Wolfgang Schulz und die Fotoszene um 1980. Fotografie neu ordnen
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Ausstellung14.06.2019 - 24.11.2019
Im Rahmen seiner Ausstellungsreihe Fotografie neu ordnen unternimmt das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) eine Bestandsaufnahme der deutschen Fotoszene um 1980. Der Ausgangspunkt ist die Zeitschrift Fotografie. Zeitschrift internationaler Fotokunst, die von Wolfgang Schulz (*1944) zwischen 1977 und 1985 herausgegeben wurde. Dazu lädt das MKG die Fotoexperten Reinhard Matz (Köln), Steffen Siegel (Folkwang Universität Essen) und Bernd Stiegler (Universität Konstanz) ein, ihr Forschungsprojekt über die 1980er Jahre mit den historischen Fotografien in der Sammlung des MKG in Beziehung zu setzen. Ziel der Zusammenarbeit ist eine fotografiegeschichtliche Archäologie der deutschen Fotoszene um 1980 am Beispiel der Zeitschrift Fotografie und ihrer Protagonisten. Die Ausstellung zeigt rund 150 Exponate von Wolfgang Schulz, Hans Christian Adam, Dörte Eißfeldt, Verena von Gagern, André Gelpke, Dagmar Hartig, Andreas Horlitz, Reinhard Matz, Angela Neuke, Heinrich Riebesehl, Wilhelm Schürmann, Holger Stumpf, Petra Wittmar und Miron Zownir, die Zeitschrift selbst sowie eine Reihe von eigens für die Ausstellung geführten Interviews mit Zeitzeugen.
Zwischen 1975 und 1985 ereignete sich im Feld der Fotografie Bemerkenswertes: Wichtige Galerien wurden gegründet und die Fotografie gelangte zunehmend in den Fokus des Kunstmarktes. Seit diesem Zeitpunkt war das Sammeln und Ausstellen von Fotografien in Museen nicht länger eine Ausnahme. Auf der sogenannten Mediendocumenta von 1977 hatte die Fotografie ihren ersten großen Auftritt. Grundlegende wissenschaftliche Bücher erschienen und nicht zuletzt wurde eine Vielzahl von Zeitschriften gegründet. Hierzu gehören sowohl Periodika, die seitdem den wissenschaftlichen Diskurs zum Fotografischen bestimmten (u.a. History of Photography, Fotogeschichte), als auch Journale, die sich an ein breiteres Publikum mit Interesse an Fotografie richteten (u.a. Camera Austria, European Photography, Volksfoto oder Fotokritik).
Zu dieser zweiten Gruppe zählte eine Zeitschrift, die zwischen 1977 und 1985 mit insgesamt 40 Heften erschien und für die ihr Herausgeber Wolfgang Schulz, studierter Physiker und fotografischer Autodidakt, einen ebenso prägnanten wie anspruchsvollen Namen fand: Fotografie. Zeitschrift internationaler Fotokunst (später Fotografie: Kultur jetzt). Die Zeitschrift scheint heute beinahe vollständig vergessen. Doch die Leistungen des Herausgebers und der beitragenden Autor*innen und Fotograf*innen verdienen es, genauer betrachtet zu werden. Die von ihnen gefundene Mischung aus Bildern und Texten ist eine bedeutende Quelle zur Erkundung einer fotografischen Szene, die um 1980 mit Nachdruck an der Etablierung der Fotografie als einer eigenständigen Kunstform arbeitete. Zugleich besitzen die 40 Hefte von Fotografie auch den Charme des Unabgeschlossenen und sind durch die persönlichen Vorlieben ihres Herausgebers geprägt. Eine konzentrierte Auseinandersetzung mit ihr bedeutet eine Rückkehr zu den Ursprüngen der jüngsten Fotogeschichte in Deutschland, die heute – überraschend genug – weitgehend verschüttet scheint.
Die Ausstellung gliedert sich in vier Kapitel: Sie würdigt das fotografische Werk von Wolfgang Schulz aus der Zeit um 1980, stellt Werke verschiedener Fotograf*innen vor, die in jener Zeit größtenteils ihren Weg in die Sammlung des MKG gefunden haben, präsentiert alle vierzig Ausgaben der Zeitschrift Fotografie (die in ihrem Nebeneinander ein eindrucksvolles gestalterisches Panorama ergeben) und lässt in Video-Interviews Zeitzeugen im Sinne einer „Oral History“ zu Wort kommen.
Wolfgang Schulz war nicht nur Herausgeber, der es sich als einer der ersten zur Aufgabe machte, „eine vollständige Sammlung der Gegenwartsfotografie mit dem Schwerpunkt auf deutscher Fotografie" vorzulegen, sondern auch ein bemerkenswerter Fotograf. In seiner fotografischen Arbeit, wie auch in seiner Tätigkeit als Redakteur, versuchte Schulz sich festschreibenden Normen zu entziehen und verfolgte unterschiedliche Stile und Sujets. So folgte er bei seinen Irland-Bildern der erzählerischen Tradition der Bildreportage, erstellte aber auch eine streng dokumentarisch anmutende Typologie von Scheunen und deren Erscheinungsformen. Mit einer Serie über Unterholz wandte er sich dem Unspektakulären zu und porträtierte die Fotoszene, die bei ihm ein und aus ging. Die Ausstellung zeigt zum ersten Mal überhaupt seine fotografischen Arbeiten aus der Zeit um 1980.
Die Werke aus der Sammlung des MKG geben Einblick in das breite künstlerische Schaffen der 1980er Jahre. Die Auswahl orientiert sich an den in der Fotografie veröffentlichten Bildstrecken und ist damit fraglos auch den Vorlieben des Herausgebers der Zeitschrift geschuldet, der sich weder um den Kreis um Bernd und Hilla Becher noch um Michael Schmidt zu interessieren schien und bewusst provozieren wollte. Heinrich Riebesehl (1938-2010) erkundete in seiner dokumentarischen Serie Agrarlandschaften die norddeutsche Landschaft. Wilhelm Schürmann (*1946) näherte sich in ähnlich nüchterner Weise einem hochsubjektiven Thema, dem Ort seiner Kindheit in der Steinhammerstraße in Dortmund. Sie werden ergänzt von Bildern urbaner Landschaften und Wohnarchitekturen. Riebesehl und Schürmann suchten ihre Motive in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit, die sie umgab. André Gelpke (*1947) erkundete in seiner Serie Sex Theater im eigenen Auftrag das Rotlichtmilieu im Hamburger Amüsierviertel St. Pauli. Er verstand die Erotiktheater als Spiegelbild der Gesellschaft und als einen Ort, an dem sich die Doppelmoral des Publikums offenbart. Gelpkes Serie dokumentiert ebenso wie Miron Zownirs Bilder aus der SM-, Queer- und Transsexuellenszene im New Yorker Undergrund Wolfgang Schulz‘ Interesse am Nicht-Etablierten und für Subkulturen und Menschen am Rand der Gesellschaft.
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14.06.2019 - 24.11.2019
ÖFFNUNGSZEITEN
Dienstag bis Sonntag: 10-18 Uhr
Donnerstag: 10-21 Uhr
Donnerstag an oder vor Feiertagen: 10-18 Uhr
Kassenschluss jeweils 30 Minuten vor Schließung des Museums.