Koki Tanaka
Deutsche Bank „Künstler des Jahres“ 2015
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Ausstellung26.03.2015 - 25.05.2015
Wie in Deutschland hinterließ der Zweite Weltkrieg auch in Japan den Wunsch nach einem grundlegenden kulturellen Neuanfang. Standen dafür in Europa ZERO und Fluxus, war es in Japan neben Jikken Kobo vor allem die Künstlergruppe Gutai. „Imitiert niemals andere! Macht etwas, was es noch nicht gegeben hat!”, forderte ihr Gründer Jiro Yoshihara, ein abstrakter Maler und Speiseölfabrikant. Die Gruppe war ihrer Zeit weit voraus und betrachtete etwa die Malerei als Performance-Akt. So entstanden einige Bilder mit Hilfe eines ferngesteuerten Spielzeugautos, das Farbe auf den Leinwänden verteilte. Allan Kaprow, der „Vater des Happenings“, attestiert der Gruppe, dass sie 1955 in Tokio das allererste Happening initiierte. Bei einer Gutai-Aktion durchstieß Saburo Murakami eine Reihe von mit Packpapier bespannten Bilderrahmen. Ein Akt der Revolte, zu dem ihn angeblich sein zweijähriger Sohn anregte. Als er den Jungen einmal zur Strafe aus dem Zimmer schickte, zerstörte dieser aus Wut ein Fusuma, eine der traditionellen, aus Papier gefertigten Wände in der Wohnung des Künstlers. Das ikonische Foto, auf dem Saburo Murakami mit geballter Faust den letzten Papierbogen durchstößt, hat Koki Tanaka nachgezeichnet.
Die 60er Jahre waren auch in Japan eine Zeit des rasanten ökonomischen Aufschwungs. Die Sommerolympiade 1964 in Tokio und die Weltausstellung 1970 in Osaka standen symbolisch für die Wiedergeburt des Landes. Doch die Dekade begann mit massiven Protesten, die sich gegen den Sicherheitsvertrag mit den USA richteten. Auf dem Höhepunkt der Demonstrationen und Straßenschlachten organisierten radikale Studenten am 20. Mai 1960 sogar die Erstürmung des Parlaments. Infolge dieser Unruhen wurde das gesellschaftliche Leben von staatlicher Seite immer stärker reglementiert. Die Künstler reagierten mit subversiven Happenings im öffentlichen Raum.
Im Vorfeld der Olympiade wollte sich Tokio dem Ausland als moderne Metropole präsentieren. Die Bevölkerung wurde deshalb unter anderem dazu aufgefordert, nicht mehr auf die Bürgersteige zu spucken. Darauf startete die Künstlergruppe Hi Red Center ihre ironische Cleaning Action. Ausgestattet mit weißen Laborkitteln, Atemschutzmasken, Besen und Zahnbürsten säuberten sie unter den erstaunten Augen der Passanten eine belebte Straße im Einkaufsviertel Ginza. Andere Aktionen von Hi Red Center fanden in der U-Bahn oder auf dem Dach einer Ikebana-Schule statt, von dem sie bei ihrem Dropping Event (1964) den Inhalt eines Koffers schütteten. Neben Fotos dieser Aktionen zeichnete Koki Tanaka auch ein Pressebild von dem Prozess gegen ein Mitglied von Hi Red Center nach. Im „One Thousand-Yen Note Trial” ging es hingegen um den absurden Vorwurf, Genpei Akasegawa sei ein Geldfälscher. Zwar hatte der Künstler 1963 tatsächlich begonnen, Fotokopien der 1.000-Yen-Banknote herzustellen, dabei handelte sich allerdings um einseitige Kopien, die er als Ausstellungseinladungen verwendete. Doch das hielt das Gericht nicht davon ab, ihn auf Bewährung zu verurteilen. Zwei Mal legte er Berufung ein, doch das Urteil wurde noch einmal 1970 vom Obersten Gericht in Tokio bestätigt.
In seiner Serie zeigt Koki Tanaka aber auch „stillere“, konzeptuelle Arbeiten von Yoko Ono und On Kawara. Oder eine Fotografie von Koji Enokuras poetischer Aktion Symptom-Sea–Body (1972), für die der Künstler mit seinem Körper am Strand die Kontur einer Welle nachformte. Enokura war eines der wichtigsten Mitglieder der Gruppe Mono-ha, die mit ephemeren Installationen aus Materialien wie Stahlplatten, Glühbirnen, Leder, Öl oder Wasser bekannt wurde. Das Motiv eines Liebespaars, das durch die leeren Straßen von Tokio läuft, entnahm Tanaka dagegen einem experimentellen Spielfilm von Nagisa Oshima: Tagebuch eines Diebes aus Shinjuku spiegelt die ganze Verwirrung und Frustration der jungen Generation im Japan der späten 60er Jahre wider.
Eine der damaligen Aktionen regte Tanaka sogar zu einer eigenen Arbeit an. 1964 trugen Hiroshi Nakamura und Koichi Tateishi ihre großformatigen Gemälde durch die belebte Straße vor dem Hauptbahnhof von Tokio. In seinen ersten Aktionen nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima griff Tanaka diese Idee einer “Walking Open Air Gallery” auf. Mit Painting to the Public (open-air) lud Tanaka dazu ein, mit ihm zusammen durch die Straßen von Tokio zu laufen und dabei eigene Gemälde zu präsentieren. Dass die Leinwände an die Schilder bei Demonstrationen erinnerten, war durchaus beabsichtigt. Mit dieser Form der Präsentation von Kunst, die ganz ohne Strom auskommt, wollte er auch gegen die Nutzung von Atomenergie protestieren.
Tanakas Zeichnungen, die nun im Rahmen der großen Ausstellung in der Deutsche Bank KunstHalle zu sehen sind, reflektieren das Verhältnis seines eigenen Werkes zu den früheren japanischen Avantgardebewegungen. Ihn interessiert es dabei vor allem den Geist, der in diesen Arbeiten zum Ausdruck kommt, für die Gegenwart nutzbar zu machen – die Radikalität, mit der sich diese Künstler von Konventionen befreit haben, und die Utopie einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit in der Kunst wie in der Gesellschaft. Zugleich zeigen sie Momente einer Kunstgeschichte, in der es noch sehr viel zu entdecken gibt.
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26.03.2015 - 25.05.2015
Öffnungszeiten
Täglich von 10 bis 20 Uhr
Weihnachtsfeiertage:
24.12. geschlossen
25.12. geschlossen
31.12. von 10 bis 16 Uhr geöffnet
01.01. von 14 bis 20 Uhr geöffnetEintrittspreise
Erwachsene: 4 €
Ermäßigt: 3 €
Kinder unter 12 Jahren: Eintritt frei
Schulklassen: Eintritt frei
Schulklassen mit Führung: Eintritt frei
Gruppen bis 20 Personen: 35 €
Familienkarte: 8 €
Montags Eintritt frei