. Ihre Herkunft aus einer Familie von Farberzeuger_innen und –händler_innen machte sie empfänglich für diese Thematik. Im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit steht die Beschäftigung mit ökonomischen Bedingungen und ihren Auswirkungen auf das tägliche Leben. Wesentlicher Gegenstand ihrer Beobachtung 4 sind seit den 1980er-Jahren unter anderem gesellschaftliche Verhältnisse in den Transformationsländern wie dem Balkan. Seit 1997 arbeitet sie mit Helmut Kandl vor allem an partizipativen und Rechercheprojekten zusammen. Johanna Kandl hat sich bereits in Ausstellungen im Essl Museum Klosterneuburg und der Kunsthalle Nexus in Saalfelden mit der Thematik Material beschäftigt. Sie lebt und arbeitet in Wien und Berlin.
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12.09.2019 - 19.01.2020
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DOMMUSEUM WIEN
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Stephansplatz 6, 1010 Wien
ERÖFFNUNG
DONNERSTAG, 9. OKTOBER, 18 UHR