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DIE KULTUR DER KULTURREVOLUTION

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Kurator der Ausstellung: Helmut Opletal Chinas Kulturrevolution (1966 bis 1976) hat Millionen Menschen im Land selbst und in der ganzen Welt fasziniert, aber auch viele in Angst und Schrecken versetzt. Es war die Zeit der Massenaufmärsche, der Roten Garden, eines beinahe religiösen Personenkults um den Revolutionsführer Mao Zedong und des Strebens nach einer egalitären Gesellschaft. Aber es war auch eine Ära politischer Verfolgungen und der Zerstörung unschätzbarer Kulturgüter.

„Die Kultur der Kulturrevolution“ zeigt anhand einer ungewöhnlichen Sammlung von Alltagsobjekten und Zeitdokumenten die Durchdringung ganz Chinas mit Parolen und Symbolen des Mao-Kultes, von den kleinen Abzeichen und der Mao-Bibel bis zu den mit vielfältigem Propagandadesign dekorierten Gebrauchsgegenständen.

In der Ausstellung werden die Schlagworte und die politische Symbolik dieser Kulturrevolution dargestellt und entschlüsselt, sodass diese wechselvolle Periode chinesischer Zeitgeschichte, die unmittelbar vor dem großen Wirtschaftsaufschwung und der Öffnung Chinas zur Welt stand, plastisch und verständlich wird.

Vieles erscheint europäischen Besuchern zunächst als „Kitsch“ und liebliche Verklärung, wie der Wecker, auf dem eine Rotgardistin im Sekundentakt die Mao-Bibel schwingt, Plakate, auf denen Mao Babys streichelt, oder ein fluoreszierendes Mao-Herz, das in der Dunkelheit leuchtet. Doch auf der anderen Seite stehen Kinderbücher, in denen Volksschüler politische „Feinde“ hetzen, Kriegspropaganda oder Karikaturen, auf denen immer wieder „Konterrevolutionäre“ aufgespießt, zermalmt und zertreten werden.

Ein großer Teil der ausgestellten Stücke stammt aus der umfangreichen Sammlung von Helmut Opletal, die das Museum für Völkerkunde 2005 erworben hat und die durch weitere Sammlungen und Zukäufe sowie private Leihgaben ergänzt worden ist. Der China-Experte und ehemalige ORF-Redakteur Helmut Opletal konnte auch als Kurator für die Ausstellung gewonnen werden. Er hat zwischen 1973 und 1985 in China mehrere Jahre studiert und als Journalist gearbeitet und konnte so das Ende der Kulturrevolution und der Ära Mao Zedongs persönlich miterleben.

Diese Kulturrevolution zeigte sich auf der einen Seite höchst zerstörerisch – alles „Alte“, „Bürgerliche“ und „Feudalistische“ sollte ausgemerzt werden, Intellektuelle und Kulturschaffende wurden verfolgt, Millionen Bürgerinnen und Bürger misshandelt und oft auch zu Tode gequält. Auf der anderen Seite entstand jedoch eine vielfältige Trivialkultur der Mao-Verehrung und propagandistischen Verklärung der Politik, die Ende der 60er Jahre beinahe religiös-kultischen Charakter annahm.

Die Ausstellung „Die Kultur der Kulturrevolution“ dokumentiert diese beiden widersprüchlichen Seiten, „Traum und Terror“, wie sie die Wiener Sinologie-Professorin Susanne Weigelin-Schwiedrzik nennt. Eine kritische Aufarbeitung der Ära ist in China bis heute kaum erfolgt, eine Ausstellung wie diese, die nicht nur Objekte zeigt, sondern sie auch in einen gesellschaftlichen Kontext einordnet, wäre in Peking oder Shanghai noch immer schwer vorstellbar. „Die Kulturrevolution als Wunschbild und als blutige Realität lässt sich nicht einfach zu einem Bild zusammenfügen“, schreibt dazu Weigelin- Schwiedrzik, „deshalb wird entweder das eine verdrängt oder das andere bejubelt. Eine allseits in der Forschung akzeptierte Sichtweise zur Kulturrevolution gibt es ebenso wenig wie einen Grundkonsens innerhalb der chinesischen Gesellschaft.“

So sieht die offizielle Volksrepublik China Mao Zedong vor allem als – positiv besetzten – Übervater der Revolution. Etwa ab 1993, dem 100. Geburtstag des „Großen Führers“, schwappte zudem eine Welle der Mao-Nostalgie über China, die auch im Land selbst neue Formen der Erinnerungskultur schuf. Chinesen begannen Kulturrevolutions-Andenken zu sammeln, „Mao“ wurde auch zu einem Kommerzobjekt, zur „Ware“, zur Wertanlage. Propagandabilder von damals oder chinesische Avantgarde-Kunst, die Mao und die Kulturrevolution thematisiert, erzielen seither auf Auktionen Höchstpreise. Durch Leihgaben der Schweizer Sammlung Sigg und des Essl Museum in Klosterneuburg wird auch dieser Aspekt in der Ausstellung sichtbar.

Einen gewissen Widerhall fand die chinesische Kulturrevolution in der 1968er-Bewegung in Europa. Maoistische Gruppen trugen damals Bilder des „Großen Führers“ vor sich her und imitierten Rituale und Symbole, während man in China selbst Mao gerne als „Sonne“ darstellte, die die ganze Welt überstrahlte, und auf Kalendern und Plakaten Ausländer abbildete, die Mao-Abzeichen trugen und freudig das Kleine Rote Buch (der gesammelten Mao-Sprüche) schwenkten. Für den Kurator Helmut Opletal ist das ultimative Wort zu diesem komplexen Thema der chinesischen und internationalen Zeitgeschichte noch nicht gesprochen. Mit einigen der gezeigten Objekte unterstreicht er Parallelen zu anderen autoritären Gesellschaften und Führerkulten, durch die Ausstellung hofft er, „den Blick zu schärfen für das Verhältnis zwischen Politik und Alltag, zwischen Mächtigen und einfachen Bürgern, zwischen Massenwahn und Verantwortung des Einzelnen, zwischen Utopie und gesellschaftlicher Realität – sei es in China oder anderswo“.








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  • Spielzeugsoldat (319 KB) Gummi, mit Handgranate, erworben in 1975 in Shanghai. Sammlung Claudia Lux, Berlin © KHM mit MVK und ÖTM
    Spielzeugsoldat (319 KB) Gummi, mit Handgranate, erworben in 1975 in Shanghai. Sammlung Claudia Lux, Berlin © KHM mit MVK und ÖTM
    Kunsthistorisches Museum
  • Plattenspieler (621 KB) Werksplakette „Der Osten ist Rot, Modell 101“, mit Mao-Zitaten auf dem Deckel, um 1970. Museum für Völkerkunde, Wien © KHM mit MVK und ÖTM
    Plattenspieler (621 KB) Werksplakette „Der Osten ist Rot, Modell 101“, mit Mao-Zitaten auf dem Deckel, um 1970. Museum für Völkerkunde, Wien © KHM mit MVK und ÖTM
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  • Vase (331 KB) Porzellan, mit Darstellung von zur Arbeit aufs Land verschickten Jugendlichen, Liling (Provinz Hunan), datiert 1976. Museum für Völkerkunde, Wien © KHM mit MVK und ÖTM
    Vase (331 KB) Porzellan, mit Darstellung von zur Arbeit aufs Land verschickten Jugendlichen, Liling (Provinz Hunan), datiert 1976. Museum für Völkerkunde, Wien © KHM mit MVK und ÖTM
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