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Buddenbrookhaus

Kafka - Der ganze Prozess

Buddenbrookhaus

Jemand mußte Josef K. verläumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet." Der erste Satz von Franz Kafkas Der Prozess ist weltberühmt. Im Buddenbrookhaus in Lübeck ist von Freitag an drei Monate lang das ganze, 161 Blätter umfassende handschriftliche Manuskript im Abdruck zu sehen. Die Ausstellung Kafka – Der ganze Prozess wirft einen Blick auf Kafkas Schreib- und Arbeitsweise und Prozess lässt die Blätter darüber hinaus von Wissenschaftlern, Schriftstellern und bildenden Künstlern kommentieren – und von Insassen der Lübecker Justizvollzugsanstalt.
Die Schau wurde am heutigen Vormittag im Rahmen eines Pressetermins der Öffentlichkeit vorgestellt.

„Die Mauskriptseiten erlauben es, Kafka beim Schreiben über die Schulter zu schauen. So erhält man einen Eindruck davon, wie einer der wichtigsten Romane der Moderne entstand.
Es ist spannend zu beobachten, welche Wörter Kafka korrigiert, welche Teile er streicht, wie er seinen Text zu Kapiteln ordnet – und wie sein Freund Max Brod nach Kafkas Tod die Manuskriptseiten zur Veröffentlichung neu sortiert“, erklärte die Leiterin des Buddenbrookhauses, Dr. Birte Lipinski. Und fügte hinzu: „Kafkas Texte haben Generationen von Lesern Rätsel aufgegeben. Deshalb ist das Schreiben über den Prozess, also der Leserkommentar, ein weiteres Thema der Ausstellung. Wir laden alle Besucher ein, mit uns und den ganz unterschiedlichen Kommentatoren über den Prozess nachzudenken.“
Die Ausstellung Kafka – Der ganze Prozess ist eine Wanderausstellung des Deutschen Literaturarchivs Marbach und des Literaturmuseums der Moderne. Die Abdrucke der 161 Manuskriptblätter machen Kafkas Schreibweise, seine Korrekturen, Streichungen und Ergänzungen sichtbar. Das Buddenbrookhaus erweitert die Ausstellung zusätzlich: Anhand von Kafkas Tagebucheinträgen wird die bisweilen quälend-düstere emotionale Welt des Autors während des Entstehungs- und Schreibprozesses erfahrbar. Aber schreiben werde ich trotz alledem, unbedingt, es ist mein Kampf um die Selbsterhaltung (Franz Kafka, Tagebucheintrag vom 31.7.1914).

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung ist ein heutiger Blick auf Kafka: Wissenschaftler kommentieren die Blätter ebenso wie Schriftsteller und bildende Künstler, darunter Hanns- Josef Ortheil, Jaroslav Róna, Saul Friedländer, Wilhelm Genazino, Brigitte Kronauer und Klaus Wagenbach. Damit ist das Thema „Schreiben“ in der Ausstellung noch auf andere Weise angelegt: im Schreiben über den Prozess. Ergänzt werden diese Kommentare durch Werke von Gefangenen der Justizvollzugsanstalt Lübeck, die nach einer Lesung aus Kafkas Roman ihre eigenen Erfahrungen und Eindrücke niedergeschrieben und gezeichnet haben. Sie bieten eine weitere, eindrückliche Perspektive auf den Text.

Kafka im Buddenbrookhaus zu zeigen, hat einen ganz eigenen Reiz – längst nicht nur deshalb, weil Kafka direkt vor Beginn der Niederschrift seines Fragments Der Prozess, im Juli 1914, nach Lübeck und Travemünde reiste. Er selbst las schon früh Thomas Mann – umgekehrt schrieb dieser 1940 eine Hommage an den Autor als Einleitung für eine Kafka- Ausgabe. Auch Thomas Manns Sohn Klaus war ein begeisterter Leser Kafkas, wie seine Tagebücher verraten. Er stellte sogar eine Fotografie des Schriftstellers bei sich auf. Wenn nun die Entstehung des Romans Der Prozess im Buddenbrookhaus gezeigt wird, bietet sich damit auch die Möglichkeit einer kontrastierenden Betrachtung zweier großer Romane des frühen 20. Jahrhunderts. Dabei werden ganz unterschiedliche Schreibprozesse sichtbar: der bis ins Detail planvolle Entwurf Thomas Manns und das wuchernd-anwachsende Schreiben Kafkas.

Nicht nur das Buddenbrookhaus widmet sich Kafka. Das Theater Lübeck bringt Amerika auf die Bühne, inszeniert von Mirja Biel. Das Stück ist bis zum 19. Juni zu sehen.

Zitate Kafkas, die in der Ausstellung zu hören sind
„Meine Unfähigkeit zu denken, zu beobachten, festzustellen, mich zu erinnern, zu reden, mitzuerleben wird immer größer, ich versteinere, […]. Wenn ich mich nicht in einer Arbeit rette, bin ich verloren.“ (28. 7. 1914)

„Mißlungene Arbeiten angefangen. Ich gebe aber nicht nach trotz Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, allgemeiner Unfähigkeit.“ (29.7.1914)

Es ist allgemeine Mobilisierung. […] Aber schreiben werde ich trotz alledem, unbedingt, es ist mein Kampf um die Selbsterhaltung. (31.7.1914)

Von der Litteratur aus gesehen ist mein Schicksal sehr einfach. Der Sinn für die Darstellung meines traumhaften innern Lebens hat alles andere ins Nebensächliche gerückt […]. Nichts anderes kann mich jemals zufrieden stellen. Nun ist aber meine Kraft für jene Darstellung ganz unberechenbar […]. So schwanke ich also, fliege unaufhörlich zur Spitze des Berges, kann mich aber kaum einen Augeblick oben erhalten.“ (6.8.1914)

Gestern und heute 4 Seiten geschrieben, schwer zu überbietende Geringfügigkeiten. (7.8.1914)

„Ich schreibe seit paar Tagen, möchte es sich halten. […] [I]mmerhin habe ich doch einen Sinn bekommen, mein regelmäßiges, leeres, irrsinniges junggesellenmäßiges Leben hat eine Rechfertigung. Ich kann wieder ein Zwiegespräch mit mir führen und starre nicht so in vollständige Leere. Nur auf diesem Wege gibt es für mich eine Besserung.“ (15.8.1914)

„Schluß eines Kapitels misslungen, ein anderes schön begonnenes Kapitel werde ich kaum oder vielmehr ganz bestimmt nicht so schön weiterführen können, während es mir damals in der Nacht sicher gelungen wäre. Ich darf mich aber nicht verlassen, ich bin ganz allein.“ (29.8.1914)

„Ich fühle allzu sehr die Grenzen meiner Fähigkeit […].Trotzdem ist in diesen Grenzen Raum zum Leben und dafür werde ich sie wohl bis zur Verächtlichkeit ausnützen.“ (30.8.1914)






  • 13.02.2015 - 31.05.2015
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    Die Lübecker Museen »

    Adresse
    Königstraße 9-11
    23552 Lübeck

    Öffnungszeiten
    01.01.-31.03. | Di-So | 11-17 Uhr
    01.04.-31.12. | Di-So | 10-17 Uhr

    Eintrittspreise
    Erwachsene / Ermäßigte / Kinder:
    6 / 3 / 2 €



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