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sexuellen Lust

Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen

sexuellen Lust

Am Anfang des 20. Jahrhunderts stellten weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen sowie eine gedankliche Neuorientierung die traditionellen Geschlechterrollen infrage. Die zunehmende Gleichstellung von Mann und Frau rief hierbei einerseits heftige Gegenargumente hervor – beispielsweise vom populären Theoretiker Otto Weininger. Andererseits kann die sexuelle Befreiung aber als ein gemeinsames Ziel betrachtet werden, da sowohl bei Männern als auch bei Frauen der Wunsch bestand, aus den moralischen Zwängen des 19. Jahrhunderts auszubrechen. Das relativ freimütige Bekenntnis zur sexuellen Lust auf männlicher und weiblicher Seite versetzte die österreichische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts in Aufruhr und erfüllte die Werke der führenden Künstler des Landes mit einer Mischung aus Grauen und Begeisterung.

Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka näherten sich der damals allgemein als „Frauenfrage“ bezeichneten Thematik jeweils auf eigene Art und Weise, wobei es auch zu Überschneidungen kam. Klimt/Schiele/Kokoschka und die Frauen geht diesen Unterschieden und Gemeinsamkeiten auf den Grund und liefert dabei neue Einblicke in die Geschlechterbeziehungen des frühen 20. Jahrhunderts sowie in die Ursprünge der modernen sexuellen Identität. Die sowohl chronologisch als auch thematisch gegliederte Ausstellung konzentriert sich dabei auf vier Hauptthemen: auf das Porträt, das (Liebes-)Paar, die Mutter und das Kind und den Akt.

Es ist wohl nicht weiter verwunderlich, dass Klimts kostbare, elegante und in leuchtenden Farben ausgeführte Porträts bei den Damen der Wiener Gesellschaft regen Anklang fanden. Doch die individuelle Persönlichkeit der Dargestellten ließ der Künstler beinahe vollkommen hinter die reich ornamentierten Oberflächen zurücktreten. Schiele und Kokoschka kehrten diese dekorative Formel um, indem sie ihre Modelle in eine bildnerische Leere stießen. Damit erzwangen sie eine Konfrontation mit existenziellen Ängsten, die hinter Klimts Horror Vacui verborgen geblieben war. Der damals herrschenden Auffassung zum Trotz, dass Frauen keine Seele hätten, prägten Schiele und Kokoschka damit eine neue, moderne und psychologischen Fragen nachgehende Porträtmalerei.

Auch das Motiv der Mutter mit dem Kind, eines der ältesten Bildthemen der westlichen religiösen Kunst, wurde unter dem Druck der Sexualpolitik des Fin de Siècle einer Wandlung unterzogen. In der allgemeinen Vorstellung kategorisierte man Frauen als „Madonnen“ (keusch und mütterlich) oder „Huren“ (sexuell unersättliche Räuberinnen). Klimt und Schiele unterwanderten diese Dichotomie, indem sie Akte von Schwangeren und nackte Mütter zeigten. Damit stellten sie eine ausdrückliche Verbindung zwischen Mutterschaft und weiblicher Sexualität her. Kokoschka hingegen scheint tatsächlich der Auffassung gewesen zu sein, dass die Mutterschaft eine Frau von sexueller Promiskuität „heilen“ könne. Er war besessen von dem Wunsch, mit seiner Geliebten Alma Mahler ein Kind zu zeugen, und stellte sie in seiner Kunst wiederholt allegorisch als Jungfrau Maria dar.

Aus den Werken Klimts, Schieles und Kokoschkas geht hervor, dass alle drei am Glauben an die romantische Liebe festhielten: an eine Verbindung von Seelenverwandten, die durch erotische Leidenschaft besiegelt wurde. Doch während Klimt in seinen Liebespaardarstellungen den Inhalt auf eine allegorische Ebene hob, ließen die beiden Expressionisten persönliche Erfahrungen in ihr Werk mit einfließen. Tatsächlich sind Evokationen glücklos verlaufender Beziehungen bei Schiele und Kokoschka oft emotional überzeugender als ihre Darstellungen idealisierter, glücklicher Liebender. Da Mann und Frau damals als Gegensatz verstanden wurden, konnte keine reibungslose Vereinigung der beiden stattfinden.

Bei den weiblichen Aktdarstellungen der westlichen Kunst bestand das Ziel traditionell darin, die der Frau innewohnende Erotik durch einen Prozess der Ordnung und der Idealisierung zu unterdrücken. Am Beginn des letzten Jahrhunderts äußerte sich die Angst des Mannes vor der weiblichen Sexualität im Konzept der Femme fatale, einem bei Klimt wiederkehrenden Thema. Abgesehen von diesen in der damaligen Zeit durchaus umstrittenen schamlosen und provokanten Frauen findet sich jedoch insgesamt wenig im Werk des Künstlers, das das Primat des männlichen Blicks erschüttern würde. Klimts Akte sind von verführerischer Schönheit, und in vielen seiner eindeutig erotischen Zeichnungen sind sie von einer Passivität, die an Bewusstlosigkeit grenzt.

Im Vergleich dazu sind die Aktdarstellungen Schieles und Kokoschkas schroffer. Kantige Linien untergraben einladende weibliche Kurven, markante Bildausschnitte und ungleichmäßige Farbigkeit generieren eine Aura des Unbehagens. Anders als beim klassischen Akt scheinen sich diese Frauen häufig bewusst zu sein, dass sie beobachtet werden. Zuweilen wirken sie davon unangenehm berührt. Am radikalsten ist hier Schieles Vorliebe, liegende Frauen in der Vertikalen darzustellen, woraus sich eine Widersprüchlichkeit nährt, die ganz im Gegensatz zur Ästhetik des klassischen Aktes steht. Die Akte von Schiele und Kokoschka, aber auch jene von Klimt verschleiern eine unterschwellige männliche Angst. Es wäre deshalb nicht akkurat, einen dieser Künstler als Feministen zu bezeichnen. Nichtsdestotrotz erkannten alle drei Maler die sexuelle Autonomie der Frau in einem bisher ungekannten Ausmaß an.








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  • Egon Schiele, Edith Schiele im gestreiften kleid, 1915 Öl auf Leinwand 180,2 x 110,1 cm
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