Museion präsentiert Doing Deculturalization
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Ausstellung13.04.2019 - 03.11.2019Museion »
Museion präsentiert Doing Deculturalization, eine Ausstellung von Ilse Lafer, der Gastkuratorin 2019. Doing Deculturalization hat seinen Ausgangspunkt in den Schriften der italienischen Kunsthistorikerin und -kritikerin Carla Lonzi (1931–1982), die das Verhältnis zwischen Feminismus und italienischer weiblicher Kunst wesentlich beeinflusst haben. Gezeigt werden mehr als 40 zeitgenössische und historische künstlerische Positionen – Archivbestände spielen dabei eine wichtige Rolle, insbesondere das im Museion befindliche Archivio di Nuova Scrittura (ANS).
„La deculturalizzazione per la quale optiamo è la nostra azione” (Der Modus, den wir für unser Handeln gewählt haben, ist Entkulturalisierung): Das ist die Position, die Carla Lonzi 1970 in ihrem Buch Sputiamo su Hegel (Wir spucken auf Hegel) einnimmt. Sie meint damit die radikale Unterbrechung oder Herstellung einer „Leerstelle“ innerhalb einer bisher ausschließlich männlich dominierten Kultur; dafür bedarf es der Dekodierung von Leben, Arbeit und Sprache, die auf eine Bewegung des „Sich-der-Norm-Entziehens“ hinausläuft.
Um diese radikale Unterbrechung oder Leerstelle dreht sich Doing Deculturalization in vielfältiger Weise. Sie wird zum eigentlichen Prinzip der Ausstellung – auf Ebene der Werke als auch auf Ebene des eigens für das Museion entwickelten Ausstellungsdesigns. Thematisiert werden soll der bisher international kaum diskutierte italienische Feminismus der 1970er Jahre und sein schwieriges Verhältnis zur Kunst, ebenso soll die Historisierung als auch Aktualisierung von sogenannter feministischer Kunst unter dem Vorzeichen der „Entkulturalisierung“ in den Blick rücken.
Mit dem Begriff der „Entkulturalisierung“ geht die Ausstellung der Lonzi formulierten These nach, dass die Inklusion von Frauen in die Gesellschaft immer schon eine Form der Kolonialisierung darstelle, da die historisch gewachsenen Strukturen – auch die der Kunst – patriarchalisch organisiert seien. Daraus resultiert Lonzis feministisches Projekt einer radikalen Inklusion, des Sich-Entfremdens und der Verweigerung gegenüber gesellschaftlichen Machtverhältnissen.
Modalitäten dieses Sich-Entfremden manifestieren sich in der Ausstellung etwa in der Dekonstruktion von Sprache zugunsten neuer Ausdrucksformen, die zwischen Wort und Bild, zwischen abstrakten Zeichen, non-verbalen Codes und alltäglichen Materialien angesiedelt sind. Hervorgehoben werden Künstlerinnen, die das Persönliche oder Biografische durchspielen (Berty Skuber), sich dem Non-Linearen bzw. Rhythmischen der Sprache widmen (Betty Danon), das Verhältnis zwischen Körper und Sprache befragen (Tomaso Binga) oder die Dekodierung der Sprache vorantreiben (Mirella Bentivoglio). Mit den Arbeiten von zeitgenössischen Künstlerinnen wie Bracha L. Ettinger (Schreiben als künstlerische Arbeit) oder Chiara Fumai (performatives Lesen, Prinzip der Personifikation) werden wechselseitige Verstrickungen von sprachlichen und kulturellen Konventionen auf die Gegenwart bezogen.
Doing Deculturalization referiert ebenso auf Erfahrungen wie diejenigen der Cooperativa Beato Angelico (Rom), einer Gruppe von Frauen, die über das Ausstellen weiblicher Kunst eine distinkte Frauenkultur etablieren wollte. Sichtbar wird auch die tragende Rolle, welche die 1975 gegründete und in den Arbeiten von Margherita Morgantin thematisierte Libreria delle Donne in Mailand für das feministische Netzwerk spielte. Sie basierte auf Schenkungen von Künstlerinnen, die sowohl der Archivio di Nuova Scrittura als auch der Rivolta Femminile nahestanden. Eine ebenso zentrale Rolle spielen die Sammlung von Mirella Bentivoglio und die Ausstellungstätigkeit der Galeristin Romana Loda: beide haben über ihre Aktivitäten die Sichtbarkeit von weiblicher Kunst vorangetrieben.
Dass „Entkulturalisierung“ ein nicht abschließbares Projekt ist und kontinuierliche Aktualisierung voraussetzt, zeigen die Arbeiten von zeitgenössischen Künstlerinnen wie Claire Fontaine, Katarina Zdjelar oder Sonia Khurana. Die Leere als wesentlicher Modus operandi dieses Projekts erhält ein vielfältiges Bild durch die Arbeiten von Marion Baruch, Gina Pane oder Marisa Merz.
Vor diesem vielfältigem Hintergrund entwirft Doing Deculturalization ein spekulatives Szenario, eine Topografie der Assoziationen zwischen den Archivalien feministischer Bewegungen, feministisch orientierten Ausstellungsformaten (ghetto exhibitions) und Publikationen, historischen und aktuellen künstlerischen Positionen. Dabei wird die Beziehung zwischen Kunst und Feminismus auf eine Weise reflektiert, dass sich „Entkulturalisierung“ als produktives Denk- und Handlungsmodell erweist. “Das Projekt der Gastkuratorin Ilse Lafer fügt sich vollkommen in die Identität des Museion ein, die von Anfang an eine Sensibilität für weibliche Kunst gezeigt hat. Themen, die in Italien zur Zeit von großer Aktualität sind, werden mit einem neuen, anderen Blick gesehen und durch innovative Ausstellungsformate präsentiert: auch in dieser Hinsicht entspricht die Ausstellung dem Bestreben des Museion, eine dialogische Plattform des Zeitgenössischen zu sein.“ (Letizia Ragaglia, Direktorin Museion).
Kuratorin: Ilse Lafer, Gastkuratorin Museion 2019 In Zusammenarbeit mit: Sabeth Buchmann (Tagung/Workshop), Frida Carazzato, Francesca Lacatena (kuratorische Mitarbeit), Lukas Maria Kaufmann (Ausstellungsdesign), Brigitte Unterhofer und Team (Ausstellungsorganisation und -Produktion).
Die in Doing Deculturalization thematisierten Aspekte kommen auch in der Ausstellung Il Soggetto Imprevisto. 1978 Arte e Femminismo in Italia, FM Centro per l’arte contemporanea (Mailand), zum Tragen (04/04-26/05/2019).
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Info
Doing Deculturalization
Gastkuratorin: Ilse Lafer
Eröffnung: 12/04/2019, 19.00 Uhr. Dauer der Ausstellung: 13/04 – 03/11/2019
Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10–18 Uhr; donnerstags 10–22 Uhr, ab 18 Uhr freier Eintritt und kostenfreie Führung um 19 Uhr. Montags geschlossen.
Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 3,50 Euro