• Menü
    Stay
Schnellsuche

ELGER ESSER. E

ELGER ESSER. EIGENZEIT

ELGER ESSER. E

Die Fotografien von Elger Esser wirken wie ein Déjà-vu: seine magischen Bilder von Flusslandschaften, Brücken, Dörfern und Meeresküsten rufen vage Erinnerungen wach, selbst wenn man nie an einem der Aufnahmeorte gewesen ist. In bewusster Anlehnung an Marcel Proust begibt sich der 1967 in Stuttgart geborene Künstler in seinen poe- tisch-melancholischen Fotografien immer wieder auf die »Suche nach der verlorenen Zeit«. Auch in der Wahl der fotografischen Techniken: Seine jüngst entstandenen Heli- ogravüren, eine fast vergessene Technik des 19. Jahrhunderts, stellt er erstmals vom 28. November 2009 bis 11. April 2010 im Kunstmuseum Stuttgart und anschließend im Museum voor Moderne Kunst Arnhem vor. Diese erste große Überblicksschau präsen- tiert rund 50 großformatige Werke des Künstlers. Als einer der letzten und jüngsten Absolventen der berühmten Klasse von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie zählt Elger Esser heute zu den wichtigsten deutschen Fotokünstlern.

 20 Le Tréport, 2006

Der Begriff »Eigenzeit« stammt ursprünglich aus der Physik und beschreibt nach Einstein das Phänomen der Relativität der Zeit. Als Titel dieser Ausstellung bezeich- net er zunächst Elger Essers offene Herangehensweise, wenn er sich alleine ohne klare Ziel- und Motivvorstellungen auf den Weg begibt und sich einfach treiben lässt. Zum anderen benennt »Eigenzeit« den Kern von Essers fotografischem Schaffen: Seine Landschaftsbilder wirken zeitenthoben, entziehen sich der Einordnung und werden so zu Monumenten ihrer Eigenzeit. Die Aufnahme eines Dorfplatzes könnte gestern, vor zehn Jahren oder gar vor hundert Jahren entstanden sein. Sie zeigt das Wesen des Ortes und nicht dessen zeitliche Verortung.

Wie in der Malerei löst Esser somit das Motiv von Ort und Zeit und erschafft statt- dessen ein wirkungsmächtiges Sehnsuchtsbild. Selbst wenn man auf diesen Aufnah- men einzelne aktuelle Hinweise entdecken sollte – Esser würde diese Details nie re- touchieren –, verlieren die Bilder durch ihre statische Erscheinung die zeitliche Be- stimmbarkeit und gewinnen zugleich einen Hauch von Ewigkeit. Esser dringt damit zum zwiespältigen Wesen der Fotografie vor, die von ihrer Geburtsstunde an den Spagat zwischen Dokumentation – dem angeblich objektiven Abbild der Realität – und subjektiver Aneignung der Welt zu leisten hat. »Essers Bilder erzählen von Sehnsucht«, so Alexander Pühringer in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog, »dem Wunsch, etwas festzuhalten, was doch verloren ist, längst und unumkehrbar. Darin liegt die leise Melancholie verborgen, die seinen Fotografien innewohnt.«

In seinen stets unsentimentalen Bildern nobilitiert Esser die unaufgeregten, un- scheinbaren Plätze, die er durch seine Fotografie der Vergessenheit entzieht. Es geht ihm um die intime Erinnerung, die jeder mit sich trägt. Der fiktive Ort Combray aus dem Romanzyklus »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«, den Proust aus Versatzstücken des realen Ortes Illiers komponierte, symbolisiert genau diese intime Erinnerung. Er wurde in der Rezeption zum Sinnbild der Kindheitserinnerung schlechthin. Esser bezieht sich auf genau diesen Topos und übersetzt den Bilder- reichtum von Proust in einige wenige Fotografien. Fremd und vertraut zugleich be- rühren seine Aufnahmen von Echanney oder Fontaines-en-Duesmois den Betrachter. Esser nennt die Orte im Titel; jeder kann die Dörfer auf der Landkarte lokalisieren und selber aufsuchen. Zugleich setzt er sie jedoch in einen Bezug zu dem fiktiven Combray, so dass immer wieder die Irritation entsteht, ob die Fotografien nicht doch alle in Illiers/Combray entstanden seien. Indem er sein Werk einerseits lokalisiert, es andererseits jeder Lokalisierung entzieht, löst er es gezielt von seinen geografischen Koordinaten.

Brücken, Flüsse und natürlich Seestücke sind zentral in Essers Werk. Gerade bei sei- nen zahlreichen Brückenbildern wird die enge Beziehung und der Unterschied zur Malerei des 19. Jahrhunderts deutlich. So zeigt »Saint-André de Cubzac« ein Monu- ment der Ingenieurleistung, eine von Gustave Eiffel in den Jahren 1879 bis 1883 er- baute Brücke. Monet hätte mit Sicherheit über diese Brücke eine dampfende Loko- motive fahren lassen; bei Esser ist es ein Ort der Stille. Technikgläubigkeit und Zu- kunftsträume sind nicht das Thema. Schon in diesen frühen Arbeiten befasst sich Es- ser vielmehr mit der Erinnerung. Die ausgebleichten Farben seiner Landschaften un- terstreichen den Eindruck, dass viel Zeit zwischen dem Entstehungszeitpunkt und der Anschauung vergangen sein muss. Bei seiner Ausschnittwahl respektiert der Künstler klassische Kompositionsregeln, die unterschwellig den harmonischen Ein- druck unterstreichen.


Ausstellung






Neue Kunst Ausstellungen
Günter Wolfsberger -
AM ENDE LICHT - so lautet der Titel der Licht- und...
World Press Photo 2024
«Swiss Press Photo 24» präsentiert die besten...
Pfingstfest 2024 Das
Rita Nitsch und der Verein zur Förderung des Orgien Mysterien...
Meistgelesen in Ausstellungen
Heinz Mack: Neue Werke –
Seine experimentellen Licht-Installationen in der Wüste haben...
Das Museum Art.Plus in
Donaueschingen. Das Museum Art.Plus in Donaueschingen zeigt...
Buddha 108 Begegnungen
Nur wenige Gestalten haben eine dem Gautama Buddha...
  • ELGER ESSER. EIGENZEIT
    Kunstmuseum Stuttgart
  • ELGER ESSER. EIGENZEIT
    Kunstmuseum Stuttgart
  • ELGER ESSER. EIGENZEIT
    Kunstmuseum Stuttgart
  • ELGER ESSER. EIGENZEIT
    Kunstmuseum Stuttgart
  • ELGER ESSER. EIGENZEIT
    Kunstmuseum Stuttgart