Bildende Kunst
Kunsthaus Zürich zeigt Ausstellung «Reformation»
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Ausstellung29.09.2017 - 14.01.2018
ERINNERUNG: NATIONALE EINHEIT WIDER KONFESSIONSGRENZEN
Das historisierende Interesse an der Reformation diente schon im 19. Jahrhundert dem Zweck, die heimatlich-nationale, liberale Identifikation zu festigen. Hier setzt der zu seiner Zeit berühmteste Zürcher Historienmaler Ludwig Vogel an. 1819 konzipierte er «Zwinglis Abschied beim Aufbruch zur Schlacht bei Kappel», ein Ereignis im Herbst 1531. Die Geschichte basiert auf der Überlieferung des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger, wonach das Pferd des Reformators scheute. Bei Vogel wird das vielleicht zum Omen, dass der nationale Zusammenhalt über die Konfessionsgrenzen hinaus unter einem schlechten Stern stand. Positiv und idealisiert hingegen hat Albert Anker in der «Kappeler Milchsuppe» (1869) die historisch verbürgte Verbrüderung unter den reformierten und katholischen Feinden im unblutig beendeten ersten Kappeler Krieg von 1529 dargestellt. Die Erinnerung an das gute Alte äusserte sich auch anders: Um 1800 war eine Hinwendung zum Sinnlichen zu beobachten und dadurch auch zum Religiösen. Die Suche nach einer neuen Kunst verlief in gewissen Künstlerkreisen über die Rückbesinnung auf die Alten Meister vor der Reformation. Mit diesen sogenannten «Nazarenern» (ein Spottbegriff, weil sie sich angeblich wie die urchristlichen Anhänger Jesu von Nazareth kleideten), brach sich von Rom aus eine technisch zwar qualitätvolle, etwas frömmelnde Darstellungspraxis bahn, die Herz, Seele und Gefühl Ausdruck verlieh. Diese an süddeutschen Höfen geschätzte Kunst wurde bald in biedermeierlichen Haushalten populär. Sie wirkt bis heute in Kitschmotiven nach. Hauptanliegen der Nazarener aber war die Kritik an der einengend empfundenen Kunst des Klassizismus. Ihr Wortführer war Johann Joachim Winckelmann. Dessen berühmtes, von Angelica Kauffmann 1764 geschaffenes Bildnis, ist im Besitz des Kunsthauses. Es zeigt den erleuchteten «Evangelisten» der Aufklärung. Die reine, einfältige Schönheit der antiken Kunst, wie Winckelmann sie postulierte, wirkt dabei unterschwellig antiklerikal, mithin als reformierte Kunst.
ERLEUCHTUNG: GEGENREFORMATION GEHT AUF IM BAROCK
Historisch gesehen diente katholische Kunst nach der Reformation als explizit sinnliche Gegenposition zur vergeistigten Wortorientiertheit und Bilderfeindlichkeit der Protestanten. Das Bilderdekret, das 1563 während des Konzils von Trient verfasst worden war, blieb denn auch bei der althergebrachten kirchlichen Tradition: Sakrale Bilder dienten der Verehrung, Belehrung und Erinnerung an die Wunder der Heiligen. Mittels des Bildes wurden die geistigen Freuden des Himmels als göttliche Erleuchtung überwältigend wahrnehmbar gemacht. Diese Wahrnehmung manifestiert sich in den Gemälden: sie propagieren die mächtige, heilsvermittelnde und wahre christliche Kirche. «Das Schweisstuch der Heiligen Veronika», also das wahre Antlitz Christi von Philippe de Champaigne, vor 1654 gemalt, ist das zentrale Werk in dieser Hängung. In den Sammlungsräumen des Kunsthauses wird die Kunst der Gegenreformation wie in den meisten musealen Sammlungen im Kontext der Barockmalerei gezeigt – wird folglich nach ästhetischen und kunsthistorischen Kriterien behandelt und nicht nach ideologischen.
ERNEUERUNG: REINE KUNST AUF DEM ALTAR
Die Reformation war eine Erneuerungsbewegung. Die Bilder mit ihren einstigen sakralen Funktionen gingen dabei verloren. Gleichzeitig wurde dadurch die Tür für neue Entwicklungen geöffnet, die bis heute andauern. Die Hinwendung der Konkreten zur reinen Malerei und einer von äusseren Umständen (Religion, Natur, Politik) vollständig unabhängigen Kunst ist in gewissem Sinn ein ferner Nachhall der reformatorischen Bilderkritik. Piet Mondrian, die Künstlergruppe De Stijl, und in ihrer Nachfolge die Zürcher Konkreten wandten sich universalen Gesetzen der Geometrie, Mathematik und Optik zu. Ihre Kunst enthält einen unterschwellig sakralen Charakter. Dieser äussert sich in formvollendeten Kompositionen, der Verwendung der Primärfarben oder reiner Grundformen wie Kreis und Quadrat. Zudem bedienten sich die Künstler in Manifesten und gelegentlich auch in Bildtiteln einer religiös konnotierten Sprache. Im Nachhall romantischer Vorstellungen von Kunst, die sich gerade in den Museen als Kunsttempel manifestieren, wird im letzten Raum der Ausstellung die reine Kunst auf den Altar gestellt. Der Charakter des zentralbauartigen, intimen achteckigen Raums am Ende der bespielten Raumfolge im Moserbau lädt dazu richtiggehend ein. Die seit Werner Hofmanns Ausstellung «Luther und die Folgen für die Kunst» (Hamburger Kunsthalle, 1983) mehrfach wiederholte These, dass die Reformation die Kunst zwar zuerst einschränkte, letztlich aber zu ihrer totalen Befreiung führte, wird hier dem Betrachter noch einmal deutlich vor Augen geführt.
Unterstützt von Albers & Co AG
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29.09.2017 - 14.01.2018
MuseumSa/So/Di 10–18 Uhr
Mi–Fr 10–20 Uhr