Alte Kunst
Die Ursprünge der Nazarener neu entdeckt
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Auktion18.11.2011
Alte Kunst
Das tadellos erhaltene Gemälde mit der Darstellung eines Malers bei seiner nächtlichen Heimkehr wurde VAN HAM als „unbekannter Meister“ angeboten. Im Zuge der Recherchen konnte es als hoch interessantes Zeugnis aus der Gründungsphase des Lukasbundes identifiziert werden. Dieses Ergebnis war auch für den Einlieferer eine umwerfende Überraschung. Es ist damit von einem, für die Kunst geschichtsschreibung der gesamten Malerei des 19. Jahrhunderts, grundlegenden Wert und wird als solches im Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan gewürdigt.
Zum Hintergrund: Im Sommer 1808 finden sich an der Wiener Kunstakademie einige wenige Schüler zusammen, die, wenig überzeugt von der herrschenden Lehrmeinung, nach einem eigenen Themenkreis und einer eigenen Ausdrucksform suchen und sich hierbei an der in der Dichtung aufkommenden romantischen Mittelaltersicht anstecken lassen. Die jungen Künstler, die sich um die beiden Hauptprotagonisten und engen Freunde Johann Friedrich Overbeck und Franz Pforr versammeln, verabreden wöchentliche Treffen, stellen sich Aufgaben und beurteilen die Ergebnisse gemeinsam. Schon bald nennen sie sich, in Anlehnung an den Schutzpatron der Maler, „Lukasbrüder“ und gründen im Folgejahr, am 10. Juli 1809, den „Lukasbund“. Overbeck entwirft eine kleine Radierung mit ihren Initialen, die alle in diesem Bund geprüften Werke als eine Art Vignette tragen sollen. Dieses auszeichnende Etikett trägt auch das vorliegende Gemälde, das im November zum Aufruf kommt, und macht das Stück zu einer kunsthistorischen Rarität und einem wahren Zeugnis dieses „Lukasbundes“, der frühen Anfange der Nazarener.
In deutlichem Widerspruch zur Akademie verlassen die Künstler Pforr, Overbeck, Vogel und Hottinger 1810 Wien und lassen sich in Rom in dem leerstehenden Franziskanerkloster Sant'Isidoro nieder. Schnell schließen sich weitere Studenten an und leben mit in dieser Art klösterlicher Bruderschaft. Sie studieren die altitalienischen Werke des spätmittelalterlichen Rom. Aus der Bezeichnung der Lukasbrüder werden mehr und mehr die „Nazarener“. Pforr hingegen, der schon in den Wiener Jahren an Tuberkulose litt, war in Rom nur wenig produktiv und verstarb 1812 mit 24 Jahren. Im Laufe seines Lebens hat Pforr nur wenige Gemälde geschaffen. Erhalten sind außer dem hier besprochenen Werk nur fünf für ihn gesicherte Werke, von denen sich vier in Frankfurt befinden. Dies macht das Werk zu einer einmaligen Rarität auf dem Kunstmarkt.
Bislang galt das vorliegende Werk als vermisst. Pforr sagt selber in seinem „Studienbericht“ über die „Häusliche Szene“, seine Tätigkeit in Wien und die Anfänge des Lukasbundes (Overbeck, Wintergerst 'Vogel und Hottinger): "jetzt standen also schon fünfe da. Wir hatten uns vorgenommen, daß jeder ein gemaltes Nachtstück auf eine gewisse Zeit liefern sollte. Ich malte dafür ein kleines Bildchen: ein Mann welcher nach Haus kommt und sein Weib bei der Arbeit findet; ich wählte diese ruhige häusliche Szene' weil das Bataillenmalen mir nicht mehr genügen wollte.“ Ebenfalls erwähnt ist das Gemälde in der Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, z.B. Friedrich von Boetticher „Malerwerke des Neunzehnten Jahrhunderts“ (Band 2, S.264). Das Motiv des heimkehrenden Künstlers – Börsch-Supan vermutet hier ein Selbstporträt des Malers – war seit den 50er Jahren in Form einer Vorzeichnung bekannt, die sich in der süddeutschen Privatsammlung Winterstein befindet.
Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan schreibt zu dem vorliegenden Werk: „Die erste Frucht dieser Eindrücke ist die "Häusliche Szene". Sie markiert die Abkehr von den früheren kriegerischen Szenen - hauptsächlich aus dem Dreißigjährigen Krieg - und die Hinwendung zu gefühlsbetonten, moralische und religiöse Überzeugungen bekennenden Darstellungen im Einklang mit den Zielen des Lukasbundes, wobei sich das Geschehen im Mittelalter oder in der Epoche Dürers und Raffaels abspielt. So kann das kleine Nachtstück als Inkunabel der nazarenischen Malerei gelten.“
Das komplette Gutachten mit eingehender Beschreibung des Gemäldes kann unter www.van- ham.com, unter der Katalogbeschreibung Los 170, eingesehen werden.
Bildunterschrift Nächtliche Heimkehr. Monogrammiert und datiert unten auf der Tafel: FP 1809. Öl auf Leinwand. 26 x 20cm. Schätzpreis: 130.000 – 150.000 Euro Rückseitiges Etikett:
VAN HAM Kunstauktionen KG
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